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Auf dem Eis
Kärntens Weißensee: Europas größte Natur-Schlittschuhbahn hat 6,5 Quadratkilometer
Ideale Winterkulisse: Der Weißensee in Kärnten ist Europas größter Eislaufplatz. Sogar eigene Kufen unter Langlaufschuhe sind hier entwickelt worden.
Foto: Christian Schreiber | Ideale Winterkulisse: Der Weißensee in Kärnten ist Europas größter Eislaufplatz. Sogar eigene Kufen unter Langlaufschuhe sind hier entwickelt worden.
Von unserem Mitarbeiter Christian Schreiber
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:09 Uhr

Eine sportliche Mami kurvt mit dem Kinderwagen vorbei. Drei Jungs ziehen ihren Schlitten vor einem alten Herrn, der sich auf wackeligen Beinen an einen Plastikpinguin klammert. Offenbar sind es seine ersten Gehversuche auf Schlittschuhen – und dafür hat er sich gleich ins Paradies der Kufenflitzer begeben. Der Weißensee im österreichischen Kärnten gilt als größte natürliche Schlittschuhbahn der Welt. 6,5 Quadratkilometer präpariertes Eis für kleine Kunstläufer, große Eishockeyspieler, schnelle Läufer und sportliche Familien. Sogar ein eigener Schlittschuh wurde dort entwickelt, die Kufen werden einfach an Langlaufstiefel geschnallt. Das ist bequem und sportlich zugleich. Nach einer kurzen Eingewöhnung gleitet man sanft über das polierte Eis. Wer seinen Rhythmus gefunden hat, schwebt mit einem Gefühl ungekannter Leichtigkeit dahin, blendet den Trubel aus, hört nur noch das Klack-Klack der Kufen, hat endlich Ruhe, um die Berge ringsum zu genießen.

Hier gibt es keine mächtigen Dreitausender, keine dunklen, angsteinflößenden Nordwände. Sanft zeichnen die Hügel sich ab am blauen Horizont. Es ist der perfekte Rahmen für eine so entspannende, befreiende Tätigkeit wie Schlittschuhlaufen. Nur auf die verflixten kleinen Risse, die sich durch die Spannungen in der riesigen Eisfläche ergeben, muss man achten. Ansonsten sind die Bedingungen perfekt. Das Eis wird vom Schnee befreit, gekehrt, geschliffen, poliert, kontrolliert, protokolliert, vermessen. Zuständig für all das ist Norbert Jank. Eine Berufsbezeichnung für ihn lässt sich nicht finden, sie würde irgendwo zwischen Eismeister und Wissenschaftler liegen. Seit vier Jahrzehnten erfasst er Daten rund um den winterlichen Weißensee, notiert, wann welcher Teil zufriert und prüft die Belastbarkeit.

Ende November rückt er stets mit seinen selbst konstruierten Gefährten und Werkzeugen aus, um die Grundlagen zu legen. Der flache Westteil friert stets zuerst zu. Jank dreht dann seine Runden mit einem leichten Quad und einem Pflug. Er ist morgens auf dem Eis, bevor die Sonne im Osten den See streichelt, und abends, wenn sie dem Westzipfel ihre letzten Grüße schickt. Es gibt keinen Plan, den er abarbeiten kann. Jedes Jahr ist anders. Jeder Tag ist anders. Jede Stunde ist das Eis anders. „Ich muss zum richtigen Zeitpunkt das Richtige machen.“

Jeder kann sehen, wie er das Eis kehrt, wann er poliert, wann er schleift. Aber niemand kann seine Arbeit kopieren. Natürlich waren schon Späher da, die das Geheimnis des Weißensees lüften wollten. Aber Jank hat allen etwas voraus: vier Jahrzehnte Erfahrung. „Was ich im Kopf habe, kann ja keiner rausholen.“

In der Hauptsaison sehen die Schlittschuhläufer Jank nur in seinem kleinen blauen Ford, an dem entweder ein XXL-Besen oder eine Mega-Schaufel hängt. Manche klatschen, wenn er vorbeifährt oder klopfen anerkennend aufs Autodach. Zwei Eishockeyspieler winken heftig, als sie Jank erblicken. Er hat ihre Spielfläche heute noch nicht in Schuss gebracht. In dem Moment zischt eine Gruppe Gelbmützen vorbei. Sportliches Tempo, professionelle Ausrüstung, Trainer vornweg. „Ah, die Holländer sind da“, sagt Jank. Prompt stoppen sie, um mit ihm zu plauschen.

