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MÜNCHEN
Zehntausende im Protest vereint
reda
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:38 Uhr

Mit dem Wetter bei Kundgebungen ist es so eine Sache. Ist es zu schlecht, mag keiner auf die Straße gehen; ist es zu gut, kann leicht die Freizeitplanung mit der Demonstration korrelieren. Am Donnerstag strahlt die Sonne in München vom Himmel, und doch sind Tausende auf den „Stachus“ gekommen. Geschmückte Traktoren säumen die Straße, auf dem Platz flattern bunte Transparente. „Wir haben es satt!“ steht auf einem.

Schon von Weitem hallen Trillerpfeifen und Mikrofonstimmen. Die Innenstadt um den Platz ist weithin abgeriegelt, Busse und Trambahnen fahren die Haltestellen im Umkreis schon seit Stunden nicht mehr an. Es ist eine bunte Menge, die zu der G7-Demonstration strömt, zu der ein breites Bündnis aus Nichtregierungsorganisationen und Parteien aufgerufen hatte.

Eine Gruppe des Bundes Naturschutz aus Landshut ist dabei, mit Strohhüten und einem großen Transparent, auf dem sie vor Glyphosat warnt. Jugendliche mischen sich ebenso unter die Menge wie Eltern mit Kindern. Zwei ältere Damen mit selbst gebastelten Plakaten gegen das Freihandelsabkommen TTIP erklären einer asiatischen Touristin, die sich in die Demo verirrt hat, was es mit dem Aufruhr auf sich hat.

Klaus Ernst unter den Rednern

„Früher war der G8- oder G7-Protest eine Sache der Linken“, ruft die Moderatorin auf der Bühne in die Menge. „Heute ist die ganze Gesellschaft hier angekommen!“ Sie erntet lauten Jubel, ebenso wie die Redner Klaus Ernst aus Schweinfurt von der Linken und Toni Hofreiter von den Grünen, die das TTIP-Abkommen geißeln.

Olivia Schellenberger und Vivian Maria Knigge sind aus dem Landkreis Rosenheim angereist, um an der Demo teilzunehmen. „Mir war wichtig, dass wir auf die Straße gehen und friedlich zeigen, dass wir nicht gut finden, was die Politik da macht“, sagt Schellenberger. Vor allem die Freihandelsabkommen, über die die „Großkopferten“ der Welt verhandeln, lassen bei vielen Bürgern die Alarmglocken schrillen – und das zeigen sie in München. „Wenn das durchgeht, geht?s uns schlecht“, fürchtet auch Schellenberger. „Das ist ein Thema, das alle angeht“, ergänzt Knigge. Mit ihrer Präsenz auf der Demonstration wollten sie zeigen: „Wir sind viele – und wir müssen uns als Verbraucher zusammenschließen.“

„Das ist ein großes, buntes Signal“, sagt Jörg Haas, Sprecher des Mitveranstalters Campact zufrieden. Als sich der Zug Richtung Odeonsplatz in Bewegung setzt, kreisen die offiziellen Teilnehmerzahlen noch um jene 15 000, die das Veranstalterbündnis angemeldet hatte. Am Ende meldet die Polizei 34 000, die Veranstalter kommen sogar auf 40 000 Demonstranten. Begleitet von bunten Wagen, Musik und einem beachtlichen Beamtenaufgebot marschiert der Tross über den Münchner Altstadtring. Die Polizei hält sich im Hintergrund. Die Stimmung ist friedlich, doch die Anspannung der Sicherheitskräfte bleibt spürbar.

Am Viktualienmarkt ist es recht still geworden in der Mitte des Zugs. Der Anheizer versucht, mit seinem Megafon Sprechchöre anzustoßen, doch die meisten Demonstranten wirken erschöpft von der Hitze. Via Twitter meldet die Münchner Polizei erste Kreislaufschwierigkeiten und erinnert die Teilnehmer daran, bei diesen Temperaturen genug zu trinken.

Die Feuerwehr gibt Pappbecher mit Wasser aus. So gestärkt und mit neu gewonnener Lautstärke gelangt die bunte Menge an den Odeonsplatz. Dort erwartet sie die Abschlusskundgebung, die Redner um den Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler verleihen ihren Forderungen an die G7-Politiker in Elmau noch einmal lautstark Nachdruck. Hans Well fasst die Stimmung der Demonstranten treffend zusammen. „Das hier“, meint der Musiker und Kabarettist, sei das Kontrastprogramm zu Fronleichnam.

Die Gipfelgäste

Angela Merkel: Neben dem Klimaschutz hat die Kanzlerin einen besseren Schutz vor Epidemien wie der nach dem Ebola-Ausbruch auf die Tagesordnung gesetzt. Barack Obama: Knapp zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit lässt der 53-jährige US-Präsident keinen großen Gestaltungswillen in der Weltpolitik mehr erkennen. Nach einer neuen Umfrage ist selbst sein umstrittener Vorgänger George Bush in den USA inzwischen beliebter als er. Francois Hollande: Die Wirtschafts- und Sozialreformen, die andere G7- Länder schon hinter sich haben, kommen unter ihm in Frankreich nur zäh voran. Dafür ist bei Militäreinsätzen wie den Luftschlägen gegen die Terrormiliz IS auf den 60-Jährigen Verlass. David Cameron: Der britische Premier hat einen fulminanten Wahlsieg im Rücken. In Elmau vertritt der 48-Jährige ein Land, das im Moment nicht weiß, was es will. Das schmälert zwangsläufig seinen Einfluss. Matteo Renzi: Ein neues Wahlrecht, eine Schul- und eine Rentenreform und die Lockerung des Kündigungsschutzes: Vielen Italienern wird das Tempo, das der 40-jährige Ministerpräsident anschlägt, allmählich unheimlich. Renzi redet nicht nur, er handelt. Shinzo Abe: In Elmau liegt dem 60-Jährigen ein Thema besonders am Herzen: Chinas Expansionsdrang und das ständige Säbelrasseln im südchinesischen Meer. Ob der Gastgeber des nächsten Treffens im Juni 2016 seine zögerliche Haltung beim Klimaschutz aufgibt, ist noch unklar. Stephen Harper: Der 56-Jährige ist ein pflegeleichter Gipfelgast. Seinem Land geht es gut, er regiert mit absoluter Mehrheit und versteht sich blendend mit der Kanzlerin. Jean-Claude Juncker: Als Präsident der Europäischen Kommission sitzt der Luxemburger kraft Amtes ebenso am Tisch wie der Pole Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates.

 
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