Es sind längst nicht mehr nur die Holländer, die mit ihren Wohnwägen an die Strände des Mittelmeers tuckern: Im Wohnmobil erkunden weltweit immer mehr Abenteurer versteckte Orte, sehenswerte Regionen. Zum Caravan Salon in Düsseldorf, der in Kürze beginnt, werden wieder Tausende Besucher aus ganz Europa kommen, um die neusten Caravans und Reisemobile zu bestaunen. Beim Anschauen muss es nicht bleiben: Es gibt einen Testparcours für die rollenden Luxusappartements, und das sogar mit Offroad-Anteil.
Ich, Wohnmobil-Anfänger, will es schon vorher wissen. Wie ist es, im rollenden Ferienhaus unterwegs zu sein? Ich probiere es aus. Meine Route: Von Freiburg ins Burgund – schließlich ist Frankreich eines der beliebtesten Ziele der Wohnmobilfahrer. Also die rund 330 Kilometer lange Anfahrt ins Navigationsgerät einprogrammiert und los.
Erster Anfängerfehler: Wer seine Sachen nicht ordentlich verstaut, muss nerviges Geklapper ertragen. Wenn nicht gar beim Bremsen Weinflaschen und Schlafsäcke durchs Wohnmobil fliegen. Ungewohnt auch: An den Mautstellen sind Akrobatikkünste gefragt – beim Zahlen sind die Automaten für Lastwagen zu hoch, für Personenwagen zu tief unten.
Für einen unruhigen Geist wie mich erweist sich das gemächliche Dahinrollen im Wohnmobil als Glücksfall: Das Tempo hilft beim „Runterkommen“, in den kurvigen, engen Sträßchen des Burgund will mein geliehener „Adria“-Dreieinhalb-Tonner mit Gefühl bewegt werden. Die hohe Sitzposition fördert den Blick fürs Wesentliche, etwa für die hügelige Landschaft nahe Beaune, die endlos scheinenden Weinberge. Oder für urige Dörfer wie Saint Romain und Orches, die am Rande der berühmtesten Weinstraße des Burgund, der „Route des Grands Crus“, liegen.
Diese „Straße der Weine mit Höchstprädikat“ ist 80 Kilometer lang, führt von Dijon nach Santanay, streift auch Beaune, Pommard oder Nolay. Doch wie findet man ein Kleinod wie dieses Nolay, das selbst mit Lesebrille auf einer Regionalkarte kaum ausfindig zu machen ist, uns morgens aber als „der“ Geheimtipp ans Herz gelegt worden ist?
Ich bin heilfroh, dass Mitfahrer Florian ein Seelenverwandter ist: Auch er mag keine Navigationsgeräte. Wir sind sicher, dass wir „ohne“ klarkommen. „Old school eben“, scherzt er, und mit Patrick, der hinten sitzt, amüsiert sich unsere Männertruppe prächtig über meine Geschichte aus Italien, als eine Fahrt im Leihwagen dank Navi-Ansage unvermittelt an einem Abgrund endete. „Warst wohl mit TomTom unterwegs“, spotte ich seitdem gerne über Navi-Missgeschicke.
In Chalon-sur-Saône, einer Kleinstadt mit Industriegebieten, kann man nicht von Touristen-freundlicher Beschilderung sprechen. Entweder werden weit entfernte Ziele angezeigt wie Paris oder Lyon – oder Stadtteile. Die Autobahn wollen wir auf gar keinen Fall nehmen, und irgendwie führt keine Straße Richtung Beaune. Es geht mit dem Wohnmobil hin und zurück über den Fluss Saône – einen Kreisel passieren wir dreimal, andere Stellen mindestens zweimal: Laune macht das mit dem schwerfälligen Vehikel nicht.
