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NIKOSIA
Zypern zwischen Hoffnung und Skepsis
Anlauf für die Wiedervereinigung: Der griechisch-zyprische Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiadis (links), und der Führer der türkischen Volksgruppe, Dervis Eroglu reichten sich am Dienstag auf dem Flughafen in Nikosia die Hände, nachdem die UN-Sonderbeauftragte für die Zypernfrage, Lisa Buttenheim (Mitte), die Gespräche eröffnet hatte.
Foto: dpa | Anlauf für die Wiedervereinigung: Der griechisch-zyprische Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiadis (links), und der Führer der türkischen Volksgruppe, Dervis Eroglu reichten sich am Dienstag auf dem ...
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 11.02.2014 19:30 Uhr

Am Dienstag wurden die Mitte 2012 ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen über eine Vereinigung des geteilten Zypern wieder aufgenommen. Bisher sind alle Einigungsversuche im Sande verlaufen. Zuletzt scheiterte 2004 der damalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan mit seinem Einigungsplan am Nein der Inselgriechen. Wie stehen die Chancen auf eine Lösung des Konflikts diesmal? Das Zypernproblem in sechs Fragen und Antworten:

Wer verhandelt mit wem, in welchem Rahmen finden die Gespräche statt?

Zum Auftakt der neuen Verhandlungsrunde trafen sich am Dienstag der griechisch-zyprische Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiadis, und der Führer der türkischen Volksgruppe, Dervis Eroglu. Der Ort der Begegnung könnte nicht symbolträchtiger sein: Das Gespräch findet in einem Gebäude am seit fast 40 Jahren verlassenen Flughafen von Nikosia statt. Er liegt in der von Uno-Blauhelmsoldaten überwachten Pufferzone, die sich seit der Spaltung quer durch die Insel zieht.

Warum ist Zypern geteilt?

Das 1960 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassene Zypern ist zu 80 Prozent von ethnischen Griechen und zu 18 Prozent von ethnischen Türken besiedelt. Die Verfassung der neuen Republik sollte Inselgriechen und Zyperntürken gleiche Rechte geben. Aber 1963 kam es zu blutigen Konflikten zwischen Extremisten beider Volksgruppen. Schon damals begann sich die Teilung abzuzeichnen, viele Zyperntürken zogen aus Angst vor Übergriffen in den Inselnorden. 1974 inszenierte die damalige griechische Militärjunta auf Zypern einen Coup gegen den Inselpräsidenten Makarios, mit dem Ziel, Zypern zu annektieren. Die Türkei besetzte daraufhin militärisch den Inselnorden, um einen Anschluss Zyperns an Griechenland zu verhindern.

Wie leben die beiden Volksgruppen auf Zypern?

1974 wurden Hunderttausende Zyperngriechen von den Invasionstruppen aus dem Norden in den Süden vertrieben, umgekehrt verließen die türkischen Zyprer ihre Orte im Inselsüden. Anfangs gab es so gut wie keine Kontakte zwischen den Volksgruppen. Die Demarkationslinie war mit Panzersperren, Stacheldraht und Minenfeldern gesichert. Seit 2003 ist die Sektorengrenze aber durchlässiger geworden. Inzwischen gibt es mehrere Übergänge, die den beiden Volksgruppen den Weg in den jeweils anderen Teil der Insel ermöglichen. Statistisch hat seit 2003 jeder griechische Zyprer zehnmal den anderen Teil der Insel besucht, jeder türkische Zyprer sogar 50 Mal – mehrere Tausend Zyperntürken arbeiten im Süden.

Woran scheiterte bisher eine Wiedervereinigung?

Der Hauptgrund ist das Misstrauen zwischen den beiden Volksgruppen, das in den blutigen Unruhen der 1960er Jahre und in den Vertreibungen während der türkischen Invasion wurzelt. Die Zyperntürken fürchten, als Minderheit benachteiligt zu werden, und die Inselgriechen haben Angst vor der militärischen Übermacht der Türkei, die im Inselnorden rund 35 000 Besatzungstruppen stationiert hat. Schon deshalb wird es bei der räumlichen Trennung der beiden Volksgruppen bleiben. Es gibt aber unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie das neue Zypern aussehen soll. Während die Inselgriechen eine Föderation aus zwei Zonen mit starker Zentralregierung anstreben, favorisieren die Inseltürken einen lockeren Staatenbund mit weitgehender Autonomie der beiden Volksgruppen. Die Republik Zypern, die den Südteil der Insel kontrolliert, ist seit 2004 EU-Mitglied. Im Norden gibt es seit 1983 die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern.

Gibt es jetzt Aussichten auf eine Lösung des Konflikts?

Beide Volksgruppen müssten eigentlich ein Interesse daran haben. Gemeinsam könnten sie die schwere Finanzkrise und die Rezession im Inselsüden, unter der auch der Norden leidet, besser überwinden. Fachleute erwarten, dass eine Wiedervereinigung das Wirtschaftswachstum um drei Prozent pro Jahr ankurbeln würde – eine willkommene Friedensdividende. Außerdem hat die EU bereits Fördermittel in Aussicht gestellt. Große Möglichkeiten hat vor allem der Tourismus im bisher wenig erschlossenen Nordzypern, das wegen der Teilung für Urlauber nur auf dem Umweg über die Türkei erreichbar ist. Mit einer Vereinigung würden die Inseltürken ihre Isolation überwinden. Anders als früher bemühen sich jetzt auch die USA hinter den Kulissen intensiv um eine Zypernlösung.

Warum?

Aus strategischen Interessen. Einigen sich Griechenland und Türken auf Zypern, wäre das auch ein Schritt zur Annäherung der Erbfeinde Griechenland und Türkei. Damit könnte ein alter Konfliktherd an der Südostflanke der Nato befriedet werden. In Washington spekuliert man überdies darauf, ein vereintes Zypern als Nato-Mitglied gewinnen zu können – die Insel gilt als „unsinkbarer Flugzeugträger“ im östlichen Mittelmeer. Es geht aber auch um Energie: Zwischen Zypern und Israel werden unter dem Meeresboden große Erdgasvorkommen vermutet. Sie könnten Westeuropa unabhängiger von russischem Erdgas machen. Der beste Weg, dieses von den Israelis und von den Zyprern geförderte Gas nach Europa zu bringen, wäre der Bau einer Pipeline von Zypern zur türkischen Küste. Voraussetzung wäre eine Lösung des Zypernkonflikts.

 
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