Die faustgroßen Kartoffeln schwitzen schon im Ofen, als die Gäste von Tamara Gerboval in der Kochschule mit Blick auf den Hafen von Nizza ankommen. Später sollen die Knollen zu Gnocchi verarbeitet werden. Dass die 36-jährige Französin an der Côte d'Azur ihre deutschen Kochschüler ausgerechnet die Nocken zubereiten lässt, die man eigentlich aus der italienischen Küche kennt, verwundert zunächst – ist aber logisch. Nizza hat ein italienisches Erbe. Über Jahrhunderte war die Grafschaft Nizza Teil des Herzogtums Savoyen, später des Königreichs Sardinien. Also quasi italienisch. Erst 1860 fiel Nizza an Frankreich. Heute vermischen sich beide Kulturen an der „blauen Küste“: italienisch anmutende Gerichte und Lebensweise und typisch französischer Stolz auf das mediterrane Flair und die Schönheit der Region zwischen Mittelmeer und Alpen.
Vor allem die lukullische Tradition wollen sich die Niçois – die Einwohner Nizzas – bewahren. Beispielsweise kennzeichnet seit 1995 das Label „Cuisine nissarde“ Restaurants, die regionaltypische Gerichte anbieten. Mindestens drei davon müssen auf der Karte stehen. Am bekanntesten dürfte wohl der Salade Niçoise sein, den man auch in Deutschland in vielen Cafés bekommt. Beliebt sind auch Zwiebelkuchen, Ravioli oder Socca, eine Art Pfannkuchen aus Kichererbsenmehl, Wasser und Olivenöl.
Olivenöl kommt auch bei Tamara Gerboval reichlich zum Einsatz. Während ihre Kochschüler die heißen Kartoffeln schälen, zerkleinern, mit Mehl vermengen und zu Gnocchi formen, mixt die Köchin ein Pistou – Liebhabern der italienischen Küche als Pesto bekannt. Basilikum und Rucola mischt Gerboval mit reichlich Knoblauch und noch mehr Olivenöl. Später soll die provenzalische Sauce über die Gnocchi kommen.
Wer sein Pistou nicht selbst zubereiten möchte, wird in den Gassen Nizzas rund um die Kathedrale Sainte-Réparate fündig. Zahllose Spezialitätenläden verkaufen für die Region typische Lebensmittel. Pikante Oliventapenade, würzige Kräuter und Socca. Letzteres bekommt man auch frisch zubereitet auf dem Blumenmarkt am Cours Saleya, wo Händler neben Blumen auch Oliven, Gewürze und Käse anbieten. Wer es mondäner mag, stattet dem Café de Turin auf der Place Garibaldi einen Besuch ab. Es gehört zu den ältesten Cafés Nizzas und existierte schon zur Zeit, als die Savoyer hier das Zepter schwangen. Nicht verpassen sollte man, sich durch die Auswahl an Austern zu probieren. Es sollen die besten der Stadt sein.
Bad in Zuckerlösung
Doch es muss nicht immer salzig oder deftig sein – im Gegenteil. Nizza ist berühmt für seine Süßigkeiten. Auf dem Blumenmarkt kommt man nicht an den Ständen mit kandierten Früchten vorbei. Wer die bunt glänzenden Kalorienbomben mag, sollte auch in der traditionsreichen Confiserie Henri Auer in der Rue Saint-François de Paule vorbeischauen. In dem im barocken Stil gehaltenen Verkaufsraum gibt es neben kunstvoll gefertigten Pralinen die verschiedenen Früchte, die in einer 45 Tage dauernden Prozedur immer wieder in einer Zuckerlösung baden.
Einem Zuckerschock entkommt man beim Bummel durch die Altstadt nur schwer. In der Rue Sainte Réparate bietet die Süßwarenkette La Cure Gourmande handgemachte Kekse, die rautenförmigen Calissons, die bereits im Mittelalter in Frankreich hergestellt wurden, an. Nugat, Bonbons und Oliven aus Schokolade komplettieren das Angebot.
Etwas gesünder geht es unterdessen in der Kochschule von Tamara Gerboval zu. Das Einzige, was hier an die Süßwarenläden in der Altstadt erinnert, ist die Schokominze, von der sie erzählt. Die wächst in Gerbovals Garten ebenso wie das Gemüse, das sie mit ihren Schülern nun zu Ratatouille verarbeitet. Kochen gelernt hat die Tochter haitianischer Einwanderer am „Institut Paul Bocuse“ in Lyon – dem Mekka der französischen Küche. Vorher hatte sie an einer Koch-Show im Fernsehen teilgenommen, wo sie bis ins Finale kam, erzählt sie schmunzelnd, während sie ihren Gästen zeigt, wie man die vorbereiteten Doraden von Schuppen und Gräten befreit. Die Fischfilets kommen anschließend auf einem Backblech in den Ofen, wenig später schwimmen die noch rohen Gnocchi im Salzwasser.
Zwischen „Dolce vita“ und „Savoir-vivre“
Als Begleiter des Gerichts tischt Gerboval einen Weißwein auf – natürlich kommt der von nicht weit her. Denn wenige Kilometer außerhalb der Stadt wird es hügelig. Das Weingut Domaine de Toasc ist eines von nur zehn in der Region, die zusammen rund 200 000 Flaschen pro Jahr produzieren. 30 000 davon kommen von dem sieben Hektar großen Weinberg der Domaine de Toasc – einem der ältesten Frankreichs. Auf weiteren zwei Hektar lässt Gutsherr Bernard Nicoletti Oliven anbauen.
Von Nicolettis Weingut aus hat der Besucher einen einmaligen Blick auf die sonnendurchflutete Umgebung bis hin zu den schneebedeckten Ausläufern der Alpen. Die Mischung aus Meeres- und Bergwind und die rund 300 Sonnentage im Jahr machen nicht nur den Wein dieser Gegend zu etwas Besonderem. Das Klima, die Landschaft und vor allem das spezielle Licht der Côte d'Azur haben in der Vergangenheit schon viele Künstler angezogen. Renoir, Picasso, Chagall und Matisse. Wer Nizza einmal besucht hat, lernt die Anziehungskraft der Stadt kennen, in der sich „Dolce vita“ und „Savoir-vivre“ paaren.
Tipps zum Trip
Museen: Matisse und Chagall lebten lange in der Region. Ihre Werke kann man im Musée Matisse bzw. Chagall-Museum bewundern. In der Umgebung: Die Parfum-Hochburg Grasse liegt vor der Haustür. Auch Cannes und Monaco sind nicht weit entfernt. Preisbeispiel: Eine Nacht im „Hotel Le Méridien Nice“ kostet im Doppelzimmer pro Person ab 139 Euro. Hin- und Rückflug gibt es bei der Lufthansa ab 146 Euro pro Person.