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Allein mit der Wildnis
Botswana: Das Land im Süden Afrikas bietet atemberaubende Naturschauspiele. Doch die Ökosysteme sind zerbrechlich. Reisende erwartet ein Tourismus, der so sanft wie luxuriös ist.
Buschleute: Einblicke für Touristen.
| Buschleute: Einblicke für Touristen.
Ivo Knahn
Ivo Knahn
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:05 Uhr

Das Zebra hat es nicht geschafft. Vor wenigen Tagen hat es sich ein Bein gebrochen. Ob es verhungert ist, oder ob Hyänen und Geier sich ans Werk gemacht haben, als es noch lebte? Sicher ist, dass sich an diesem Ort kein Mensch um seinen Tod schert. Makgadikgadi heißt dieses Gebiet am östlichen Rand der Kalahari-Wüste. „Kgadi“ heißt trocken, „kgadikgadi“ sehr trocken. Doch irgendwann im November, Dezember kommt der Regen hierher, und mit ihm beginnt die Migration. Zigtausende Zebras und Gnus ziehen dann vom Westen zu den Salzpfannen – scheinbar endlose, flache, weiße Wüstenbecken, die sich für wenige Monate in ein Seengebiet verwandeln, in dem die Jungtiere erste Kraft fürs Leben sammeln können. Es ist der ewige Kreislauf, den die meisten Europäer nur aus TV-Dokumentationen kennen. In Botswana kommt man ihm so nahe wie kaum irgendwo anders auf der Welt.

Botswana: Im Süden grenzt es an Südafrika, im äußersten Nordosten stoßen die Grenzen von Zimbabwe, Zambia, Namibia und Angola aufeinander. Botswana gilt mit einer funktionierenden Demokratie als afrikanischer Musterstaat, bedeutende Diamantenvorkommen machen es zu einem verhältnismäßig reichen Land. Es ist so groß wie Frankreich, doch nur zwei Millionen Menschen leben hier. Die Wildnis und die Tiere – es scheint, als beherrschen sie dieses Land.

Plastikflaschen sind tabu

„Wir wissen, wie zerbrechlich unsere Ökosysteme sind“, sagt Tshekedi Khama, der als Minister für Umwelt, Wildtiere und Tourismus zuständig ist. Tourismus machte zuletzt elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus und ist nach dem Diamantenabbau der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Natur und Wildtiere locken die Touristen. Nicht in Masse, sondern in Klasse. Botswana hat den Ruf des Luxus-Safari-Staates, und der Minister bestätigt: „Wir wollen einen Tourismus, der hohe Erlöse bringt, aber möglichst wenig Auswirkung auf die Natur hat.“

Was er meint, wird deutlich, wenn man im Mombo-Camp ankommt, einem Fünf-Sterne-Camp mitten im Okawango-Delta. Jeder Gast bekommt eine Wasserflasche aus Metall. Hier, acht mehr als praktisch nicht fahrbare Autostunden von der nächsten Siedlung entfernt, sind Plastikflaschen tabu. Elektrizität kommt aus einem Photovoltaik-Park, Abwasser wird mit Hydrokulturen aufbereitet, eine Biogasanlage verwertet Essensreste. Das Camp liegt dort, wo der Okawango-Fluss nach über 1000 Kilometern Reise durch Angola und Namibia die Wüste überschwemmt. Mit dem Wasser kommen jedes Jahr Hunderttausende Tonnen Salz, Sand und Sedimente, die der Wüste Leben schenken und sie ständig in Details verändern. Das Delta – 15 000 Quadratkilometer groß – ist eine der tierreichsten Regionen der Welt. Hier leben alleine 600 Vogelarten. Kein Safari-Ausflug ohne Giraffen, Hyänen, Antilopen, Warzenschweine, Zebras, Löwen . . . Derzeit bemüht sich Botswana darum, das Okawango-Delta in die Liste des Weltnaturerbes aufnehmen zu lassen.

„Tourismus hier bedeutet Verantwortung“, sagt Grant Woodrow. Er ist Manager bei Wilderness-Safaris und gibt selbstkritisch zu: „Alle Gäste müssen mit dem Flugzeug kommen, das ist ein ungelöstes Problem.“ In sogenannten Fly-in-Camps wie Mombo kommt zur Verantwortung auch Luxus. 30 Mitarbeiter in jeder Schicht kümmern sich um maximal 24 Gäste. 45 000 Hektar (das entspricht 63 000 Fußballfeldern) haben sie für Ausflüge in die Wildnis für sich alleine. Es gibt keine Straßen, man begegnet keinem Menschen. Natur pur und das bis zum eigenen Zelt, das eher einem Luxus-Appartement mit Wänden aus Moskitonetzen gleicht. Wer die Außendusche wählt, kann damit rechnen, Antilopen, Elefanten oder neugierige Affen zu sehen. 1300 bis 1800 Euro kostet eine Nacht. Das heißt auch, dass man hier rechnerisch innerhalb von 36 Stunden das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Botswaners ausgeben kann. Das macht nachdenklich, gehört aber zum Konzept vom exklusiven Reisen, das die Regierung propagiert.

