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Kiew/Moskau/Brüssel
Zweifel an der Unschuld Kiews
Nach dem Ausbruch des jüngsten Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine haben sich EU und Nato rasch auf die Seite Kiews gestellt.  Doch es bleiben auch Fragen
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 06.12.2018 02:41 Uhr

Die Absage an Berlin und Paris fiel brüsk aus. „Sollte es irgendwelche technischen Fragen geben, die der ukrainischen Seite nicht ganz klar sind, können sie auf der Ebene der örtlichen Grenzbehörden beider Länder erörtert werden“, erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow barsch. Für einen Vermittler gebe es keinen Bedarf. Zuvor hatte er am Dienstag mit dem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian telefoniert, der - gemeinsam mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) – Gespräche anbot, um die Spannungen im Asowschen Meer abzubauen.

Moskau sieht sich in dem Konflikt als Opfer. Das hatte auch Präsident Wladimir Putin in einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, als er ihren Appell nach Deeskalation und Dialog mit dem Hinweis ablehnte, es handele sich um „provokative Aktionen“ Kiews. EU und Nato widersprachen dieser Sichtweise schnell - nur wenige Stunden nach dem Ausbruch des Konfliktes an der Brücke von Kertsch. Jens Stoltenberg, Generalsekretär der Allianz, beeilte sich, der Ukraine die Rückendeckung des Bündnisses zu versprechen, dem das Land noch gar nicht angehört. Aber: „Russland muss begreifen, das seine Handlungen Konsequenzen haben.“

Von der Leyen will den Ausbau der Verteidigungsunion

Es scheint tatsächlich, als sei die Position der Europäer klar und unmissverständlich. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte nun vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen: „Der Kreml hat in den vergangenen Jahren mit den Regeln und Prinzipien (der territorialen Unversehrtheit, d. Red.) gebrochen.“ Und sie forderte gerade deshalb einen zügigen Ausbau der europäischen Verteidigungsunion, die „wenn nötig robust in Konflikte eingreifen“ soll.

Doch abseits der offiziellen Statements gibt es auch andere, mahnende Stimmen. Zwar wissen die Institutionen in Brüssel, dass Moskau seine Besitzansprüche im Asowschen Meer in den vergangenen Monaten mehr oder minder rücksichtslos ausgeweitet hat. Aber es gibt eben auch die, die warnen, dass Putin den durchaus umstrittenen ukrainischen Präsidenten provozieren wollte, damit dieser zum Kriegsrecht greift und sich damit selbst demaskiert – wie am Montagabend geschehen. Denn die Maßnahme ist weitreichend und gibt dem Staatsoberhaupt in Kiew de facto das Recht, die für März geplanten Neuwahlen auszusetzen, bei denen Poroschenko wohl sicher abgewählt worden wäre.

Eskaliert der Konflikt schon in der nächsten Woche?

Moskau setzt darauf – ein Umstand, der auch in Nato-Kreisen Zweifel an der Provokationstheorie weckt. Schließlich, so betonte ein hochrangiger Diplomat des Bündnisses am Dienstag, mache der russische Präsident „nichts, was ihm nicht nutzt. Und dieser Konflikt nützt ihm gar nichts“. Wohl aber Poroschenko, der selbst bei den europäischen Partnern nur eine begrenzte Zahl an Freunden hat. Denn der ukrainische Präsident bremste und blockierte zahlreiche zugesagte Reformen, die EU und Nato einfordern. Dass das Minsker Friedensabkommen, mit dem die andauernden Kriegshandlungen in der Ostukraine beendet werden sollten, immer noch wirkungslos bleibt, liege – so heißt es in Brüssel –zwar auch, aber nicht nur an Moskau.

Bei EU und Nato wächst derweil die Sorge, dass der Konflikt schon in der nächsten Woche politisch eskalieren könnte. Denn dann kommen die Außenminister der Allianz zusammen. Befürchtet wird, dass sich vor allem die USA noch heftiger auf Moskau einschießen und dabei auch die Angriffe auf Deutschland zunehmen könnten, das derzeit wichtigste Geschäft mit Moskau – die Pipeline Nord Stream 2 – endlich zu stoppen.

 
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