Viele Deutsche haben momentan ein eher negatives Bild von Ungarn. Seit Viktor Orbans umstrittener Politik gegenüber Europa, Medien oder Flüchtlingen, wird das Land nicht mehr nur mit k.u.k.-Pomp und Gulasch in Verbindung gebracht. Doch egal wie man zur Politik des Regierungschefs stehen mag, viel Pomp hat Ungarn – und ganz speziell Budapest – noch immer.
Fährt man mit dem Auto vom Budapester Flughafen in die Innenstadt, sieht man noch nichts vom Prunk der Innenstadt. Alte Flugzeuge der bankrott gegangenen Staatsairline, baufällige Fabriken, graue Hochhäuser – so stellt man sich den „Ostblock“ vor. Dann wandelt sich die Umgebung: überall Baustellen, Kräne, neue Fassaden. Kommt man dann schließlich ins Zentrum, begrüßt einen die Donau. Die beiden Hauptstraßen führen am Fluss entlang. Auf der einen Seite liegt der Stadtteil Buda, auf der anderen Pest. In Buda thront die Zitadelle, in Pest das imposante Parlament. Eine historische Fassade neben der nächsten. Denkt man sich die Autos und die ein oder andere Hotelbausünde weg, ist das Budapester Zentrum wie eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert.
21 Millionen Besucher im Jahr
Noemi Csondor ist Reiseführerin in Budapest. Sie führt seit Jahren fast täglich durch die Hauptstadt: „Es kommen immer mehr und mehr Besucher“, erzählt sie. „Aber Budapest hat auch viel zu bieten.“ Vor allem aus den USA und Asien kommen viele Touristen. Mehr als 21 Millionen Besucher zählte das Land 2016 Angaben der Tourismusbehörde zufolge. Tendenz steigend. Laut Csondor sind die Ungarn stolz auf diese Entwicklung. Es gefalle ihnen, ihr Land zu präsentieren, vor allem in der Hauptstadt.
Die 1,7 Millionen Einwohner zählende Stadt ist durch die Donau zweigeteilt: Buda auf der Westseite und Pest auf der Ostseite. Die Vereinigung der einst eigenständigen Städte folgte 1873. Csondor nimmt sich meist die traditionsreichen Ecken Budapests vor. Sie führt Touristen auf den Gellértberg und die dortigen Zitadelle. Der Ausblick auf die unten an der Donau liegende Stadt ist in der Tat „fantastisch“, wie Csondor sagt. Aber: Der Ausblick ist natürlich kein Geheimnis, und so strömen täglich Scharen von Touristen auf den Berg – bewaffnet mit Selfiesticks –, um das perfekte Foto zu ergattern.
Ähnlich ist es auf dem barocken Burgviertel Várnegyed, ebenfalls auf den Höhen Budas: Die Fischerbastei, deren Türme an die Zelte der Magyaren erinnern sollen, bietet ebenfalls einen Panoramablick auf die Altstadt – doch der Andrang ist groß der Platz begrenzt. „Man muss hier schon mal anstehen“, sagt auch Csondor. Geschichtsträchtig ist auch die daneben liegende Matthiaskirche. Hier wurde der Sisi-Liebhabern bekannte Franz-Joseph I. zum ungarischen König gekrönt.
Zwischen Buda und Pest
Von den Höhen Budas geht es weiter an das andere Ufer – nach Pest, in Richtung St.-Stephan-Basilika und Parlament. Im Stadtzentrum ist alles fußläufig erreichbar. „Wenn man nicht mehr weiter weiß, fragt man einfach nach der Duna“, sagt Csondor – nach der Donau. Verirren kann man sich dann kaum. Von der Zitadelle und dem Burgviertel kommt man mit Bussen und Taxen hinunter in die Stadt, man kann aber auch ein Tuk-Tuk nehmen.
Bertalan Torok ist 22 Jahre alt. Eigentlich studiert er Informatik. Doch seit 2014 führt er eine kleine Flotte von Tuk-Tuks an – umgebaute Vespa-Roller, auf dem zwei Passagiere Platz finden. Das kleine Taxi schafft es deutlich schneller durch die engen, verstopften Gassen und den dichten Verkehr: „Eine Tour durch die ganze Stadt schaffen wir in zwei Stunden. Mit dem Taxi geht das nicht“, erklärt Torok stolz. Viele junge Leute verlassen mittlerweile das Land, wollen nach Deutschland oder Großbritannien. Doch Torok wollte immer bleiben. Mit den Tuk-Tuks hat er sich schon etwas aufgebaut. Und bald hat er auch sein Studium abgeschlossen.
