Dumpf dröhnen die Trommeln über die Wiesen auf dem Gipfel des Uisneach, ein 200 Meter hoher Hügel fast in der geografischen Mitte der irischen Insel. Dunkler Rauch weht vorüber, eine Prozession von Männern und Frauen in langen, weißen Gewändern, nähert sich dem Gipfel. Reiter in keltischen Gewändern traben voran.
Die Männer und Frauen tragen in der Dunkelheit flackernde Fackeln in den Händen. Es ist der erste Neumond im Mai, nach keltischem Kalender der Tag des Beltaine-Festes. Der Sommer beginnt auf der Grünen Insel. Fast 5000 Menschen sind es, die sich um den großen Scheiterhaufen am Gipfel des heiligen Bergs der Kelten versammelt haben, der dann zu Ehren der keltischen Erdgöttin Eriu entzündet wird.
Das größte Fest seiner Art
Es ist das größte Fest dieser Art in Irland, aber kein Touristenspektakel. Als der Fotograf die weiß gekleideten Menschen fotografiert hat, die sich zur Vorbereitung des Treffens in großem Kreis an einer Eiche unweit des Gipfels versammelt hatten, wurde er höflich aber bestimmt gebeten, dies nicht weiter zu tun. „Das ist eine private Veranstaltung“, sagte eine weißgewandete junge Frau mit Blumen im fast schon klischeehaften roten Haar.
Irland's Ancient East lautet der Name dieser von Tourismus noch wenig erschlossenen Region im Osten der Insel an der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. So wenig erschlossen, dass man viele der Orte auch in einigen aktuellen Reiseführern nicht findet. Was allerdings nicht heißen soll, dass es nichts zu sehen gibt. Ganz im Gegenteil.
5000 Jahre altes Hügelgrab
In Loughcrew im Boyne Valley, 75 Kilometer von Dublin entfernt, steht bereits Malachy Hand parat. Der ehemalige Schaffarmer schreibt Bücher und ist ein exzellenter Kenner der Vor- und Frühgeschichte seiner Heimat. Malachy Hand wartet im kleinen Restaurant von Niall Shortt auf uns, einem jungen Mann mit einem Faible für Augustinerbier und den Englischen Garten in München, wie er erzählt. Außer seinem Coffee Shop bietet er Übernachtungsmöglichkeiten für Camper, Wohnmobilisten und Rucksackreisende auf einem nahe gelegenen Campingplatz und in seinem Hostel.
Danach bringt uns ein Fußmarsch auf einen nahen Hügel zum 5000 Jahre alten Loughcrew Hügelgrab auf dem „Mountain of the Witch“, dem „Berg der Hexe“, mit in den Stein gehauenen keltischen Symbolen in seinem Inneren. Auch der Blick vom Hügel selbst auf die weite grüne Landschaft mit gelbem Stechginster und weißem Stechdorn ist grandios.
Nach dem Abstieg geht es weiter ins 75 Kilometer entfernte Eniskillen, Das Navi prophezeit eine Fahrzeit von eineinhalb Stunden auf den schmalen irischen Landstraßen und behält recht. Die Stadt liegt auf einer Insel, die die beiden Teile des Lough Erne trennt, den kleineren Upper Lough vom deutlich größeren Lower Lough. Ein Lough, gesprochen „Loch“, ist ein See. Ein Kanal stellt die Verbindung über 16 Schleusen zum River Shannon her. Direkt am Anleger des Killyhevlin Lakeside Hotel & Lodges – die Lodges liegen direkt am Fluss – steigen wir ins Hausboot von Kevin Mcaloon von Cruise-Ireland. Die führerscheinfreien Boote kann man als Selbstfahrer mieten – und das sogar schon fertig verproviantiert und mit ausführlichen Karten der Wasserstraßen. Nach einer kurzen Einweisung geht es los. Mit sieben Stundenkilometern tuckern wir den Erne hinab zum Devenish Island, wo bereits im 6. Jahrhundert ein Kloster stand. Auch ein Turm aus dem 11. Jahrhundert steht dort.
Solche Türme mit bis zu 34 Metern Höhe bauten die Mönche überall auf der Insel, um bei Wikingerüberfällen ihre Reliquien und sich selbst zu schützen. Allerdings – fatale Folge – machten die Türme die Wikinger natürlich auch darauf aufmerksam, wo es etwas zu holen gab.
Ein Geopark mit großem Angebot
Tags darauf führt die Fahrt zu den Marble Arch Caves, einem fünf Kilometer langen Höhlensystem, von dem seit 1989 erst 1,5 Kilometer erschlossen wurden. Es ist Bestandteil des gleichnamigen Geoparks, der für Wander- und Naturfreunde unendlich viel zu bieten hat. Der Ausflug unter die Erde kommt zur rechten Zeit, denn oben regnet es. Die Fahrt in Elektrobooten auf dem die Höhle rauschend durchfließenden Fluss fällt aber aus, weil durch den Regen oben die Anlegestelle unten nicht begehbar ist.