„Ich versuche es jetzt doch mal mit Programmieren“, sagt Florian. Ich bin skeptisch. Doch das Wunder geschieht: In wenigen Augenblicken ist der Zielort eingetippt, wird ein Abzweig angesagt. An dem sind wir schon vorbeigefahren, aus beiden Richtungen: sieht aus wie eine Anliegerstraße, führt aber im Nu Richtung Beaune. Das Navi ist speziell auf Wohnmobile abgestimmt, netterweise fiept es vor Radarfallen. Und: Mit TomTom findet sich alles irgendwie total leicht: das edle Château de Chassagne-Montrachet, das von Weinbergen umgeben ist und seit 1879 die Top-Weinlage Montrachet im Ortsnamen trägt. Marie Florence Grimm zeigt uns den Weinkeller mit Gewölben aus dem 11. und 14. Jahrhundert. Ein 2008er Premier Cru „Clos St. Jean“ macht das regionale Picknick zum Erlebnis. Später führt uns TomTom geradewegs nach Beaune, wo wir mit Florian Garcenot zu einer Radtour nach Pommard und Volnay aufbrechen. Er zeigt uns, wo man im Schlossgarten von Pommard Himbeeren und Brombeeren naschen kann und erzählt vom Sinn der kleinen Steinhäuschen in den Weinbergen. „Wer dort hinging, wollte anbandeln, suchte einen Freund oder eine Freundin“, erzählt er.
Im Burgund zeigt sich: Gutes Essen mit mehreren Gängen, mit Wein, Käse und Café, gehört bei unseren Nachbarn zu den Grundbedürfnissen, gespart wird woanders. Nehmen wir Tournus: 7000 Einwohner hat das Städtchen im Südburgund mit seiner malerischen Altstadt, der ehemaligen Abteikirche St. Philibert aus dem 11. Jahrhundert – und gleich vier Sterne-Restaurants.
Wie das geht? Schon vor Jahrzehnten fuhren Millionen Franzosen aus dem Großraum Paris zum Urlaub an die Côte d'Azur, nach Südfrankreich. Tournus oder Orte wie Saulieu oder Beaune liegen etwa auf halber Strecke an der Nationalstraße N 6, heute Autobahn A 6. „Die Leute legten auch auf der Urlaubsreise Wert auf hochwertiges Essen, blieben über Nacht – und kamen dann alle Jahre wieder auf der Hin- und Rückreise“, erklärt Gästeführerin Dominique die erstaunliche Zahl von Gourmettempeln.
Mit Muße einkehren, genießen – im „Le Rempart“, einem ehemaligen Wachhaus aus dem 15. Jahrhundert, wird uns vor Augen geführt, wie anders Reisen sein kann, wenn man sich Zeit lässt. Was für ein Vergnügen, im luftigen Innenhof des Restaurants einen Aperitif zu nehmen, in geselliger Runde das Menü zu genießen: Das allein macht schon Lust auf eine weitere Reise ins Burgund. Mit Wohnmobil, meinem neuen Freund. Dann kann man sich nach Essen und Trinken getrost vor der Tür in den Schlafsack rollen.
Tipps zum Trip und zum Caravan Salon Düsseldorf
Information: Das Burgund ist eines der 22 Dé-partements (Regionen) Frankreichs und berühmt für seine Weine. Tipps für Unterkünfte, Wein- oder Feinschmecker-Touren, Hausboot- oder Radtrips gibt es beim Tourismusbüro in Burgund (Bourgogne Tourisme) BP 20623, F-21006 Dijon, Tel. + 33 380 280 280, Internet: www.burgund-tourismus.com Anreise: Mit Auto bzw. Wohnmobil über Heilbronn, Karlsruhe nach Freiburg, dann über die Grenze auf A36 Mulhouse, Besançon, Beaune – circa 600 Kilometer. Mit dem Zug über Frankfurt, Basel, Mulhouse rund 13 Stunden oder von Paris nach Beaune mit TGV 2,10 Std. Nach Dijon gibt es keine Direktflüge von Frankfurt, Nürnberg oder Stuttgart. Für Camper: Der Viersterne-Campingplatz Château de L'Eperviere in Gigny sur Saône mit Schloss, See, Schwimmbad, Sauna ist perfekter Startpunkt für Südburgund-Touren.
Caravan Salon: 570 Aussteller, rund 1800 Freizeit-Fahrzeuge, viele Neuvorstellungen – das sind die Eckdaten des 52. Caravan Salon in Düsseldorf vom 31. August bis 8. September auf dem Messegelände (Hallen 9-17). Die Tageskarte kostet 13 Euro, es gibt Wohnmobil-Stellplätze mit (20 Euro) und ohne (10 Euro) elektrische Versorgung. Besuchertelefon: Tel. (02 11) 45 60-76 03, Internet: www.caravan-salon.de