Xi Jinping weckt den Geist des großen Revolutionärs Mao Tsetung. Mit einer Erziehungs- und Säuberungskampagne im alten Stil will der neue chinesische Staats- und Parteichef seine Macht konsolidieren. Er verordnet den 80 Millionen Parteimitgliedern eine „porentiefe Reinigung“: Sie sollen „ein Bad nehmen“, Fehlverhalten korrigieren und ihr Ohr wieder den Sorgen und Nöten der Massen schenken.
Das Politbüro ging diese Woche mit gutem Beispiel voran. Über vier Tage unterzogen sich die 25 Mitglieder des obersten Machtgremiums auf einer Sitzung der „Kritik und Selbstkritik“, wie dem Milliardenvolk verkündet wurde. Eine Kampagne von solchen Ausmaßen hat China schon lange nicht mehr erlebt. Parteichef Xi Jinping warnt vor den „vier Winden“, die zum Niedergang führten: „Formalismus, Bürokratismus, Genusssucht und luxuriöse Verschwendung. Er erweckt den alten ideologischen Begriff der „Massenlinie“ (Qunzhong Luxian) zu neuem Leben.
Das Konzept geht auf die Mao-Ära zurück und unterstreicht die Notwendigkeit der Kader, den Volksmassen nahe zu sein, um ihre Bedürfnisse zu erkennen. „Funktionäre haben das Volk auch zu sehr ausgequetscht“, sagt Professor Zhang Ming von der Volksuniversität in Peking. Die Korruption sei „das größte Problem“. Ein großer „Hausputz“ war in der Geschichte der Kommunistischen Partei aber immer auch ein Zeichen für interne Machtkämpfe.
Seit seinem Amtsantritt im November hat der 59-Jährige das Zepter offenbar noch nicht fest genug in der Hand. „Das System ist praktisch eine Monarchie, aber der Thron wird nicht wie in einer echten Monarchie vererbt. Gleichzeitig will die Partei aber auch kein Wahlsystem einführen“, erklärt der Wissenschaftler. Von einer Generation zur nächsten wachse der Druck. Es ist die „fünfte Führungsgeneration“, die Xi Jinping anführt. Der 59-Jährige ist Sohn eines Revolutionshelden und Vizepremiers, aber sein Machtanspruch wird infrage gestellt. Die Partei stecke auch in einer Identitätskrise.
Ist sie eine Volkspartei, eine Revolutionspartei oder eine Reformpartei? Soziale Spannungen steigen. Der Kurs für die schwächelnde Wirtschaft ist unsicher. Wie ein roter Faden zieht sich die Korruption durch alle Probleme. Da eine eigentlich nötige Reform des politischen Systems in Richtung Gewaltenteilung aber nicht gewollt ist, bleiben nur solche Kampagnen als letztes Mittel. Er verweist auf ähnliche Kampagnen in den 50er Jahren. „Danach kam die Kulturrevolution“, erinnert der Professor unheilschwanger an das Chaos von 1966 bis 1976. Schon der bisherige Regierungschef Wen Jiabao hatte vor seiner Pensionierung vor einer Wiederkehr der Kulturrevolution gewarnt.
Erst am Mittwoch waren bei blutigen Unruhen in Xinjiang in Nordwestchina 35 Menschen ums Leben gekommen. Chinesische Staatsmedien sprachen am Freitag von einem „Terrorakt“. Die Angreifer hätten am Mittwoch in Lukqun nahe der Oasenstadt Turpan 24 Menschen getötet. 16 Opfer seien uigurischer Abstammung. Die „Randalierer“ hätten Amtsgebäude und eine Baustelle angegriffen. Auch seien Polizeiautos in Brand gesetzt worden. Die Polizei habe das Feuer eröffnet und elf Unruhestifter erschossen.