Aber Wasser gibt es in der Region ja reichlich . . . Am Nachmittag nämlich sitzt die Reisegruppe bei nur geringfügig besserem Wetter als am Vormittag, gekleidet in feucht-klamme Leih-Neopren-Overalls, in Kunststoffkajaks auf dem Lough Macnean. Brian, der Vorpaddler von Irelandactivity, will uns quer über den See zu einer Insel führen. Bei sonnigem Wetter sicher eine super Sache. Doch Wind und Regen machen die Fahrt an diesem Tag unmöglich. Hätte Brian nicht erst am Ende der Tour gezeigt, wie schwer die Kunststoffkajaks zum Kentern zu bringen sind, wäre auch weniger Schweiß ins Leih-Neopren geflossen.
Für Game-of-Thrones-Freunde
Ein Curragh wartet dann auf uns auf einem Nebenkanal des River Boyne in Nordirland. Curraghs sind traditionelle irische Boote aus einem Holzgerüst, mit Leder oder Stoff bespannt. Jedenfalls waren sie das früher. Ein Reisetipp für Freunde der Fernsehserie „Game of Thrones“. Unseres hat nämlich eine dunkelbraune Nylonhaut und war in mehreren Episoden der sechsten und siebten Staffel der Serie zu sehen, zusammen mit seinem Steuermann und Eigner Ross Kenny. „Immer wenn jemand mit dem Boot gefahren ist oder an der Küste gelandet ist, war ich mit im Bild, in verschiedenen Rollen“, erzählt er. Er paddelt mit uns den Boyne-Kanal entlang. Gelbe Blumen unter einem grünen Blätterdach ziehen vorbei und machen die gut einstündige Tour zu einem entspannenden Erlebnis. Diese Bootstour ist nicht das einzige Highlight für Game-of-Thrones-Fans. Über Nordirland verteilt findet man zehn geschnitzte Holztüren. Darauf zu sehen sind die Geschichten der sechsten Staffel. Verteilt auf Pubs und Restaurants kann man sie mit einem „Journey-of-Doors-Passport“ besuchen und sich jedes Mal einen Stempel in den Pass geben lassen.
Traum für Gartenfreunde
Irland wäre aber nicht Irland, wenn nicht mindestens ein Besuch in einem der großen, übers Land verteilten Schlossgärten auf dem Programm stünde. Unser grünes Paradies umgibt Schloss Tullynally, eines der größten Schlösser Irlands, das immer noch bewohnt wird. Erbaut zu Zeiten Cromwells, wohnt noch immer dieselbe Familie darin. Bartle D'Arcy heißt unser Führer, der seine ausführlichen Touren durch Schloss und Gärten vom Mai bis August immer sonntags um 15 Uhr für zehn Euro pro Person anbietet. Diese Tour ist ein absoluter Tipp, denn Bartle hat Humor – die Gruppe biegt sich immer wieder vor Lachen. Und dann der große, teilweise exotische Park – ein Traum für jeden Gartenliebhaber.
Nicht nur an seine wilden Küsten, auch im Landesinnern – in Ireland's Ancient East eben – ist die Grüne Insel eine Reise wert. Die darf auch gerne länger dauern als unsere fünf Tage. Denn es gibt viel zu sehen und zu bestaunen – und hinterher zu erzählen.
Tipps zum Trip
Anreise: Aus Deutschland gibt es Direktverbindungen von Aer Lingus, Lufthansa, Ryanair und Eurowings, die auch Fly & Drive anbieten. Alternativ mit dem eigenen Auto und der Fähre, z.B. von Cherbourg aus. Achtung, wer mit dem Auto unterwegs ist: Es herrscht Linksverkehr. Hotel: In Eniskillen gibt es das Killyhevlin Lakeside Hotel & Lodges direkt am River Erne mit eigenem Anleger. Die Lodges sind kleine Holzhäuschen am Fluss mit je zwei Schlafzimmern mit eigenem Bad, großem Wohn-Essbereich und Terrasse zum Wasser. Nahe Cavan wohnt man zum Beispiel im Farnham Estate, einem luxuriösen Hotel mit großem Spa-Bereich und eigenem 18-Loch-Golfplatz. Und eine Empfehlung in Mullingar: Das Greville Arms Hotel ist charmant und gemütlich und mitten in der Stadt mit angegliedertem Pub, oft Live-Musik. Restaurant: In Eniskillen das Café Merlot. Gemütliches Restaurant mit eigener Craftbeer-Brauerei. Einer der Chefs hat seine Ausbildung in Freiburg genossen und spricht gut deutsch. Nebenan ist der Pub „Blakes of The Hollow“ mit der vierten Game-of-Thrones-Thementür. Aktivitäten: Wandern, Klettern, Radfahren, Reiten, Golfen (über 400 Plätze) – für Naturfreunde bietet die gesamte Insel unzählige Möglichkeiten. Unter www.activityireland.com wird jeder fündig. Die Hausboote gibt es unter: www. cruise-ireland.com
Informationen: Tourism Ireland: www.ireland.com; www.facebook.com www.instagram.com. ella