Die größten Zweifler sitzen in den eigenen Reihen. „Es darf keinen Verfassungsschutz erster und zweiter Klasse geben“, sagt Lorenz Caffier, der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann, ebenfalls CDU, verlangt eine Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ mit dem Bund – und auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann erweckt nicht gerade den Eindruck, als wolle er Kompetenzen nach Berlin abgeben. Der CSU-Mann hat in seinem Ministerium gerade erst eine neue Verfassungsschutzabteilung eingerichtet.
Bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern fehlt Herrmann am Dienstagnachmittag zwar wegen seines Urlaubes – eine große Hilfe allerdings wäre er seinem Parteifreund Hans-Peter Friedrich ohnehin nicht gewesen. Der Widerstand der Länder ist so heftig, dass der Bundesminister kurz vor Beginn des Treffens einen Teil seiner Pläne für die Reform des Verfassungsschutzes überraschend wieder zurücknimmt und den Ländern verspricht, ihren Aufgabenbereich nicht zu beschneiden. Auch in Zukunft, versichert er, seien deren Verfassungsschutzämter „für alles“ zuständig. Ihm gehe es nur um mehr Effizienz und eine engere Zusammenarbeit. „Niemand muss Angst haben, entmachtet zu werden.“
Lehren aus dem Skandal ziehen
Ein zentraler Punkt seines Reformkonzeptes ist damit allerdings vom Tisch: Nach Friedrichs Willen hätten die Verfassungsschützer des Bundes in Zukunft vor allem gewaltbereite Extremisten von links und rechts im Auge haben sollen, während ihre Kollegen in den Ländern sich um die minderschweren Fälle gekümmert hätten, also Organisationen und Parteien wie die Linke oder die NPD, bei denen sie verfassungsfeindliche Umtriebe vermuten, die aber nicht zum gewalttätigen Spektrum der jeweiligen Szene gehören. Nun sollen die 16 Landesämter lediglich dazu verpflichtet werden, dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln ihre Erkenntnisse mitzuteilen – eine der wichtigsten Lehren aus dem Skandal um die Zwickauer Terrorzelle.
Friedrichs Ziel, den Informationsaustausch zwischen den Ämtern zu verbessern, sei zwar richtig, sagt der Christdemokrat Caffier, der Vorsitzende der Innenministerkonferenz. „Aber das darf keine Einbahnstraße sein.“ Wenn der Bund stärker den Ton angeben würde, sekundiert auch Herrmanns Sprecher Rainer Hutka, „heißt das ja nicht, dass automatisch alles besser wird“.
Dabei ist Friedrich noch vergleichsweise zurückhaltend vorgegangen. Die Forderung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Beispiel, kleinere Landesämter für Verfassungsschutz zu größeren, schlagkräftigeren Einheiten zusammenzulegen und den militärischen Geheimdienst MAD gleich ganz abzuschaffen, hat er sich gar nicht erst zu eigen gemacht.
16 Landesämter bleiben erhalten
In seinem Reformkonzept, das unserer Redaktion vorliegt, bleiben alle 16 Landesämter erhalten, allerdings will er in jedes von ihnen einen Verbindungsbeamten des Bundesamtes setzen, um einen besseren Informationsfluss sicherzustellen. Die Zwickauer Zelle blieb schließlich auch deshalb so lange unentdeckt, weil Hinweise nicht weitergegeben wurden oder in den Apparaten versickerten. „Der Sicherheit ist nicht gedient“, warnt auch die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz, „wenn Föderalismus mit Behördenegoismus gleichgesetzt wird“.
Eine große Reform des Verfassungsschutzes ist nach der Einigung der Innenminister auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner in weite Ferne gerückt. Mit dem intensiveren Austausch von Informationen alleine, findet Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, darf es nach dem NSU-Skandal aber nicht getan sein: „Wer nur die Möbel umstellt, baut das Haus nicht um.“