Für die Eiseiligen ist er ein Eisheiliger. Fast 50 Prozent der Gäste im Winter sind Niederländer. Normale Urlauber, Familien, Amateure und Profis: Alle wollen in Kärnten aufs Eis. Ende Januar ist der Weißensee zwei Wochen lang „oranje“. Dann tragen die Holländer dort einen ihrer größten Eisschnelllauf-Wettkämpfe aus. Früher konnten sie ja noch zu Hause auf den Grachten fahren. Aber seit der Winter in den Niederlanden ein Frühjahr ist, frieren die Wasserstraßen nicht mehr richtig zu. Wo haben sie nicht überall gesucht? Finnland, Norwegen, Kanada. Nirgendwo war es auch nur annähernd so gut wie am Weißensee. Genügend Betten, gute Infrastruktur, perfektes Eis.

Der zweitwichtigste Mann für die Wintersportler am See ist Wolfgang Wernitznig. Wer das Laufen auf Kufen lernen, seine Technik verbessern oder das nächste Rennen gewinnen will, muss zu ihm. Der 42-Jährige ist der einzige echte Eislauf-Trainer am Weißensee. Früher war er selbst mal Profi und stets hart zu sich selbst. Wie sonst sollte man 200-Kilometer-Rennen gewinnen? Im Umgang mit seinen Gästen hat er eine Engelsgeduld. Immer wieder macht er Übungen vor, hebt elegant ein Bein vom Eis und gleitet auf der Kufe dahin. Als wäre er ein stolzer Storch. Bei manchem Gast verkümmert die Figur zum sterbenden Schwan. „Immer mit der Ruhe, das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Wernitznig dann.

Am zweiten Tag, nachdem man sich an Muskelkater gewöhnt hat, der an Stellen sitzt, wo man gar keine Muskeln mehr vermutet, gelingt manches tatsächlich besser. Beim Abdrücken mit den Kufen verschwindet das Kratzgeräusch allmählich und weicht einem sanften Klacken, das der Eis-Lehrer als sehr gutes Zeichen wertet. Er wippt dann mit dem Kopf und die langen, widerspenstigen, schwarzen Haare spitzeln unter der Kapuze hervor. Wolfgang Wernitznig ist in der Region bekannt wie ein bunter Hund. Fast jeder, der halbwegs vernünftig Schlittschuhlaufen kann, hat schon mal einen Kurs bei ihm belegt. Er hat als Radfahrer, Langläufer und Inlineskater Profiluft geschnuppert. „Am schönsten ist Eisschnelllauf, deswegen bin ich hier hängengeblieben.“

Obwohl er so sportlich ist, macht er nicht alles mit, was am Weißensee geboten wird. Eis-Golf oder Unterwasser-Eishockey sind dann doch nicht sein Fall. Und mit Schlitten oder Kinderwagen muss er auch nicht mehr aufs Eis, weil seine Kinder schon erwachsen sind. Und für den alten Herrn mit dem Plastikpinguin hat er ein Lächeln parat und eine Ermutigung: „Fürs Schlittschuhlaufen ist es nie zu spät.“

Tipps zum Trip

Anreise: Mit dem Auto führt die schnellste Route über München, Salzburg und die Tauernautobahn. Mit dem Zug: EC-Verbindungen über München - Salzburg - Spittal/Millstätter See nach Greifenburg. Weiter mit Bus oder Taxi zum Weißensee. Per Flug: Ab Frankfurt direkt nach Klagenfurt, weiter mit Zug oder Shuttle Übernachten: Betten kann man sich in allen Preisklassen – z. B. im Hotel Regitnig (zentral, ruhig, Seeblick) ab 58 Euro pro Person und Nacht mit Halbpension (www.hotel-regitnig.at). Camping Knaller: Ganzjährig, familiär, ruhig. Stellplatz ab 22 Euro pro Nacht (www.knaller.at) Schlittschuh-Verleih: Das Sportgeschäft Intersport in Weißensee-Techendorf ist gut sortiert (www.alpensport.at). Der Verein „Natureislaufschule“ bietet Gruppenkurse (drei Stunden) ab 40 Euro pro Person. Kontakt:

Tel. (00 43) 676 71 71 778 Infos: Weißensee Information, Techendorf 78, A-9762 Weißensee. Tel. (00 43) 47 13 22 200. Internet: www.weissensee.com www.natureislauf.at www.austria.info und www.kaernten.at

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