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VERVIERS/KARLSRUHE
Zwei Tote bei Anti-Terroraktion in Belgien
Vervier in Ostbelgien.       -  Vervier in Ostbelgien.
Foto: Olivier Hoslet (EPA) | Vervier in Ostbelgien.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 16.01.2015 06:22 Uhr
Nur wenige Tage nach den Anschlägen in Paris hat die belgische Polizei am Donnerstagabend bei einer landesweiten Anti-Terroraktion zwei mutmaßliche Islamisten erschossen, ein Mensch wurde verletzt. Nach Angaben des Brüsseler Innenministeriums hatten die Männer, bei denen es sich um Syrien-Rückkehrer handeln soll, im ostbelgischen Verviers einen Anschlag für den Abend vorbereitet. „Wir mussten eingreifen“, sagte ein Polizeisprecher im belgischen Fernsehen. „Wir durften keine Zeit verlieren.“
Kurz vor 18 Uhr sperrten Sicherheitskräfte, die von einer Brüsseler Spezialeinheit verstärkt worden waren, die Innenstadt von Verviers und das Bahnhofsviertel nur provisorisch ab und verzichteten auch auf eine weiträumige Evakuierung, um den Attentätern zuvor zu kommen.

Mehrere Personen

„Es gab drei, vier Explosionen“, berichtete ein Augenzeuge. „Man hörte Rufe und Schreie. Dann war plötzlich alles still.“ Bei der Aktion wurden mehrere Personen verhaftet. Das Brüsseler Innenministerium teilte mit, die Gruppe habe noch am Donnerstag eine Polizeistation in der Kleinstadt angreifen und dort ein „Blutbad“ anrichten wollen. Die Sicherheitskräfte seien „sofort aus Sturmgewehren und anderen automatischen Waffen“ angegriffen worden und hätten „daraufhin zurückschießen müssen“.

Zeitgleich gingen belgische Spezialeinheiten im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sowie in Vilvoorde, einem Vorort der Hauptstadt, gegen mehrere Verdächtige vor. Françoise Schepmans, die Bürgermeisterin von Nolenbeek, teilte mit, in ihrer Gemeinde habe die Polizei drei Verdächtige festgenommen, denen Verbindungen zu den Mördern von Paris nachgesagt werden. In anderen Berichten war nur von einem Mann die Rede, der an einer Haltestelle der Untergrund-Bahn religiöse Parolen gerufen haben soll. Schon in den vergangenen Tagen hatten die Ermittler festgestellt, dass die Attentäter von Paris offenbar mit Hilfe belgischer Unterstützer ihre Tat vorbereitet hatten.

So sollen die Kouachi-Brüder, die den Anschlag auf die Redaktion der Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ durchführten, zumindest eine Kalaschnikow und einen Raketenwerfer in der Nähe des internationalen Bahnhof von Brüssel für 5000 Euro gekauft haben. Auch das durch den weiteren Attentäter Amédy Coulibaly bei der Geiselnahme in einem Pariser Supermarkt verwendet Sturmgewehr, stamme aus Brüssel.

Nach Angaben von Experten soll es sich bei den Dschihadisten von Verviers um insgesamt zehn Personen handeln, die alle erst vor kurzem aus dem Nahen Osten zurückgekehrt waren und seither unter Beobachtung durch die Polizei standen. In Belgien waren die Sicherheitsvorkehrungen nach den Anschlägen in Frankreich drastisch erhöht worden, nachdem es mehrfach Hinweise auf aktive Zellen von islamistischen Terroristen gegeben hatte. Noch am Abend ordnete Premierminister Charles Michel eine Anhebung der Terrorwarnstufe auf die Kategorie drei von vier an.

Verdächtiger in Wolfsburg

Unterdessen nahmen Beamte des Landeskriminalamts Niedersachsen am Donnerstag einen 26-jährigen Terrorverdächtigen in Wolfsburg fest. Der Deutsch-Tunesier soll sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben. Es gebe aber keine Anhaltspunkte, dass der Verdächtige Anschläge in Deutschland geplant habe. In Pforzheim hatte die Polizei am Morgen bei einer Razzia die Wohnungen mutmaßlicher Islamisten durchsucht. Vier terrorverdächtige Tschetschenen wurden nach Informationen der „Bild“-Zeitung bei Hornbach in der Pfalz an der Einreise nach Deutschland gehindert.
 
Islamismus in Belgien

Die belgischen Behörden warnen seit langem vor islamistischer Gewalt. Ein Überblick: Am 24. Mai 2014 erschießt der Islamist Mehdi Nemmouche bei einem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel vier Menschen. Der Täter ist Franzose. Er wird später im südfranzösischen Marseille verhaftet und nach Belgien ausgeliefert. Nemmouche ist bislang nicht verurteilt. Aus keinem EU-Land sind hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung so viele Kämpfer in den syrischen Bürgerkrieg gezogen wie aus Belgien. Das berichtete das britische Magazin „The Economist“ im Vorjahr. Nach einer aktuellen Auflistung des Thinktanks Brookings reisten bislang bis zu 650 Kämpfer aus Belgien in das Konfliktland.

In der Stadt Verviers sollen nach Angaben des belgischen TV-Senders RTL-Info bis zu zehn Syrien-Rückkehrer gelebt haben. Verviers hat etwa 50 000 Einwohner und liegt rund 35 Kilometer südwestlich von Aachen. Einer der Attentäter von Paris hatte Verbindungen nach Belgien. Ein Mann aus dem südbelgischen Charleroi hatte in den vergangenen Monaten mit Amedy Coulibaly über den Kauf eines Autos und von Waffen verhandelt. Die Polizei habe Dokumente bei dem Verdächtigen gefunden, berichteten belgische Medien. Coulibaly hatte am Freitag in einem koscheren Supermarkt in Paris Geiseln genommen und vier Menschen erschossen. Er selbst wurde anschließend von der Polizei getötet. (Text: dpa)
 
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