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BERLIN
Zwangspause für Minister
Niebel will Afghanistan-Hilfe an Bundeswehr koppeln       -  Umstrittener Fall: Der frühere FDP-Generalsekretär und Entwicklungsminister Dirk Niebel heuerte bei dem Rüstungskonzern „Rheinmetall“ an.
Foto: ArchivKlaus-Dietmar Gabbert, dpa | Umstrittener Fall: Der frühere FDP-Generalsekretär und Entwicklungsminister Dirk Niebel heuerte bei dem Rüstungskonzern „Rheinmetall“ an.
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 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:54 Uhr

Marco Bülow führt genau Buch. Akribisch verzeichnet der 44-jährige SPD-Abgeordnete aus Dortmund seit 2007 jeden Wechsel eines Regierungsmitglieds in die freie Wirtschaft. 21 Namen stehen auf seiner Liste. Und es werden immer mehr. Zwei ebenso prominente wie umstrittene und heftig kritisierte Fälle gab es gerade erst zu Beginn des Jahres.

Der frühere FDP-Generalsekretär und Entwicklungsminister Dirk Niebel heuerte ausgerechnet bei dem Rüstungskonzern „Rheinmetall“ an, wo er den Bereich „Internationale Strategieentwicklung und Ausbau der globalen Regierungsbeziehungen“ verantwortet. Und Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla trat seinen neuen Job als Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG an, zuständig für die internationalen Geschäftsbeziehungen.

Bedenkliche Entwicklung

Für Marco Bülow, der zusammen mit dem baden-württembergischen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick einen Verhaltenskodex für Abgeordnete erarbeitet hat und den „übersteigerten Lobbyismus“ bekämpft, sind dies keine Einzelfälle, sondern eine bedenkliche Entwicklung. „Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als wäre die Regierungsbank nur ein Karriere-Sprungbrett für gut bezahlte Posten in der Wirtschaft“, klagt er.

Dies zerstöre das Vertrauen in die Politik nachhaltig. Um den Wechsel zu erschweren, hat der Bundestag am späten Donnerstagabend eine Karenzzeit für Regierungsmitglieder eingeführt.

Nicht nur amtierende, sondern auch ehemalige Minister und Staatssekretäre müssen künftig in der Regel zwölf Monate warten, ehe sie einen neuen Job in der freien Wirtschaft annehmen können, in Ausnahmefällen bis zu 18 Monate. Sie sind verpflichtet, einen Wechsel der Bundesregierung schriftlich mitzuteilen. Ein Beratungsgremium, das im Auftrag der Regierung mit drei „anerkannten Persönlichkeiten“ besetzt werden soll, prüft jeden Einzelfall und spricht eine Empfehlung aus, die vom Bundeskabinett bestätigt werden muss. Dadurch soll der Eindruck vermieden werden, dass Regierungsmitglieder noch während ihrer Amtszeit bereits die Interessen ihres zukünftigen Arbeitgebers vertreten. „Bereits der bloße Anschein einer voreingenommenen Amtsführung mit Blick auf spätere Karriereaussichten soll verhindert werden“, erklärte Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) in der Debatte.

Für Marco Bülow geht diese Regelung nicht weit genug. Eine Karenzzeit von zwölf Monaten sei „viel zu kurz“, sagt er – und plädiert für eine „Abkühlphase“ von drei Jahren. „Viele Wechsel werden weiterhin möglich bleiben.“

Wirksamkeit überprüfen

Zudem sei kaum, zu erwarten, dass die Regierung einem Ex-Mitglied einen Wechsel in die Wirtschaft untersage. „Bei der Karenzzeitregelung auf EU-Ebene sehen wir, dass fast alle Tätigkeiten genehmigt werden.“ Ähnlich argumentiert die Nichtregierungsorganisation „LobbyControl“. Zwar sei es positiv, dass es erstmals eine gesetzliche Karenzzeit für Regierungsmitglieder gebe, gleichwohl habe der Regierung der Mut gefehlt, „die Drehtür zwischen Politik und Lobbyjobs stärker zu bremsen“. Nach zwölf oder 18 Monaten Auszeit seien die Kontakte eines ehemaligen Ministers oder Staatssekretärs „nicht ausreichend abgekühlt“.

Auch Edda Müller, die Vorsitzende von „Transparency International“ in Deutschland, begrüßt die Einführung einer Karenzzeit als „Beitrag zur Verbesserung der politischen Kultur in Deutschland“. Sie schlägt allerdings vor, die Wirksamkeit des Gesetzes in einigen Jahren zu überprüfen.

 
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