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Ziemlich beste Freunde
Festakt mit Orbán: Trotz Einschränkungen für bayerische Medien und der undurchsichtigen Schließung einer Zeitung in Budapest sieht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer kein Problem in einem gemeinsamen Auftritt mit Ungarns Regierungschef
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 24.10.2016 03:35 Uhr

Den ganzen Ärger rund um einen gemeinsamen Auftritt mit Ungarns umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orbán am kommenden Montag in den Räumen des Landtags kann Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) überhaupt nicht verstehen: Angesichts einer drohenden neuen Spaltung Europas gelte es doch, mit allen europäischen Regierungen weiter im Gespräch zu bleiben, erklärte er Anfang der Woche vor Journalisten staatsmännisch.

„Ich rede ja auch mit Renzi und Hollande oder dem Spanier“, stoiberte Seehofer weiter. Auch der Einwand, dass die Regierungschefs von Italien oder Frankreich im Gegensatz zu ihrem ungarischen Kollegen nicht im Verdacht stünden, unliebsame Oppositionszeitungen in die Knie zu zwingen, brachte Seehofer nicht ins Zweifeln: Selbst wenn die ungarische Seite als Veranstalter des Festakts zum 60. Jahrestags des Ungarn-Aufstands von 1956 keine Pressevertreter in den Landtag lassen wolle, würde er seine Teilnahme nicht überdenken, beteuerte er: „Selbstverständlich nicht.“

Zu diesem Zeitpunkt galt noch die Auskunft des veranstaltenden ungarischen Generalkonsulats in München, es sei „noch nicht entschieden“, ob man deutsche Medienvertreter zulassen werde oder nicht. Eine seltsame Einlassung, wenn es stimmt, dass das ungarische Staatsfernsehen den Auftritt des eigenen Regierungschefs im Herzen der bayerischen Demokratie live in die heimischen Wohnzimmer senden soll.

Wohl nicht zuletzt auf sanften Druck von Seehofers Staatskanzlei wurde dann zwar am Mittwoch doch noch Pressefreiheit auch für bayerische Medien gewährt – allerdings in einer eher ungarischen Auslegung: Eine offizielle Einladung etwa an die akkreditierten Landtagsjournalisten gab es nicht. Wer sich hartnäckig genug durchfragte, konnte sich aber beim Konsulat „registrieren“ lassen. Zugang gibt es allerdings nur zur Festveranstaltung im ehrwürdigen Senatssaal, auf der Orbán und Seehofer Reden im Gedenken an den von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagenen Volksaufstand in Ungarn von 1956 halten wollen. Der anschließende Empfang im „Steinernen Saal“ des Landtags sei dagegen „eine geschlossene Veranstaltung“. Im Klartext: Presse unerwünscht.

Für den Landtag, der seine Räumlichkeiten dem ungarischen Konsulat für diese Veranstaltung vermietet hat und deshalb nicht über die Regeln bestimmen kann, eine äußerst ungewöhnliche Einschränkung bei einer Veranstaltung von öffentlichem Interesse. Denn abgesehen etwa von internen Sitzungen der Fraktionen genießen Landtagsjournalisten in dem Gebäude normalerweise völlige Betätigungsfreiheit.

Für Seehofers Staatskanzlei ist die eigenwillige ungarische Pressearbeit ausgerechnet im bayerischen Parlamentsgebäude aber längst nicht das einzige Ungarn-Problem: Denn just in der vergangenen Woche sorgte der rüde Umgang von Orbáns rechtspopulistischer Regierung mit Freiheit und Demokratie erneut weltweit für Schlagzeilen.

So stellte die renommierte Oppositionszeitung „Nepszabadsag“ völlig überraschend den Betrieb ein – selbst das Internet-Archiv des Blattes wurde über Nacht vom Netz genommen.

In der letzten Woche ihrer Existenz hatte die kritische Zeitung unter anderem enthüllt, dass Orbáns Staatskanzleichef mit einem Hubschrauber zu einer privaten Hochzeit geflogen war – und der Gouverneur der als Kontrollorgan dienenden ungarischen Zentralbank in einem Luxusapartment wohnt, das ausgerechnet dem Präsidenten des Bankenverbandes gehört.

Immer wieder wurden der Orbán-Regierung Vetternwirtschaft und Korruption vorgeworfen. Und immer wieder gerieten kritische Medien politisch unter Druck. Er sei „ziemlich sicher“, dass sich bei der offiziell wirtschaftlich begründeten „Nepszabadsag“-Schließung „Viktor Orbán höchstpersönlich im Hintergrund versteckt“, zitiert die „New York Times“ den stellvertretenden Chefredakteur Marton Gergely.

Orbáns Regierung hat seit der Machtübernahme 2010 aber auch die Unabhängigkeit der Justiz ausgehebelt, Minderheiten drangsaliert oder EU-Hilfsgelder in undurchsichtigen Kanälen versickern lassen. Aus seiner Verachtung für liberale europäische Staaten und die EU macht Orbán keinen Hehl. Für Ungarn hat er den Aufbau einer „illiberalen Demokratie“ angekündigt. Die rund 25 Milliarden Euro an EU-Hilfen von 2014 bis 2020 nimmt er aber dennoch weiter gerne.

Orbán sei ein „Europazerstörer“, schimpft deshalb Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Und trotzdem pflege „Herr Seehofer mit keinem anderen Regierungschef so häufige freundschaftliche und intensive Kontakte wie ausgerechnet mit diesem Autokraten“. In der Tat rollte der CSU-Chef dem Ungarn bereits mehrfach den roten Teppich aus – etwa auf einer CSU-Klausur in Kloster Banz oder einem üppigen Staatsempfang im Münchner Prinz-Carl-Palais.

Man dürfe dabei aber zumindest die Realitäten in Ungarn nicht verdrängen, forderte der Freie-Wähler Hans Jürgen Fahn in einer hitzigen Landtagsdebatte: „Wir erwarten daher, dass Herr Ministerpräsident Seehofer in der geplanten Festrede die notwendige Kritik an Ungarn zum Ausdruck bringt.“

Ob es dazu wirklich kommt? Falls ja, dürfte das ungarische Staatsfernsehen längst nach Budapest zurückgeschaltet haben.

Treffen von Merkel und Seehofer       -  Ministerpräsident Horst Seehofer
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa | Ministerpräsident Horst Seehofer
 
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