
Dies ist die Zeit, in der Karrieren gemacht werden. Denn der Kreuzfahrtenmarkt wächst und wächst. Gingen 1995 noch 309 000 deutsche Passagiere an Bord von Kreuzfahrtschiffen auf Flüssen und Meeren, waren es 20 Jahre später 2,2 Millionen – ein üppiges Plus von 710 Prozent. Und Prognosen sprechen von weiterem Wachstum: Drei Millionen Passagiere sollen es im Jahr 2020 sein. Das liegt auch daran, dass immer mehr jüngere Menschen sich interessieren für einen Urlaub an Bord – und das im übrigen mit Präferenz für deutschsprachige Schiffe. Darunter das neueste ist die „Mein Schiff 5“, gerade eben von Sängerin Lena Meyer-Landrut in Travemünde getauft. An diesem Samstag startet der Neubau zu seiner Jungfernfahrt ins Baltikum.
Für Kreuzfahrtdirektorin Doreen Jana Kuempel ist es nicht die erste Indienststellung. Die 44-jährige Thüringerin hat eine Karriere hinter sich, die wie gemacht ist für diesen Boom-Markt. 15 Jahre arbeitete sie als Journalistin für den Mitteldeutschen Rundfunk, machte Beiträge fürs MDR-Fernsehen. Dann heuerte sie während eines Urlaubs im TV-Team eines Hapag-Lloyd-Kreuzfahrtschiffes an. „Das ist so acht, neun Jahre her“, erinnert sich Doreen Kuempel.
Von da an ging es rasend schnell. Sie avancierte nebenberuflich zur Eventmanagerin an Bord und wurde schließlich Kreuzfahrtdirektorin bei der neu gegründeten Gesellschaft TUI Cruises, für die sich der deutsche Reiseveranstalter TUI und die Kreuzfahrtgesellschaft Royal Carribean zusammengetan hatten. Seit sechs Jahren lenkt die gelernte Journalistin nun die Geschicke von 80 bis 90 Mitarbeitern an Bord, die vor allem in den Bereichen Unterhaltung und Gästebetreuung tätig sind.
Am Anfang stand der Journalismus, danach kam die Kreuzfahrt
Journalismus und Kreuzfahrt – geht das? „Klar“, sagt Doreen Kuempel. „Viele Fähigkeiten braucht man hier wie da. Etwa: Wie gehe ich mit Menschen um und wie mit häufig wechselnden Situationen, mit Überraschungen.“ Spricht's und lächelt sonnig. Dieses Lächeln gehört wie ihr maritimes Kostüm zur Dienstkleidung. „Wenn ich meine Kabine verlasse, bin ich angeknipst. Das gehört dazu“, sagt sie. Und das, solange sie an Bord ist: vom morgendlichen Frühstück bis nach der Abendshow, vier Monate ohne Unterbrechung. Dann gibt es zwei Monate Heimaturlaub – in Erfurt. Familie tanken, Freunde tanken. Und reisen. Am liebsten nach Asien, immer wieder nach Asien. Diese Reiselust hat sie letztendlich auch an Bord gebracht.
So ähnlich geht es auch Thomas Eder. Der Österreicher, der auf der „Mein Schiff 5“ Generalmanager ist, fährt seit 1997 zur See – das sind fast 20 Jahre auf dem Kreuzfahrtschiff. „Ja“, räumt er ein, „man wird lebensfremd, wenn man nur am Schiff ist.“ Wenn man ein Leben führt befreit von Alltagslasten. Zumindest in der Führungsetage an Bord wird man bekocht, bewaschen und beputzt. Allerdings in engen Grenzen: Die Kabine ist der einzige private Raum. Und da leben bei Thomas Eder auf rund 40 Quadratmetern auch seine Lebensgefährtin und seine zweijährige Tochter.
„Wenn die Welt so leben würde wie wir, würde es keine Kriege geben“
Der 49-Jährige ist der Chef von 850 der insgesamt rund 1000 Crewmitglieder und zuständig für alles, was nicht mit Nautik zu tun hat. Und das dauerhaft unter fröhlichen Gästen, abrufbar 24 Stunden am Tag, drei Monate am Stück. Danach ist er für drei Monate ganz privat. Familie Eder hat sich inzwischen auf Mallorca niedergelassen. Er braucht es immer warm, sagt Thomas Eder. Deshalb reist auch er besonders gern nach Asien. Das Unterwegssein liegt den modernen Kreuzfahrern eindeutig im Blut.
1000 Crewmitglieder aus cirka 50 Nationen, verschiedene Sprachen, verschiedene Religionen, verschiedene Kulturkreise – knirscht es da nicht manchmal heftig? Thomas Eder schüttelt den Kopf: „Wenn die Welt so leben würde wie wir an Bord, würde es keine Kriege geben.“
So viel Antwort-Routine hat Jonas Junk noch nicht, er empfindet das aber ganz ähnlich. Der 18-Jährige hat gerade sein Abitur hinter sich und ab November ein Work-and-Travel-Jahr in Australien vor sich. Zwei Wochen nach dem Abi-Ball ging der junge Augsburger an Bord der „Mein Schiff 5“, wo er für drei Monate als einer der Bordfotografen jobbt. Drei Monate ohne freien Tag – ihm wird das nicht zu viel, ist er sich sicher. „Klar muss man das mögen“, sagt er souverän und erklärt dann, dass er mit der Crew wie in einer zweiten Familie lebe und dass er an Bord innerhalb einer Woche Freunde aus der ganzen Welt gefunden habe.
