Der Wecker klingelt früh. Unbarmherzig früh. Denn noch unbarmherziger als ein scheppernder Wecker morgens um halb 5 ist nur ein paar Stunden später die Sonne über Scottsdale, Arizona. Wer etwas erleben will im Südwesten der USA, muss früh aufstehen. Und wer das tut, wird belohnt. Denn die Sonora-Wüste, die die Stadt nahe Phoenix umgibt, hat mehr zu bieten, als der erste Blick aus dem Flugzeug auf diese scheinbare Mondlandschaft vermuten lässt.
Jim steht mit seinem Van ausgeschlafen pünktlich um 5 Uhr vor dem Hotel. Der Guide von Hot Air Expeditions fährt seine Gäste ein paar Meilen aus Scottsdale heraus, denn die wollen hoch hinaus: Ein Heißluftballon-Flug über die Sonora-Wüste steht auf dem Programm. „Ist schon mal jemand Heißluftballon gefahren?“, fragt Pilot Micky Drysdale, alias „Captain Yee Haaww“. Keiner meldet sich. „Ich auch nicht“, grinst Micky unter seinem breiten Cowboyhut.
Der beste Champagner, den man für eine Handvoll Dollar bekommt
Riesige Ventilatoren blasen unterdessen den Ballon auf. Gemächlich bläht sich die bunte Hülle auf. Als alle Passagiere im Korb sind, geht es schnell: Mickey dreht einen der drei Gasbrenner auf, der eine Flamme in den Ballon spuckt. Binnen Minuten schwebt das 1200 Pfund schwere Ungetüm, in dem Platz für 200 000 Basketbälle wäre, in rund 1000 Metern Höhe über der Wüste.
Die Aussicht ist atemberaubend. Auf der einen Seite die letzten eingeschalteten Lichter der gerade aufwachenden Metropole Phoenix am Horizont, auf der anderen die Weite der Wüste, die von einer Bergkette begrenzt wird. Auf dem Boden werfen gigantische Kakteen ihre Schatten, am Himmel kleben andere Ballons. Kein Wunder, dass die Ballonfahrer am Valentinstag die meiste Arbeit haben. „Da haben wir immer Dutzende schwitzende Kerle, die sich schon am Boden an einen Ring in der Hosentasche klammern“, erzählen Jim und Micky. Heiratsanträge im Ballon sind keine Seltenheit.
Wieder am Boden sind die Frühstückstische für die frisch getauften „Ballonists“ gedeckt. Dem feierlichen Moment angemessen, holt Mickey aus einer Kühltasche eine Magnumflasche Champagner. „Den besten, den man für sechs Dollar bekommt“, tönt er.
Wer sich einen Überblick über die Wüste verschafft hat, sollte sie auch vom Boden aus erkunden. Wanderungen durch die Landschaft, die an Zigaretten-Werbung aus früheren Zeiten erinnert, bieten sich an. Oder man schwingt sich aufs Fahrrad.
Es ist wieder viel zu früh am Morgen, als Linda die Gruppe Aktiv-Urlauber begrüßt. Die Österreicherin kam vor 15 Jahren nach Arizona. Und blieb. Inzwischen ist ihr Dialekt, der an Skifahren und Schnee erinnert, einem amerikanisch angehauchten Slang gewichen. Aber die meiste Zeit spricht sie ohnehin Englisch. Und Skifahren ist in der Wüste auch nicht. Es geht aufs Mountainbike.
Rutschig wird es dennoch: Der sandige Untergrund erfordert Konzentration, damit es den Radler nicht aus den Kurven trägt – oder gegen einen der zahllosen Saguaros schleudert. Das ist Lindas größte Sorge. Die Nadeln des Kaktus können der Haut hässliche Verletzungen zufügen. Bis zu 20 Meter hoch können die Wahrzeichen Arizonas werden. „35 Jahre müssen sie mindestens alt sein, bis ihnen die charakteristischen Arme wachsen“, sagt Linda. Während in Scottsdale selbst vor allem die unzähligen Golfplätze dank künstlicher Bewässerung für viel Grün sorgen, sieht es auch hier vor den Toren der Stadt alles andere als nach lebensfeindlicher Dürre aus. Blühende Pflanzen, Vögel und Eidechsen statt Trockenheit und Aasgeier. „Wir sind in der Wüstenregion mit der weltweit höchsten Biodiversität“, erklärt Linda.
Die Tour ist deutlich anstrengender als die Ballonfahrt am Vortag. In der Wüste ist es zwar am Morgen nicht heißer als unter Captain Mickeys Flamme. Doch die staubige Luft verklebt den Mund und macht das Mountainbiken anstrengender als in milderen Breitengraden. „Viel trinken“, mahnt Linda immer wieder. Wasser ist überhaupt ständig ein Thema in Arizona. In den Städten gibt es sogar Schilder, die Menschen daran erinnern, wie viel sie trinken müssen.
Wasser begegnet den Touristen aber auch dort, wo sie es gar nicht erwarten. Dass hier, in der sich über 320 000 Quadratkilometer erstreckenden Wüstenregion, eine Kajaktour angeboten wird, überrascht jedenfalls. Ja, wem, wenn nicht den erlebnis- und abenteuersüchtigen Amerikanern würde man zutrauen, einen künstlichen Wildwasser-Erlebnispark mitten in der Wüste anzulegen? Doch dem ist nicht so.
Lucky-Luke-Kulisse und wilde Pferde
Durch die Sonora-Wüste schlängelt sich der – natürliche – Salt River. Wieder geht es verdammt früh los. Die Schwimmwesten werden kurz nach Sonnenaufgang angelegt. Wieder ist Linda dabei. Das Wasser des Flusses ist noch angenehm kühl. Ein Vorteil der Morgenstunden. „Im Sommer können wir auch Kajaktouren nur einmal am Tag anbieten“, erklärt Linda. Für eine zweite Tour etwas später am Tag ist es selbst auf dem Fluss zu heiß.
Der fließt gemächlich vor sich hin. Auf der einen Seite ein Indianer-Resort, auf der anderen der County Forest. Nur ab und zu gibt es harmlose Stromschnellen, die auch der ungeübte Kajakfahrer meistert, ohne zu kentern. Zeit genug also, um die Lucky-Luke-Kulisse zu genießen. Mit etwas Glück lassen sich Weißkopfseeadler beobachten. Mit etwas Pech auch mal eine Wasserschlange. Tierischer Höhepunkt sind aber die Wildpferde, die am Flussufer trinken und das Wild-West-Feeling komplett machen.
Nach knapp zwei Stunden ist auch diese Tour vorbei. Inzwischen steht die Sonne am Himmel. Die Temperatur ist auf weit über 40 Grad Celsius gestiegen. Zeit für eine Abkühlung im Pool und irgendwann auch für eines der 36 verschiedenen Biere, die in Arizona gebraut werden. Aber erst später. Der Tag ist ja noch jung.