Um die Kettenbrücke ranken sich viele Geaschichten
Der 22-Jährige bringt Besucher schnell über die altehrwürdige Kettenbrücke, die Buda mit Pest verbindet. Die 1849 fertiggestellte klassizistische Brücke gilt vielen Ungarn als Wahrzeichen, erklärt Noemi Csondor. Sie steht für den Aufbruch in die Moderne. Viele Geschichten ranken sich um ihren Erbauer István Széchenyi – so zum Beispiel die, dass er die Brücke nur entworfen habe, um seine Geliebte auf der anderen Seite besuchen zu können.
Ungarns Symbol schlechthin allerdings ist das Parlamentsgebäude. Fast 300 Meter misst das weiße, neogotische Gebäude am Ufer der Donau, gebaut von 1885 bis 1904. Majestätische Türme, eine gewaltige Kuppel in der Mitte und nahezu endlose Flügel mit 700 Räumen. Im Inneren: Schnitzereien und Gemälde, rote Teppiche und goldene Zigarrenhalter für die Abgeordneten. Stephanskrone, Zepter und Reichsapfel sind im Gebäude ausgestellt, bewacht von einer Ehrengarde. Das Gebäude strahlt den ganzen Stolz der Vergangenheit aus.
Budapest sollte aber keinesfalls nur der Pracht und des Pomps vergangener Tage wegen besucht werden. Neben den 200 Museen gibt es mehr als 40 Theater, zum Beispiel das „Müpa Budapest“, früher auch Palast der Künste genannt. Das ist eine gigantische Halle für modernes Theater, Konzerte, Tanz oder Ausstellungen. Kleine Kunstwerke wie originelle Skulpturen oder kreative Graffitis sind in der ganzen Stadt zu entdecken.
Auch Festivals gibt es rund ums Jahr – zum Beispiel zu Musik, Folklore oder Wein.
Europaweit bekannt ist das Sziget-Festival. Auf der Donauinsel Óbudai feiern dann um die 400 000 Menschen. Stars wie Prince, David Guetta, Iron Maiden oder Die Ärzte sind hier bereits aufgetreten. Auch zum Ausgehen ist die Insel beliebt, hier reiht sich ein Nachtklub an den anderen. Ein besonderes Pflaster ist auch das alte jüdische Viertel. Hier haben sich vor allem Bars und Restaurants niedergelassen. Aber Vorsicht: Bereits am frühen Abend wird es sehr voll.
Außer Pomp gibt's auch Partys und Pubs
Die „Ruin Pubs“ sind noch so eine sehr beliebte Anlaufstelle: In einer großen Häuserruine haben mehrere Bars eröffnet. Mit viel Liebe zum Detail sind die Ruinen voller Trödel im Retro-Stil: Gitarren hängen von den Wänden, daneben Straßenschilder, Graffitis und alte Möbel. „Wir haben hier besonders viele junge Leute. Vor allem Studenten kommen zu uns“, erzählt Eszter Szabó. Sie steht abends hinter der Theke, mixt nach der Uni einen Cocktail nach dem anderen. „Im Sommer ist hier noch mehr los. Aber wir sind natürlich nicht die einzige Bar. In der Innenstadt gibt es so viele tolle Bars, man muss nur in die kleinen Straßen schauen.“
Nicht nur die Stadt, auch das Budapester Umland wird immer stärker touristisch erschlossen. Der Balaton, auch als Plattensee geläufig, ist vielen Urlaubern schon lange ein Begriff. Aber auch das große Weinbaugebiet um die kleine Festungsstadt Eger, dessen „Stierblut“ sich als Kultwein weltweit einen Namen gemacht hat, gewinnt an Zulauf. Oder Schloss Gödöllö, Sisis Lieblingsschlösschen im Königreich.
Oder das Lazar-Gestüt, welches die bekanntesten Reit-Shows im Land anbietet. Über neun Hektar erstrecken sich dort die Weiden für 95 Pferde und ein Dutzend Rinder. Beides Tiere, die zu Ungarn gehören wie das Gulasch. Und der k.u.k.-Pomp, der die Touristen anzieht. Der aber nicht alles ist: Majestätische Paläste und ein Stop im Kaffeehaus sind nur die eine Seite. Der Sommer, in dem die Donauufer zur Partymeile werden, die andere. In Budapest sind viele Wege möglich.