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Amman, eine westliche Orientalin
In Jordaniens Norden: Die Hauptstadt Amman gehört zu den weltoffensten der arbischen Welt. Und sie ist der ideale Ausgangspunkt, um sich auch den Norden des Wüstenstaates einmal genauer anzusehen.
Würfelhäuser: In Amman, Hauptstadt Jordaniens, leben zwei Millionen Menschen. Von fast überall aus kann man den 124 Meter hohen Flaggenmast  sehen.
Foto: Britta Buss | Würfelhäuser: In Amman, Hauptstadt Jordaniens, leben zwei Millionen Menschen. Von fast überall aus kann man den 124 Meter hohen Flaggenmast sehen.
Von unserem Redaktionsmitglied Britta Buss
 |  aktualisiert: 26.04.2023 20:51 Uhr

Amman ist keine orientalische Schönheit. Wie könnte sie auch? Nach dem, was sie hinter sich hat. Nach dem, was sie in den vergangenen etwa 65 Jahren in sich aufnehmen musste. Und so bezaubernd wie Damaskus, so betörend wie Marrakesch wird Amman, die Hauptstadt Jordaniens, wohl auch nie werden. Nicht, wenn das geschieht, was sich abzeichnet. Dass sich ihre jüngste Geschichte fortsetzt, dass sie für noch mehr Flüchtlinge aus den benachbarten Kriegs- und Krisengebieten zum Zufluchtsort und später zur zweiten Heimat wird. Von den Unruhen und Gefechten, die in benachbarten Ländern toben, ist hier nicht das Geringste zu spüren.

Amman präsentiert sich angenehm schlicht: Dicht gereiht säumen die beigen, einfachen, mehrgeschossigen Häuser die Hügel Ammans. Gegründet wurde sie in biblischen Zeiten auf sieben Hügel. Heute erstreckt sie sich auf über 19. Noch Ende der zwanziger Jahre war Amman eine kleine Stadt mit etwa 10 000 Einwohnern. Heute zählt die wichtigste Finanzmetropole des Nahen Ostens rund zwei Millionen Einwohner.

Altes zu bewahren war nicht das Gebot jener Jahre, als sich etwa mit der Gründung Israels 1948 die Einwohnerzahl Ammans quasi über Nacht verdoppelt, weil Tausende Palästinenser nach Jordanien flüchteten. Und auch in den folgenden Jahren strömten immer wieder Vertriebene ins Land und in die Hauptstadt. Die Heimatlosen brauchten Wohnräume. Alte, traditionelle Häuser, wurden kurzerhand abgerissen, um Platz für Neues zu schaffen. Selbst im Stadtkern Ammans ist kaum eines der Gebäude älter als 40 Jahre.

Einer, der sich für den Erhalt der alten Häuser in der Altstadt starkmacht, ist Mamdouh Bisharat. Von seinem einstigen Schulfreund, dem früheren jordanischen König Hussein, wurde er zum Herzog von Mukheibeh ernannt. Der über 80-jährige Schöngeist kaufte 2001 das alte Stadthaus mit der Nummer 20 in der King Faisal Street. Das 1924 gebaute Gebäude war Hauptpostamt, später ein Hotel. Im zweiten Stock hat der Herzog einen offenen Treffpunkt, einen sogenannten Diwan, eingerichtet. Alle, die sich für Literatur, Musik, Malerei, Theater und Geschichte interessieren sind willkommen. „Alle, außer Politiker“, sagt der Herzog. In den hohen, hellen Räumen sind überall Bücher, Fotos, Gemälde, bequeme Sessel und Sitzgruppen verteilt – ein inspirierender Ort, ein Ort zum Wohlfühlen.

