Welche Bilder tauchen in Ihrem Kopf auf, wenn Sie an Urlaub in der „Dom Rep“ denken? All-Inclusive-Bändchen, weitläufige, gut bewachte Hotelanlagen, traumhafte von Palmen gesäumte Strände, Zigarren und vielleicht auch eine Flasche Rum?
Damit liegen Sie gar nicht so falsch! Obwohl sich das Tourismusministerium der Dominikanischen Republik seit Jahren um eine Abkehr vom Massen- hin zum Qualitätstourismus bemüht, vollzieht sich der Wandel bislang nur schleppend. Der Durchschnittsurlauber verbringt sieben bis 14 Tage in dem Land auf der Karibikinsel und hält sich während dieser Zeit fast nur in seiner Ferienanlage auf. Dabei gibt es außerhalb so vieles zu entdecken.
Zuckerrohr, Tabak, Kakao und Kokosprodukte zählen zu den Exportschlagern des mittelamerikanischen Landes. Wo und wie sie angebaut werden, zeigt Reiseführer Jesse Urlaubern in dem bekannten Touristenort Punta Cana an der Ostküste der Dominikanischen Republik. Der Sohn einer Dominikanerin und eines Deutschen ist in Florida aufgewachsen, hat in Wuppertal gelebt und schwärmt von der Ursprünglichkeit seiner jetzigen Heimat. Mit dem Jeep geht es weg von der palmengesäumten Küste in das grüne Landesinnere. Ziel ist eine Kokosnussfarm, die in ihrem Herzen aus nicht viel mehr besteht als einer kleinen Garage.
In einem Topf in der Ecke köchelt eine milchige Brühe träge vor sich hin. Auf dem Boden liegen unzählige Kokosnüsse – halbiert und im Ganzen. Genutzt und verarbeitet wird hier alles, was die Pflanze hergibt: Öl, Fleisch, Milch, selbst die Rinde kommt beim Bau von Häusern zum Einsatz. „Meine Großmutter ist 84 Jahre und kerngesund. Sie nimmt jeden Morgen zwei Löffel Kokosöl“, sagt Jesse. Gegen Magenbeschwerden und Schwangerschaftsstreifen soll die dominikanische Allzweckwaffe ebenfalls helfen, sagt Jesse, kann sich ein Augenzwinkern aber nicht verkneifen. Die Farm ernährt mehrere Familien im Dorf, da ist ein wenig Werbung erlaubt.
Unterwegs erzählt Jesse von der Wettleidenschaft der Dominikaner, macht auf die kleinen Straßenstände aufmerksam, an denen die Dorfbewohner von ihrem Vorgarten aus das verkaufen, was sie von der Ernte nicht für den eigenen Bedarf brauchen: Bananen, Mangos. „Besser als sie wegzuwerfen, oder?“ Die Häuser sind bunt gestrichen, meist blau oder leuchtend gelb. Dazwischen bieten Händler farbenfrohe Papageien aus Holz oder Bilder mit karibischen Motiven an.
Hier halten die Menschen eng zusammen, weiß Jesse. „Bist du im Krankenhaus, kommt immer gleich das halbe Dorf zu Besuch.“ Das Leben findet nicht im, sondern vor dem Haus statt. Daher stehen die Türen meist sperrangelweit offen. Oft haben die Häuser nur ein oder zwei Zimmer; wer etwas mehr verdient, leistet sich zusätzlich ein Wohnzimmer. Jesse ist überzeugt davon, dass das Heimatland seiner Mutter in Sachen Tourismus konsequent einen anderen Weg einschlagen muss – weg vom Pauschaltourismus. Welcher Weg das sein könnte, zeigt sich rund 150 Kilometer von Punta Cana entfernt, im Nordwesten der Dominikanischen Republik. Dort liegt die Halbinsel Samaná – und in der Bucht der Nationalpark Los Haitises. 31,5 Prozent der Landesfläche gehören zu verschiedenen Naturschutzgebieten. Öko-Tourismus lautet das Stichwort.
Vom Meer aus wirkt der Park mit seinen überwucherten Kalksteinfelsen, die wie knorrige Wächter zum Teil bis zu 50 Meter hoch aus dem Meer ragen, ein wenig surreal. Hier befindet sich das größte zusammenhängende Mangrovengebiet der Karibik. Die üppige Vegetation auf den Inseln liefert gute Bedingungen für die Vogelwelt. Vor allem für die Eiablage und die Aufzucht der Jungtiere. Schwärme von Prachtfregattvogeln und Möwen kreisen über den Köpfen der Wächter oder sind als kleine schwarze Punkte schemenhaft zwischen Blättern der Bäume zu erkennen. 110 verschiedene Vogel- und 700 Tropenpflanzenarten haben hier ihre Heimat gefunden.
Je tiefer sich das Boot in die Mangrovensümpfe hineinpflügt, desto brackiger wird das Wasser und desto stiller wird es. „Seid mal alle für eine Minute lang ruhig“, sagt der Bootsführer. Der Motor verstummt und mit ihm 30 deutsche Reisende. Umgeben von Felsen und Mangroven – am Ende eines kleinen Wasserarms –, steht die Welt für eine Minute lang still. „Denkt daran, wenn euch das nächste Mal etwas aufregt, kehrt in Gedanken genau hierher zurück.“ Wer sich trotz allem mehr zu malerischen Stränden als zur Pflanzen- oder Vogelwelt hingezogen fühlt, der wird auf der Halbinsel Samaná ebenfalls fündig. Nur etwa 15 Minuten mit dem Boot von der Santa Barbara de Samaná entfernt, liegt Cayo Levantado, besser bekannt als die Bacardi-Insel. So wird sie auch von allen genannt – den Einheimischen und den Touristen. Dabei ist nicht einmal sicher, ob der Werbespot des Rumherstellers tatsächlich auf dem zwei Kilometer langen und etwa einen Kilometer breiten Eiland entstand.
Aber das ist letztlich egal, denn die Idee verkauft sich prächtig. Und so gibt es auf der Insel vor allem eins satt: Touristen. Sie werden in Grüppchen mit Booten angeschippert, dürfen sich um die Mittagszeit im Buffet-Restaurant an gegrilltem Hühnchen, Reis und Fisch bedienen und anschließend noch für ein, zwei Stunden ihre Zehen in den weißen Zuckersand stecken oder gleich ein Bad im glasklaren Wasser nehmen, das um diese Zeit Badenwannen-Temperatur hat.
Zum Abschluss noch ein obligatorisches Ich-bin-da-gewesen-Foto an der Kokospalme schießen. Traumhaft? Ja, irgendwie. Aber auch purer Massentourismus: Den Weg zurück zum Bootsanleger säumen zu beiden Seiten Plastiktische, auf denen geschäftige Händler ihre Waren feilbieten: Strohhüte, bunte Bilder, T-Shirts, Zigarren, Rum – aber eben auch Muscheln und schwarze Korallen, deren Ausfuhr verboten ist. „Looki, looki!“ Nein, danke.
Bilderbuchstrände hat die Dominikanische Republik entlang ihrer 1288 Kilometer langen Küste schließlich mehr als genug zu bieten. Palmen zum Anlehnen auch. Zum Beispiel an der Playa El Macao. Dieser Strandabschnitt in der Nähe von Punta Cana ist weitgehend unbebaut. Er wird von Einheimischen und Touristen zum Surfen genutzt. Hier gibt es keine Plastikliegen, keine Hotels und auch nur einen einzigen Händler, der nur ein paar kleine Muscheln und die obligatorischen bunten Papageien verkauft.