Zehntausende TTIP-Gegner haben vor der Fortsetzung der Verhandlungen zwischen der EU und den USA in dieser Woche weltweit gegen das geplante Freihandelsabkommen protestiert. Auch in Deutschland gingen sie am Samstag auf die Straße. In München sammelten sich fast 20 000 Demonstranten. „Wir wollen damit deutlich machen, dass der Widerstand weitergeht“, sagte Roland Süß vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Dagegen warben deutsche Spitzenmanager vehement für das Abkommen und hoben die Chancen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum hervor. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte, es werde kein TTIP-Abkommen „um jeden Preis“ geben.
Attac sprach von rund 750 Aktionen in etwa 45 Ländern, davon gut 230 in Deutschland. In Wien demonstrierten rund 6000 Menschen, in Madrid etwa 5000, in Barcelona 4000 und in Brüssel rund 2000. In Berlin bildeten die TTIP-Gegner eine Menschenkette vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor. In Köln verlangten einige Hundert TTIP-Gegner in umgedichteten Karnevalsliedern mehr Schutz für Umwelt, Arbeitnehmer und Konsumenten.
Zu TTIP beginnt an diesem Montag in New York die neunte Verhandlungsrunde. Das Abkommen soll Hemmnisse im transatlantischen Handel abbauen und grenzüberschreitende Investitionen ankurbeln.
Kritiker befürchten, dass europäische Standards etwa im Verbraucher- und Umweltschutz oder im sozialen Bereich gesenkt werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchte zu beruhigen. Die Standards seien Gesetz und blieben es, sagte sie am Samstag in Greifswald. Vizekanzler Gabriel sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir als Deutsche haben ein Interesse daran, dass die Standards des Welthandels nicht von Chinesen und Amerikanern, sondern von Europäern und Amerikanern bestimmt werden.“ Mit der SPD werde es aber keine Absenkungen von sozialen, ökologischen oder kulturellen Standards geben.
Die Wirtschaft in Deutschland bekannte sich deutlich zu dem Freihandelsabkommen. „Mit TTIP haben Europa und die USA jetzt die einzigartige Möglichkeit, wichtige Regeln für die Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts zu schaffen – und zwar auf hohem Niveau“, erklärte am Sonntag der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. Ihm schlossen sich zahlreiche Vorstandschefs deutscher Dax-Konzerne an.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sieht dagegen „ein ganz großes Risiko“. „TTIP wird unsere demokratischen Rechte einschränken. Denn in Zukunft werden die Konzerne noch mehr Einfluss darauf haben, wie die Gesetze geschrieben werden“, warnte Geschäftsführer Thilo Bode. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger, wertete in München TTIP als „umfassenden Angriff auf unsere Lebensqualität“.
Linke-Chef Bernd Riexinger sagte bei einer Kundgebung in Kassel: „Selbstverständliche Standards für Lebensmittel, Umwelt, Beschäftigung, öffentliche Dienste – mit TTIP wird die Welt auf den Kopf gestellt.“