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HANNOVER
Wulff will für einen Freispruch kämpfen
Am 27. September 2008: Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, seine Frau Bettina und Filmunternehmer David Groenewold (Mitte) kommen ins Käfer-Festzelt auf dem Oktoberfest.
Foto: dpa | Am 27. September 2008: Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, seine Frau Bettina und Filmunternehmer David Groenewold (Mitte) kommen ins Käfer-Festzelt auf dem Oktoberfest.
Von dpa-Korrespondentin Sigrun Stock
 |  aktualisiert: 13.11.2013 19:01 Uhr

Es gibt ein Foto von Christian Wulff, das ist jetzt wieder oft zu sehen. Es zeigt ihn im Trachtenhemd, wie er mit einer Maß Bier in der Hand seiner Frau Bettina zuprostet. Wenige Kilometer entfernt schläft im „Bayerischen Hof“ der gemeinsame Sohn, vier Monate alt, ein Babysitter passt auf. München leuchtet, es ist der 27. September 2008. Doch der nette Samstagabend auf der Wiesn holt Wulff nun fünf Jahre später wieder ein.

In Saal 127 des Landgerichts Hannover wird der München-Trip von Donnerstag an bis ins Kleinste seziert werden, monatelang: Was gab es zu essen? Wer bezahlte den Babysitter? Wurde der Wiesn-Besuch als Dienstreise des niedersächsischen Ministerpräsidenten abgerechnet oder als Privatausflug des jungen Ehepaares Wulff? „Dieser Prozess wird das Ereignis des Jahres werden – ein wahres Sittengemälde“, sagt der Politik- und Medienberater Michael Spreng.

22 Prozesstage hat das Landgericht Hannover angesetzt, um zu klären, ob Wulff sich mit seinem Wiesn-Besuch der Vorteilsannahme in seinem Amt als Ministerpräsident schuldig gemacht hat. Der spätere Bundespräsident war wegen der Ermittlungen im Februar 2012 zurückgetreten. Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt der Bundesrepublik vor Gericht steht.

Mit auf der Anklagebank sitzt der Filmproduzent David Groenewold, wegen Vorteilsgewährung. Er soll für Wulff 510 Euro Hotel- und Babysitterkosten übernommen und außerdem 209,40 Euro für ein Abendessen und den Festzeltbesuch gezahlt haben. Eine Einladung unter guten Bekannten, wo ist da das Problem? „Auch ein Ministerpräsident muss Freunde haben können und mit denen mal zum Essen gehen dürfen oder von ihnen eingeladen werden zu einem Aufenthalt beim Oktoberfest“, sagt der Strafrechtler Uwe Hellmann von der Uni Potsdam. „Probleme tauchen immer dann auf, wenn diese Freundschaft auch noch eine geschäftliche Seite hat.“

Was bei Wulff und Groenewold der Fall war: Nur einen Tag nach dem Oktoberfest-Besuch soll der Filmproduzent den Ministerpräsidenten schriftlich gebeten haben, bei dem damaligen Siemens-Vorstandschef Peter Löscher für eines seiner Filmprojekte zu werben. Und Wulff soll dieser Bitte gut zweieinhalb Monate später auch entsprochen haben.

Doch mit dem Wiesn-Besuch ist am Ende nur ein einziger strafrechtlich relevanter Punkt auf der langen Liste der Vorwürfe gegen Wulff übrig geblieben. Die reichten vom günstigen Hauskredit bis hin zu Urlauben bei vermögenden Freunden wie dem Finanzberater Carsten Maschmeyer. Alles zusammen führte schließlich zu Wulffs Rücktritt als Präsident, nach zwei Monaten Dauerberichterstattung.

Als „Rudel-Journalismus“ bezeichnet „Stern“-Chefredaktionsmitglied Hans-Ulrich Jörges diese öffentlichen Erregungswellen. Er sieht Parallelen zwischen Wulffs Schicksal und dem des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst. „Beide haben sich zu Opfern gemacht. Beide haben Fehler gemacht und sind auch zu Opfern gemacht worden“, analysierte der „Stern“-Chef kürzlich in Hannover. „Und beide haben sich dem ergeben und die Kraft nicht gehabt, sich zur Wehr zu setzen – und daran ist Christian Wulff wohl auch gescheitert.“

Nun wird das Leben der Wulffs im Gericht wieder aufgerollt werden, doch es bleibt die Frage: Will man darüber wirklich noch etwas wissen? Wulff hätte die Chance gehabt zu vermeiden, sich wie kaum ein anderer deutscher Prominenter öffentlich zu entblößen. Er tut es freiwillig.

Das Angebot der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens gegen 20 000 Euro lehnte er ab. Er will für einen Freispruch kämpfen.

 
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