Entspanntes Chaos

Dass der Putz hier und da bröckelt, tut dem Charme des Hauses keinen Abbruch. Es zu renovieren, davor scheut sich der Herzog: „Wenn man zu sehr an einem Haus arbeitet, könnte es seine Seele verlieren.“ Mit dem Projekt will er ein Beispiel geben: Jenseits der modernen Beton-Stahl-Architektur, die in den aufstrebenden Geschäftsvierteln der Stadt dominiert, müsse auch Altes bewahrt werden. „Es zeugt von dem Charakter einer Stadt“, sagt er. Noch etwa 100 alte Stadthäuser gebe es in Amman, einige davon gehörten ihm. Als Besitzer mehrerer Farmen im fruchtbaren Jordantal verfügt der Herzog über ein stattliches Vermögen.

Unten auf der Straße vor dem Diwan des Herzogs – zwischen Modeläden, Schmuckshops, Märkten, Teestuben, Restaurants und hupenden Autoschlangen – herrscht entspanntes Chaos. Burkas und Kopftücher prägen ebenso das Straßenbild wie westlich gekleidete Menschen. Hier dürfen Frauen Auto fahren, in den Restaurants und Bars wird Alkohol ausgeschenkt. Muslime und Christen – immerhin machen letztere rund zehn Prozent der Einwohner aus – leben friedlich miteinander. Gegenüber der riesigen König-Abdullah-Moschee steht eine kleine christliche Kirche. Amman zeigt sich weltoffen, freundlich und – im Vergleich zu anderen arabischen Metropolen – bemerkenswert unaufdringlich. Am deutlichsten wird das in einem der Night-Life-Viertel der Stadt, der Gegend um die Rainbow Street: Kleine Designerläden, Büchershops, Bars und Cafés wechseln sich ab. Man sitzt auf den Terrassen, raucht Wasserpfeife, nimmt einen Drink, schlendert die Straßen entlang, schaut sich in dem einen oder anderen Laden um. Nur die aufgemotzten Autos, die betont langsam übers Kopfsteinpflaster rollen, gieren unentwegt nach Aufmerksamkeit. Der Balztanz auf vier Rädern scheint endlos.

Ein Mann bietet sich in gutem Englisch höflich als Reiseleiter an. Die Führer haben es seit einigen Jahren schwer. Viele Jobs in der Tourismusbranche sind weggebrochen, sagt er. Die Urlauber bleiben aus. Sie halten das friedliche Jordanien für gefährlich, weil seine Nachbarländer Israel, Syrien und Irak zum Synonym für Krieg und politische Unruhen geworden sind. Begriffe, die jeden Urlaubsplan ersticken. Dagegen kommen Argumente schwerlich an: Etwa dass sich Jordanien seit Jahren erfolgreich aus allen Konflikten heraushält. Dass es auch im jetzigen Syrienkonflikt unentwegt zu einer diplomatischen Lösung mahnt. Und in der Tat: Wüsste man nicht aus den Medien, was seit fast zwei Jahren im nördlichen Nachbarland Syrien wütet – man könnte meinen, Jordanien läge irgendwo, weit entfernt von all dem. Keine Hubschrauber, kein Militär – vielleicht ein Panzer, wenn man weiter nördlich von Amman näher an der syrischen Grenze unterwegs ist.

Idealer Ausgangspunkt für Tagesausflüge

Amman ist der ideale Ort, um von dort aus das nördliche Jordanien zu erforschen. Viel Sehenswertes liegt in Tagesausflugsentfernung. Jerash zum Beispiel, eine antike Stadt, die vor über sechseinhalbtausend Jahren gegründet wurde. Nur etwa 40 Kilometer nördlich von Amman entfernt, zählt sie zu einer der besterhaltenen römischen Provinzstädte der Welt: großzügige, von Kolonnaden gesäumte Plätze, stattliche Theater, kunstvoll gearbeitete Säulen entlang der breiten, gepflasterten Hauptstraße, und imposante Tempel, die auf Hügel thronen. Jahrhunderte lag Jerash unter Wüstensand begraben. Erst in den vergangenen 70 Jahren begann man sie auszugraben und zu restaurieren. 2008 etwa wurde der mächtige Triumphbogen, der zu Ehren eines Besuchs von Kaisers Hadrian 129/30 erbaut wurde, wieder teilweise mit Originalsteinen aufgebaut. Das bislang archäologisch aufbereitete Gelände ist allerdings nur ein Bruchteil der einstigen Handelsstadt Jerash.

