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BERLIN
„Zufrieden darf man nie sein“
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 18.03.2017 03:37 Uhr

Vor Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble liegt eine strenge Woche. Am Mittwoch verabschiedet das Kabinett die Eckpunkte seines Etats, am Donnerstag trifft er sich zum ersten Mal mit seinem neuen US-Amtskollegen Steven Mnuchin, am Freitag und Samstag findet unter seinem Vorsitz das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen statt. Doch Schäuble gibt sich gelassen.

Frage: Herr Schäuble, beim G-20-Gipfel der Finanzminister und Notenbankchefs in Baden-Baden treffen Sie Ihren neuen US-Kollegen Steven Mnuchin, einen früheren Investmentbanker ohne politische Erfahrung. Sie haben mit ihm bereits telefoniert. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Wolfgang Schäuble: Wir haben uns konstruktiv unterhalten. Aber bei einem Telefongespräch lernt man einen Menschen nicht richtig kennen, darum habe ich Wert darauf gelegt, dass wir uns vor dem G-20-Treffen persönlich kennenlernen. Die USA sind unser wichtigster Partner und im G-20-Prozess von enormer Bedeutung. Wir setzen alles daran, dass wir auch in schwierigen Zeiten fruchtbar zusammenarbeiten. Da bin ich ganz zuversichtlich.

Wie bedrohlich sind die Botschaften aus Washington? Der neue US-Präsident Donald Trump hat die Devise ausgegeben „America first“ und prangert ausdrücklich die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands an. Im Gespräch sind Strafzölle auch für deutsche Ware. Ist das in Zeiten der Globalisierung überhaupt hinnehmbar?

Schäuble: Wir müssen uns wohl erst einmal an diese ganz andere Art der Kommunikation gewöhnen. Nicht alles, was über Twitter verbreitet wird, ist schon tatsächliches Regierungshandeln. Aber natürlich werden wir miteinander über viele Dinge reden müssen. Die Kritik an den hohen deutschen Handelsüberschüssen ist ja nicht neu. Nur wird sie deswegen nicht richtiger. Unsere Überschüsse sind kein Resultat von Manipulationen, dafür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Wir sind als Bundesregierung nicht verantwortlich für die Geldpolitik, dafür ist die EZB zuständig, die den gesamten Euroraum im Blick hat. Die deutsche Wirtschaft könnte einen höheren Eurokurs durchaus verkraften, aber andere Volkswirtschaften hätten ihre Probleme. Die deutsche Wirtschaftsstärke trägt zudem dazu bei, dass der Euro insgesamt im Vergleich zu anderen Währungen stabil ist.

Müssen Sie der neuen US-Regierung erst das Einmaleins erklären?

Schäuble: Nein, aber es gibt eben unterschiedliche Standpunkte. Wir werden uns austauschen und ich bin überzeugt, dass wir für unsere Position sehr gute Argumente haben. Denn einen großen Teil unserer Überschüsse investieren wir in anderen Ländern und tragen somit zum dortigen Wirtschaftswachstum und zur Entstehung von Jobs bei, gerade auch in den USA. Von freien Märkten profitieren alle. Die USA würden sich schweren Schaden zufügen, wenn sie von dieser Politik abrückten.

Ein Dauerthema der G 20 ist der Kampf gegen die Steueroasen. Wie weit sind Sie damit gekommen? Oder ist das ein Kampf gegen eine Hydra, weil für jeden Kopf, den Sie abschlagen, zwei neue nachwachsen?

Schäuble: Wir haben gute Fortschritte erzielt. Der automatische Informationsaustausch tritt schrittweise in Kraft. Damit wird Steuerhinterziehung praktisch unmöglich gemacht. Diesen automatischen Informationsaustausch haben bereits mehr als 100 Länder unterzeichnet – und die meisten sind auch dabei, ihn umzusetzen. Das ist technisch anspruchsvoll, aber es geht gut voran. Als Reaktion auf die Panama-Papiere haben wir zudem vereinbart, dass wir die wirtschaftlichen Eigentümer, die hinter den Briefkastenfirmen stehen, veröffentlichen. Damit ist eine weitere Lücke geschlossen.

Sie sind zufrieden mit der Entwicklung?

Schäuble: Zufrieden darf man nie sein. Aber wir haben gute Fortschritte erzielt, und das ermutigt uns, weiter in diese Richtung zu arbeiten. Wir verfolgen den Ladendiebstahl zu Recht. Insofern ist es nur recht und billig, auch die zu verfolgen, die große Summen hinterziehen. Das geht nur durch internationale Zusammenarbeit, das ist mühsam, aber kein Grund, zu resignieren. Vieles, was wir erreicht haben, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Wie belastet sind die deutsch-türkischen Beziehungen? Ist eine Rückkehr zur Normalität möglich?

