
Es schwankt ein wenig. Kaum merklich, aber stetig wiegen die Wellen den 162 Meter langen und beinahe 26 Meter breiten, weiß getünchten Stahlkoloss hin und her. Dicke blaue Teppiche dämpfen jeden Schritt im Inneren des Schiffes. Im griechischen Hafen von Lavrion hat die „Celestryal Crystal“ angelegt, um Passagiere an Bord zu nehmen. Das Kreuzfahrtschiff wurde bereits 1979 gebaut. Damals fuhr es unter dem Namen „Viking Saga“ im Fährverkehr zwischen Helsinki und Stockholm hin und her. Von seiner Zeit als Ackergaul der Seefahrt ist heute an Bord nichts mehr zu sehen.
Etwas mehr als 400 Kabinen bieten rund 1200 Menschen Platz. Es gibt einen Pool, einen Whirlpool und ein Spa. Okay, die „Crystal“ gehört nicht zu den hochmodernen Kreuzfahrtschiffen, aber sie ist gut in Schuss und hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist vergleichsweise klein und kann damit Häfen anfahren, die größeren Schiffen verschlossen bleiben. „Wir verstehen uns als Botschafter Griechenlands“, erklärt Pythagoras Nagos von der zypriotischen Reederei Celestyal Cruises. „Es geht uns um eine authentische Erfahrung, wir wollen so viel wie möglich von Land, Leuten und der Kultur zeigen.“
So führt die Reise binnen drei Tagen durch die Ägäis von Lavrion, nach Mykonos, Samos und nach Milos, sogar ein Abstecher in die Türkei in den Hafen von Kusadasi steht auf dem Programm. Eine Art Studienfahrt also, mit dem Vorteil, dass man sich auf dem Weg zwischen zwei Zielen nicht in einem Bus die Nase an der Scheibe platt drücken muss, sondern auf dem Poseidondeck sitzen und dabei salzige Meeresluft atmen kann.
Fotoshooting im Sonnenuntergang
Das weiß auch Kapitän Yannis Fountoukas zu schätzen. „Ich mag an dem Schiff vor allem seine Größe“, sagt der 57-Jährige. Seit fast 15 Jahren hat er hier das Kommando, und so schnell bringt den Mann nichts aus der Ruhe. Piraten? „Sind mir noch keine begegnet.“ Gefährliche Situationen auf See? „Bisher nicht.“ Seemannsgarn ist dem griechischen Bären auf der Brücke also nicht zu entlocken. Nur so viel: Die Reise verspricht ruhig zu werden. Keine gefährlichen Stellen entlang der Route. 17 Knoten (rund 31 km/h) macht die „Celestryal Crystal“ in der Spitze, die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt aber deutlich darunter. Die Ziele liegen ja eng beieinander. Da muss man nicht aufs Gas drücken.
Wer dennoch Gas geben will, der ist bei einem Landgang auf Mykonos richtig. Das Ibiza Griechenlands kommt daher wie ein überdimensionaler Bienenkorb: emsig, bunt und voller Leben. Touristen schieben sich dicht an dicht über das glattpolierte, weiße Pflaster. Gucci-Kleid, Prada-Schuhe, Rolex-Uhren: Hier liegen die Produkte der Luxus-Labels in den Schaufenstern. Je näher man der Uferpromenade kommt, desto kürzer werden die Röcke, desto höher die Absätze und desto voller die Restaurants. Unweit des Wahrzeichens der Insel, der Kato Mili, der berühmten Windmühlen, findet im warmen Licht des nahenden Sonnenuntergangs ein Fotoshooting statt. Im Hintergrund dienen die unzähligen weißen Häuer mit ihren berühmten blauen Türen als Kulisse.
Während auf Mykonos das Nachtleben pulsiert und die Hotels voll sind, kämpft die Türkei nicht erst seit dem Putschversuch vom 15. Juli mit zurückgehenden Buchungen. Schon der Terroranschlag vom Januar diesen Jahres in Istanbul hat die Besucherzahlen teils drastisch einbrechen lassen. Rund 40 Prozent Buchungsrückgang haben die Hoteliers zu verzeichnen, weiß die freiberuflich tätige Reiseführerin Dilek aus der Hafenstadt Kusadasi. Und die politischen Entwicklungen dieser Tage machen die Dinge nicht einfacher.
Deutlich wird das bei einem Besuch der antiken Stadt Ephesos. Sie war im Altertum eine der bedeutendsten Städte Kleinasiens und beherbergte mit dem Tempel der Artemis eines der Sieben Weltwunder. In der Antike lag die Stadt direkt am Meer. Durch Sedimentation sowie klimatische Veränderungen verschob sich die Küstenlinie im Laufe nach Westen, so dass sich die Reste von Ephesos mehrere Kilometer landeinwärts befinden.