Ein Jerash im Miniformat findet man sogar direkt in Amman: die Zitadelle, von der aus man die Stadt gut überblicken kann. Auf der teilweise ausgegrabenen Festungsanlage samt Herkules-Tempel und einer Kirche aus christlich-byzantinischer Zeit gibt es dort ein kleines Museum, in dem einige archäologische Funde ausgestellt werden. Darunter zwei 50 Zentimeter große Figuren, die um 6000 vor Christus entstanden sind und als die ältesten menschlichen Statuen gelten. Lohnend ist auch eine Fahrt ins etwa 85 Kilometer östlich von Amman gelegen Wüstenschloss Qusayr Amra. Seit fast 30 Jahren trägt das Schloss aus dem frühen achten Jahrhundert den Titel UNESCO-Weltkulturerbe. Der Name Schloss ist allerdings etwas irreführend, denn Qusayr Amra sieht nicht aus wie eines, es besteht vielmehr aus einem Badehaus sowie einer Halle mit Gewölben und Wandbemalungen. Angeblich diente es den Kalifen als Lustschloss. Derzeit legt ein Archäologenteam aus Italien die Fresken frei. Die Malereien zeigen Momentaufnahmen aus dem Alltag, aber auch erotische Szenen.

Eine Autostunde südlich von Amman eine natürliche Wellness-Oase: das Tote Meer. Etwa 400 Meter unterm Meeresspiegel gelegen, steht man am Ufer an der tiefsten Landstelle der Erde. Seit der Antike kommen Besucher, um die heilsame Wirkung des mineralreichen Wassers zu genießen. Der Salzgehalt ist mit über 25 Prozent etwa zehn Mal so hoch wie der anderer Meere.

Nordöstlich vom Toten Meer liegen die Mosaikstadt Medaba und der Berg Nebo. Auf diesem Berg starb angeblich Moses, nachdem er von dort aus das Gelobte Land gesehen hatte. Vom Berggipfel eröffnet sich ein prächtiges Panorama: Vom Toten Meer und dem fruchtbar-grünen Jordantal über Jerusalem bis nach Jericho und Nablos – bei diesem Anblick braucht es nicht viele Fantasie, um nachvollziehen zu können, warum Moses und sein Gefolge überzeugt waren, das müsse es sein: das von Gott versprochene Land.

Tipps zum Trip

Auskunft: Allgemeine Informationen gibt es auf der offiziellen Homepage der jordanischen Tourismusbehörde unter www.visitjordan.com Anreise: Die heimische Fluggesellschaft Royal Jordanian fliegt täglich (außer dienstags) von Frankfurt nonstop nach Amman, Kosten ab etwa 520 Euro (Hin- und Rückflug). Ein Visum (umgerechnet rund 21 Euro) wird bei der Einreise am Flughafen ausgestellt.

Pauschalangebot: Mehrere Veranstalter haben Jordanien-Rundreisen im Programm. Eine achttägige Busrundreise zum Beispiel – inklusive Flug, Unterkunft in Mittelklassehotels, Verpflegung und Eintrittsgeldern – gibt es ab etwa 1500 Euro pro Person. Infos im Reisebüro.

Individualreisende sollten auf einen Mietwagen setzen. Das öffentliche Verkehrsnetz ist nicht besonders gut ausgebaut, die Busverbindungen eher unzuverlässig. Text: Bus

Der Diwan des weltläufigen Herzogs Mamdouh Bisharat steht für alle offen.
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