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Glänzende Hoffnung
Myanmar: Kaum ein anderes asiatisches Land ist so ursprünglich wie das ehemalige Burma.
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Von unserem Mitarbeiter Daniel Biscan
 |  aktualisiert: 26.04.2023 17:44 Uhr

Hier ticken die Uhren anders. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Um genau zu sein ist es hier eine halbe Stunde später als im benachbarten Thailand und eine halbe Stunde früher als im nordwestlich angrenzenden Indien. Es herrscht Rechtsverkehr, obwohl es fast nur Fahrzeuge für den Linksverkehr gibt. Es gibt mehrere Zeitrechnungen. Es sollen Wahrsager gewesen sein, die den Standort und besten Zeitpunkt für den Umzug in die neue Hauptstadt Naypyidaw bestimmt haben. Und auch die neue Fahne soll einem der Generäle von Wahrsagern empfohlen worden sein. Wo wir sind? In Myanmar, das einmal Burma hieß.

Das Land in Südostasien ist ein Land der Hoffnung geworden. Ein halbes Jahrhundert Militärdiktatur mit politischer Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen liegen hinter ihm, seit einem Jahr gibt es eine Zivilregierung und in wenigen Wochen Wahlen, bei denen auch die lange unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi antritt. Der „wind of change“ weht lau, aber er weht. Westliche Länder haben ihre Sanktionen aufgehoben oder abgeschwächt. Und Suu Kyi bittet Ausländer öffentlich darum, Myanmar doch zu bereisen. Das Interesse ist groß: Neue Straßen und Brücken sind im Bau, neue Hotels auch, die Kapazitäten der Flughäfen werden erweitert. 2011 kamen 800 000 Touristen – die meisten aus Asien, aber auch etwa zehn Prozent davon aus dem Westen. 2012 werden schon 860 000 Einreisen anvisiert. Mit der wichtigen Ansage gleich bei der Ankunft: Drogendelikte können in Myanmar die Todesstrafe nach sich ziehen. Also – Hände weg!

Militärpräsenz? Politische Auseinandersetzungen? Der Reisende merkt davon nichts. Es ist kein Problem, sich im Land frei zu bewegen und in ein Stück Asien einzutauchen, das gestresste Europäer gerade auf dem Land als wohltuend archaisch empfinden. Denn abseits der quirligen ehemaligen Hauptstadt Rangun ist Myanmar ein ruhiges Land. Mönche sind allgegenwärtig – genau wie die goldenen Pagoden. Der Glaube spielt eine wichtige Rolle. In den Pagoden wird gegessen, gebetet und ausgeruht. Geschätzt etwa 500 000 buddhistische Mönche gibt es in Myanmar, die orangefarbenen Roben sind fester Bestandteil des Straßenbildes. Jedes Kind geht einmal in seiner Jugend für mehrere Monate in ein Kloster.

Lin ist 34 Jahre alt und schon seit 30 Jahren Mönch in der Nähe von Rangun. „Ob es schwierig ist, ein Mönch zu sein? Ob der Weg zum Nirvana hart ist? Ich weiß nicht. Ich finde es schlimmer, nicht zu wissen, als was ich wiedergeboren werde.“ Er lacht und blickt zur Spitze der Shwedagon Pagode. „Weißt du, ich bin Mönch, das ist alles.“ So sieht Zufriedenheit aus.

Eine Rundreise ist die beste Art, dieses asiatische Kleinod mit seinen 80 Millionen Einwohnern kennenzulernen. Die riesige, goldene und über 2000 Jahre alte Shwedagon Pagode im schwülen Rangun zum Beispiel. Die geschäftigen, bunten Märkte der Stadt sind ein Augenschmaus, die holprige Ringeisenbahn aus der Kolonialzeit, die im Schneckentempo für ein paar Cent um die Stadt fährt, ein kleines Abenteuer.

Die wichtigste Sehenswürdigkeit des Landes freilich sind die Tempelfelder von Bagan. Schon Marco Polo sprach vom „großartigsten Anblick der Welt“, den man speziell in der Abendsonne vom eigens errichteten Aussichtsturm keinesfalls verpassen sollte. Rund 2000 Pagoden stehen hier in einer steppenartigen, rotsandigen Ebene, wo nur vereinzelt Baumgruppen wachsen. Was für eine Szenerie! Allein sie wäre einen Besuch von mehreren Tagen wert.

Ein lohnenswerter Abstecher führt zum höher gelegenen Inle See. Vom Ufer aus kann man den Einbeinruderern auf ihren Booten beim Fischen zusehen. Die ins Wasser gebaute Pagode der „Königlichen Barke“ mit einer Buddhafigur, die Gläubige mit Goldblättchen beklebt haben, sodass sie mittlerweile fast kugelrund ist, ist ein Muss. Aber auch die alte Königsstadt Mandalay mit ihrem rekonstruierten Palast und ihren Buddha-Werkstätten gehört zu den Pflichtstationen.