Schäuble: Die Türkei ist ein wichtiger Partner Deutschlands, auch im G-20-Prozess. Ich habe eine enge Beziehung zu meinem türkischen Kollegen, den ich sehr schätze. Aber natürlich ist die Lage derzeit überaus angespannt, vor allem nach den unglaublichen, einen sprachlos machenden Äußerungen des türkischen Präsidenten. Dazu ist mittlerweile alles gesagt worden, auch durch die Kanzlerin. Das macht es momentan schwer, zusammenzuarbeiten, als sei nichts geschehen. Wir müssen aber sehr schnell wieder zu einer vernünftigen Basis zurückkehren, das ist im Interesse der Türkei, aber auch in unserem Interesse und im Interesse Europas.

Wird sich die Lage nach dem Referendum Mitte April wieder entspannen?

Schäuble: Ich hoffe es.

Die Wirtschaftsflügel von CDU und CSU fordern massive Steuersenkungen im Wahlprogramm. Sie halten sich damit zurück, obwohl der Bund im vergangenen Jahr rund sechs Milliarden Überschuss erzielte und die Steuereinnahmen weiter wachsen. Warum wollen Sie die Bürger nicht entlasten?

Schäuble: Die Bürger werden am meisten dadurch entlastet, dass wir eine sehr gute wirtschaftliche Entwicklung haben und die Arbeitsplätze sicher sind. Die Löhne steigen, die Renten ebenso, das kommt den Menschen zugute.

Davon profitieren Sie am allermeisten durch steigende Steuereinnahmen.

Schäuble: Die kommen doch nicht mir zugute, sondern der Allgemeinheit. Im Wahlkampf tritt die CDU klar für Steuersenkungen ein, die SPD sieht es anders. Wenn wir weiterhin eine nachhaltige Finanzpolitik betreiben und gleichzeitig die Mittel für die innere und äußere Sicherheit, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, die Flüchtlingspolitik und für Forschung bereitstellen, sehe ich einen Spielraum für Steuerentlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro.

Das ist vielen in der Union zu wenig.

Schäuble: Aber es geht in die richtige Richtung.

Den „Soli“ wollen Sie in zehn Schritten bis 2030 senken. Ist das nicht überaus wenig ambitioniert?

Schäuble: Die Soli-Einnahmen fließen ausschließlich zum Bund. Wenn wir Steuern senken, ist es sinnvoller, nicht allein die Bundessteuern zu senken, sondern jene, die Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen betreffen. Wenn wir also zusätzlich den Soli um jährlich zwei Milliarden senken, ist das sehr ehrgeizig, zumal der Bund die Leistungen für die Länder deutlich erhöht. Wir können nicht alles gleichzeitig schaffen.

Der Schulz-Effekt der Sozialdemokraten hat die Union kalt erwischt. Es wirkt, als hätten Sie dem derzeit nichts entgegenzusetzen?

Schäuble: Herr Schulz ist Beleg dafür, dass die SPD nicht weiß, was sie will. Früher hat sie gesagt, sie sei alleine für die Erfolge der Großen Koalition verantwortlich. Jetzt sagt sie, es sei alles schlecht. Die SPD muss sich erst einmal finden. Schulz beschäftigt sich bislang ausschließlich mit der Aufarbeitung der Agenda 2010. Das ist Wundenlecken, nicht mehr. Ich verstehe, dass die SPD damit Probleme hat. Für Deutschland aber ist nicht entscheidend, wie sich die SPD zur Agenda 2010 positioniert, sondern wie wir uns als Land in den nächsten Jahren positionieren und die nationalen wie internationalen Herausforderungen meistern.

Da hat man von Herrn Schulz noch nichts gehört.

Ist bei der Union als Folge der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht auch Wundenlecken angesagt?

Schäuble: Das haben wir schon hinter uns. Unser Problem als Union in der Flüchtlingspolitik war, dass zwei Pole aufeinandertrafen. Bundespräsident Joachim Gauck hat es auf den Punkt gebracht: Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Es war gut, dass unser Herz weit war und dass wir geholfen haben. Aber grenzenlos kann diese Hilfe nicht sein. Diese Pole zusammenzubringen, hat die Union geschüttelt, das ist wahr und es hat uns auch Wahlen gekostet. Aber das muss eine Volkspartei aushalten. Wir sind mittlerweile auf einem guten Weg.

Mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin?

Schäuble: Selbstverständlich.

Zur Person

Wolfgang Schäuble (74) ist mit einer bald 45-jährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag mit Abstand dienstältester Politiker in Berlin. Schäuble war schon Chef des Bundeskanzleramtes, Innenminister, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und CDU-Chef. Seit einem Attentat 1990 sitzt der gebürtige Freiburger im Rollstuhl.
 
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