Wo sich sonst vor allem in den kühlen Vormittagsstunden ganze Horden von Touristen das teils spiegelglatte Marmorpflaster entlangtasten, rekeln sich in diesem Juli fast ungestört ein paar Katzen auf den antiken Säulen, und Zikadenschwärme sorgen mit Abstand für den meisten Lärm. Kamerateams nutzen derzeit die seltene Gelegenheit, die Celsus-Bibliothek und das Große Theater einmal ganz ohne Handy-Sticks und die dazugehörigen Selfie-Jäger vor die Linse zu bekommen.
Doch auch Griechenland hat Buchungsrückgänge zu verzeichnen. Hier trifft es vor allem die kleinen, weniger bekannten Destinationen. Seit Beginn der Finanzkrise und den Terroranschlägen in der benachbarten Türkei seien die Buchungen um 25 Prozent gesunken, sagt Leonidas Fotinos, vom Zielgebietsmanagement der Kykladen-Insel Milos. „Dabei haben wir doch wirklich alles hier. Es ist nur noch nicht so bekannt.“ Milos ist eine stille Schönheit, keine, die auf den ersten Blick mit ihren Reizen kokettiert. Anders als die weltbekannte halbnackte Statue der Venus von Milo, die hier gefunden wurde und die heute in Paris im Louvre steht.
Zeit für Seemannsgarn
Um Milos zu entdecken, empfiehlt es sich von dem großen Boot in ein kleineres umzusteigen. Dann klappt es auch mit dem Seemannsgarn. Die Bucht von Kleftiko mit ihren bizarren Felsformation diente Piraten als Versteck und Ankerplatz. Mit einem kleinen Schlauchboot oder einem Kanu kann man tief in dunkle, kleine Höhlen vordringen, in denen die Freibeuter der Meere sich und ihre Beute vor der Obrigkeit versteckten.
Die Insel Milos gehört wie Santorin zu den aktiven Vulkanen des Ägäischen Inselbogens. Auch wenn der letzte Vulkanausbruch satte 60 000 Jahre her ist, so gibt es Anzeichen starker magmatischer Aktivitäten. Auf Milos arbeiten mehr Menschen im Bergbau als im Tourismussektor. Abgebaut wird Bimsstein, aber auch Schwefel sowie Bentonit, Kaolin und Perlit. Der Vulkanismus hat eine einzigartige Landschaft geformt wie den Strand von Sarakiniko. Aus weißen Ascheablagerungen wurden bizarre Strukturen herausgewaschen, die wie ein riesiges Baiser aussehen und im Kontrast zum tiefblauen Himmel leuchten. Es gibt keine Liegen, Strandhotels oder Bars, hier schnappt man sich ein Handtuch und wirft sich mitten in die gezuckerte Ebene.
Von der Bucht von Milos, die zu den größten natürlichen Häfen des Mittelmeers zählt, geht die Reise über etwas mehr als 80 Seemeilen zurück nach Piräus. Von dort aus ist es nur ein Katzensprung zu den Stränden der Athener Riviera. Zum Beispiel an das Kap Sounion, wo der Tempel des Poseidon an der Südspitze Attikas zu einem Besuch einlädt. Hier, wo sich Dichter Lord Byron vor Begeisterung wie ein Pennäler mit seiner Unterschrift an einer Säule verewigt hat, lässt er sich noch ein paar Tage auf dem Trockenen fortsetzen: der griechische Dreiklang aus Land, Leuten und Kultur.
Tipps zum Trip
Anreise: Aegean Airlines fliegt mehrmals täglich von Frankfurt nach Athen. Die Flugzeit beträgt etwas weniger als drei Stunden. Direkt vom Flughafen gibt es Busverbindungen nach Lavrion.
Kreuzfahrt: Die Reederei Celestyal Cruises fährt mit drei Schiffen durch die Ägäis und bietet 3-, 4- und 7-tägige Kreuzfahrten an. Die Kreuzfahrten lassen sich auch mit einem siebentägigen Badeurlaub beispielsweise an der Athener Riviera kombinieren. Die Idyllic Aegean Kreuzfahrten sind noch bis Ende August buchbar. Eine 3-Tage Kreuzfahrt mit der Celestyal Crystal beginnt ab 199 Euro pro Person in einer Doppelkabine, 7 Tage ab 479 Euro. Die Preise erhöhen sich je nach Kabinentyp. Buchbar sind die Kreuzfahrten bei H&H Touristik (www.hht.de) oder direkt bei Celestyal Cruises (www.celetyalcruises-deutschland.de)
Übernachtung: Am Kap Sounio gibt es Unterkünfte in allen Kategorien. Das Grecotel Exclusive Resort bietet Bungalows inklusive Frühstück ab 105 Euro an.
Ausflug: Milos daily cruises bieten für rund 100 Euro Bootstouren entlang der Küste von Milos an. Kontakt: www.aquatta.gr Tel. 00 30 6934674076
Weitere Informationen unter www.discovergreece.com