Überall schwingt noch Ursprünglichkeit mit – auf den kleinen Dorfmärkten zum Beispiel. Die Landbevölkerung bringt ihre Waren in Flechtkörben auf dem Rücken mit in die Dörfer. Obst und Gemüse, Vieh und Fleisch sowie sämtliche Haushaltswaren werden hier gehandelt. Gerüche, wo man geht und steht. Touristen können ungestört dem Treiben und Handeln zusehen als wär's ein exotischer Kinofilm. Der Vielvölkerstaat wird an vielen Stellen in der traditionellen Kleidung der einzelnen Volksgruppen sichtbar – gerade in den ländlichen Regionen. Die Zahl der westlich gekleideten Menschen ist außerhalb der Städte überschaubar, der traditionelle Wickelrock Longhy bestimmt dann das Bild. Männer wie Frauen sind oft im Gesicht mit der ockerfarbenen Wurzelpaste Thanaka bemalt. Das Lächeln ist ebenso allgegenwärtig wie es leicht ist, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen.

„Wir glauben, dass wir im Kreislauf der Wiedergeburten stehen. Jedes Leben ist auch mit Leid verbunden. Ich möchte den Kreislauf der Wiedergeburten beenden und das Nirvana erreichen“, sagt Kin San Wen mit einem strahlenden Lächeln. Sie hat Agrarwissenschaft studiert und ist danach von der Regierung als Reiseleiterin eingesetzt worden. Sie liebt ihr Land und ihre Religion. Jeden Tag eine gute Tat – so lebt sie. Die gute Tat ist häufig eine Spende an einen Tempel. So sind auch die riesigen goldenen Pagoden, an deren Spitzen oft noch Diamanten und Edelsteine angebracht sind, im Laufe der Zeit aus Spenden gebaut worden. Der goldene Turm – er soll das Gute in die Welt strahlen.

Überirdische Wünsche und übersinnliche Vorstellungen sind allgegenwärtig in Myanmar. Die Menschen verehren Hausgeister, deren Figuren meist kunstvoll aus Holz geschnitzt werden. Gegen illegalen Holzschlag werden Schilder aufgestellt, die besagen, dass in diesen Wäldern Baumgeister leben. Und die Menschen gehen zu Wahrsagern, wenn sie Hilfe bei einer Entscheidung brauchen – sei es die Wahl des Partners, der Hochzeitstermin oder eine geschäftliche Investition. Und das gilt selbst für die Bewohner der hochmodernen Reißbrett-Hauptstadt Naypyidaw.

Tipps zum Trip

Information: Fremdenverkehrsamt Myanmar, c/o ICS Travel Group, Steinerstraße 15 (Haus A, 2. OG), 81369 München; Tel. (089) 219 09 86 60. Internet: www.icstravelgroup.com/myanmar sowie www.myanmar-tourism.com und www.tourismmyanmar.org Visum: Für die Einreise sind ein Reisepass und ein Visum nötig. Das Visum muss rechtzeitig vor Abreise über den Reiseveranstalter oder direkt bei der Berliner Botschaft von Myanmar beantragt werden. Derzeit wird die Einführung elektronischer Visa geprüft. Visa-Infos im Internet: www.myanmarvisa.com Fliegen: Den Fernstreckenflug von Frankfurt am Main über Hanoi (Vietnam) nach Rangun gibt es bei Vietnam Airlines derzeit ab 649 Euro in der Economy-Class (Steuern inklusive, Rail & Fly inklusive). Für Inlandsflüge macht zum Beispiel Air Mandalay ein flächendeckendes Angebot. Unterwegs: Das Reisen über Land ist zwar häufig schön, manchmal öde und in der Regel sehr zeitraubend. Deshalb empfehlen sich Inlandsflüge. Wer es sich zutraut, individuell unterwegs zu sein: Kleine Privatunternehmen sind erlaubt, Fahrer bieten vor Ort ihre Dienste an. Auch in Deutschland ist es schon möglich, sich ein individuelles Rundreise-Programm aus Veranstalterhand zusammenzustellen; das bietet zum Beispiel Antares Reisen an (www.myanmar-reisen.de). Geld: Genug Bargeld – und zwar US-Dollar – mitnehmen! Geldautomaten sind kaum vorhanden, die Akzeptanz von Kreditkarten ist nicht sehr verbreitet. Hinzu kommt, dass nur neue und unzerknitterte Scheine akzeptiert werden, da die Staatsbank den Menschen ältere Scheine nicht abnimmt. Versuchen Sie – wie generell in Asien –, viele kleine und neue Scheine dabei zu haben: Sie werden oft einzelne Dollarnoten benötigen.

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