„Wildtiere und Natur haben andere Länder auch. Für uns ist entscheidend, auf welche Weise wir all das erlebbar machen“, sagt Minister Khama. Staus von Safari-Autos beim Löwen-Gucken wird man in Botswana nicht erleben. Im ganzen Land gibt es so gut wie keine Zäune, selbst Nationalparks sind zu allen Seiten offen. Das hat unter anderem dazu geführt, dass nach offiziellen Angaben 210 000 Elefanten Botswana als ihre Heimat wählten – das ist die Hälfte aller Elefanten in Afrika. Nachdem 1996 das letzte Nashorn wegen seines kostbaren Horns von Wilderern erschossen worden war, leben nach der Wiedereinführung von fünf Tieren im Jahr 2000 heute wieder über 200 der Tiere in Botswana. Doch das Horn eines Nashorns bringt bis zu 100 000 Dollar auf dem asiatischen Markt. Das Wildern bleibt also ein Problem, dem die Regierung allerdings radikal begegnet: „Gott entscheidet, was mit einem Wilderer passiert. Wir müssen nur das Treffen arrangieren.“ Was Minister Khama unterhaltsam verpackt, heißt schlicht, dass auf Wilderer sofort geschossen wird – auch, um die eigenen Einsatzkräfte nicht zu gefährden.

Fast scheint es, als kümmere sich die Regierung intensiver um die Natur als um die Menschen. Kritik gab es zuletzt von der Menschenrechtsorganisation „Survival international“, die im Herbst gar dazu aufgerufen hat, Botswana als Reiseland zu boykottieren. Die Regierung soll Buschleute aus ihren Gebieten in der Kalahari vertrieben haben und ihnen unter anderem das Recht zu jagen abgesprochen haben. Die Regierung widerspricht in vielen Details und wirft der Organisation romantisierendes Denken vor. Der Minister bestätigt lediglich, dass der Staat nicht immer allen Gruppen gerecht werden kann, wenn es Interessen gibt, von denen das ganze Land profitiere. Dazu gehört der Abbau von Rohstoffen oder Diamanten.

„Schnick, Schnack, Schnuck“ in der Wüste

Xwi und seine Familie sind Buschleute vom Stamm der Jumxwazi. Für drei Monate sind sie an den Rand des Makgadikgadi Nationalparks gekommen. Der Camp-Betreiber Africa Uncharted hat sie in ihrem 15 Autostunden entfernten Heimatort abgeholt, damit sie Touristen zeigen, wie sie leben – oder gelebt haben. Sie machen Feuer, indem sie Holz aneinanderreiben, sie machen ein Spiel vor, das unserem „Schnick, Schnack, Schnuck“ ähnelt, oder sie graben Heilpflanzen aus und erklären deren Wirkung. Manchmal kommen sie in traditioneller Kleidung, manchmal in Jeans und T-Shirt. „Natürlich wollen wir, dass unsere Kinder zur Schule gehen können. Aber wir wollen auch unsere Traditionen aufrechterhalten.“

Der alte Buschmann klingt zwiespältig. Aber vielleicht ist es kein Zwiespalt, sondern schlicht der Gang der Dinge. Botswana will einen Tourismus, der nicht romantisch sein muss, sondern in erster Linie nachhaltig. Dass Anbieter diesen Gedanken bereits verinnerlicht haben, zeigt sich in der Chobe Game Lodge. Die Fünf-Sterne-Unterkunft liegt im Chobe Nationalpark nahe der Stadt Kasane an der Grenze zu Namibia und trägt das Ökozertifikat, das die Regierung seit 2012 vergibt, wenn ein Anbieter besonders nachhaltig arbeitet. Aber in der Chobe Game Lodge gibt es nicht nur Photovoltaik, Biogas und Co. Hier werden die Safari-Autos nur von Frauen gefahren – weil sie sanfter fahren. Der Manager versichert, dass die Reparaturkosten gesunken sind und weniger Sprit verbraucht wird. So einfach kann Nachhaltigkeit sein.

Tipps zum Trip

Reisezeit: Mai bis November sind die Wintermonate, die Vegetation geht in dieser Zeit auf ein Minimum zurück. Dafür kommen in trockenen Gebieten wie dem Chobe Nationalpark die Wildtiere an die Wasserstellen und lassen sich gut beobachten. Die Kalahari zeigt sich von ihrer schroffen Seite. Im November/Dezember beginnt die Regenzeit mit kurzen heftigen Schauern, in der sich die Landschaft komplett verändert und die bis März dauert. In der Regenzeit sind viele Jungtiere zu sehen. Im Okawango-Delta sind ganzjährig Wasseraktivitäten wie Ausflüge in Einbäumen möglich. Das Wasser des Okawango überflutet das Delta von Mai bis Juli und sinkt dann merklich.

Preisbeispiele (entnommen dem Angebot von www.abendsonneafrika.de) • Selbstfahrer mit Camping: 10 Tage bei zwei Personen pro Fahrzeug, 1498 bis 1675 Euro pro Person;

• Komfortable Campingtour: 10 Tage, 2075 bis 3665 Euro pro Person

• Flugsafari Standard: 9 Tage, 2975 bis 3995 Euro pro Person

• Flugsafari Deluxe: 12 Tage, 9798 bis 15 979 Euro Flüge ab Frankfurt ab 1139 Euro

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