Die „Freunde aus der ganzen Welt“ haben erst am 20. Juni das nagelneue Schiff auf der finnischen Werft übernommen. Ab dann wurde getestet, wo es im Echtbetrieb vielleicht noch haken könnte. Auch die ersten Passagiere gingen für sogenannte „Vorfreude“-Kreuzfahrten in die Ostsee schon an Bord. Fast durchweg alte Kreuzfahrthasen, Fans der „Mein Schiff“-Flotte. „Wir sind jedes Jahr einmal zusammen an Bord“, erzählt eine dreiköpfige Männerrunde beim Tendern auf die Insel Bornholm, die Vorfreude-Fahrt haben sie zusätzlich eingeschoben. Erst im Oktober ist ihre richtige Jahresfahrt, es geht dann gemeinsam ins Mittelmeer. Was das Trio so toll findet, dass es immer und immer wieder kommt? Dass es so leger zugeht, dass das Essen so lecker ist und die Getränke im Reisepreis schon enthalten sind. Dass sie von Ort zu Ort reisen und unterwegs kein Hotel wechseln müssen. Da wundert es kaum, dass TUI Cruises berichtet, 60 bis 65 Prozent ihrer „Mein Schiff“-Passagiere seien Wiederholer.
Immerhin fünf Schiffe davon gibt es nun schon, Schiff Nummer sechs folgt nächstes Jahr, sieben und acht in den Jahren danach. Sie sollen die beiden ältesten Schiffe ersetzen, die vor allem mit den Umweltstandards der Neubauten nicht Schritt halten können. Von denen schwärmt Milos Grigic, der Umweltoffizier an Bord. Der 29-jährige Serbe hat in Trier Stoffstrom-Management studiert, preist den anfallenden Müll als Rohstoff und das Abgasreinigungssystem, das sich über 15 Decks hinweg durch das Schiff zieht, als das modernste der Welt. „Wir erfüllen jetzt schon die Abgasregeln, die erst 2020 verbindlich werden“, erklärt er und lauscht einem kurzen Zischen im Hintergrund: Gerade rauscht Lebensmittelabfall durch ein Rohr zur zentralen Sammelstelle im Schiffsbauch, wo ihm Feuchtigkeit entzogen und er verbrannt wird. Grigic strahlt: „Es funktioniert!“, die Vorfreude-Fahrt hat sich für ihn gelohnt.
Nach 32 Umrundungen der Welt steht jetzt noch eine weitere an
Was es heißt, ein neues Schiff zum Schwimmen zu bringen, weiß Kapitän Kjell Holm. 250 000 Einzelteile wurden für den Rumpf verbaut, 300 000 Liter Farbe für den Anstrich verbraucht. 2000 Kilometer Kabel und 50 000 Quadratmeter Teppich mussten verlegt, 8000 Quadratmeter Fensterfronten und Balkontüren eingebaut werden. Zu Spitzenzeiten arbeiteten 1700 Arbeiter gleichzeitig auf der Werft in Turku an der Fertigstellung des Schiffes. 1000 Crewmitglieder mussten gefunden werden, für jedes waren vor Dienstantritt 300 Trainingsstunden fällig. 13 500 Kilogramm Bettwäsche wurden an Bord gebracht, 51 400 Handtücher gekauft. Und erst nach 581 Tagen Bauzeit konnte es losgehen. Mit Kjell Holm als Kapitän.
Seit über 50 Jahren fährt der 66-Jährige zur See, 32 Umrundungen der Welt hat er bisher hinter sich. Geboren ist der kleine, kräftige Mann in Finnland, leben will er da aber nicht. „Der Sommer ist zu kurz und der Winter zu lang“, knurrt er. Holm hat ein neues Zuhause in Australien gefunden, wohin er nach drei Monaten Arbeit an Bord der „Mein Schiff 5“ verschwindet. Allerdings nur, um möglichst bald wieder an Bord zu gehen. An Bord seines eigenen Segelschiffs. Und was er damit noch angehen will, wenn er mal in Rente ist, ist – natürlich – eine Weltumrundung.
Tipps zum Trip
Das Konzept
Die „Mein Schiff“-Flotte richtet sich an Paare und Familien. So wohnen Kinder zum Beispiel kostenlos mit in der Kabine der Eltern. Im Alles-Inklusive-Konzept ist von der Sauna bis zum Eis am Pool und zum Cocktail an der Bar alles im Preis enthalten. Aufpreise gibt es in den Spezialitätenrestaurants und für bestimmte Getränke. Landausflüge und Anwendungen im 1800 Quadratmeter großen Spa müssen ebenfalls extra bezahlt werden. Was neu ist
Die „Mein Schiff 5“ entspricht in sehr vielen Teilen ihren Vorgängern „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 4“. Im Rezeptionsbereich gibt es jetzt eine Kaffeebar und eine Leselounge, an der auch E-Reader ausgeliehen werden können. Neu ist das Spezialitätenrestaurant „Schmankerl“ mit österreichischer Küche und die „Osteria“ mit italienischer Küche. Sternekoch Tim Raue stellt jetzt die Gerichte für das japanische Restaurant „Hanami“ zusammen.
1800 Quadratmeter Spa & Sport