Der schwelende Streit zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft im Korruptionsprozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist eskaliert: Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow drohte am Donnerstag überraschend mit einem Aussetzen des Verfahrens. Zuvor hatte er Staatsanwalt Clemens Eimterbäumer vorgehalten, dass die Anklage nach und nach neue Beweismittel vorlegt, die dem Gericht bisher unbekannt sind.
„Notfalls werde ich das Verfahren aussetzen“, drohte Richter Rosenow im Landgericht Hannover. Ein Aussetzen der Verhandlung nach Paragraf 228 der Strafprozessordnung würde bedeuten, dass der Prozess komplett neu aufgerollt werden müsste. Eine einfache Unterbrechung wäre aber auch möglich.
Der Richter forderte den Staatsanwalt auf, ihn in einer dienstlichen Erklärung über seinen Kenntnisstand über neue Beweise zu informieren. Dabei geht es auch um mögliche Unterlagen, die die Staatsanwaltschaft aus dem parallel am Landgericht laufenden Korruptionsprozess gegen Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker kennt.
„Dynamische Hauptverhandlung“
Staatsanwalt Eimterbäumer sagte, es sei normal, dass neue Beweismittel auftauchten. Das sei das „Schicksal einer dynamischen Hauptverhandlung“. Konkret ging es unter anderem um eine Festplatte, deren Inhalt öffentlich bisher unbekannt ist. Eimterbäumer betonte, die Prozessbeteiligten könnten darauf jederzeit zugreifen. Die Kammer unterbrach das Verfahren daraufhin zunächst bis zum frühen Nachmittag.
Ausgelöst wurde Rosenows Ärger durch die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, in dem Verfahren am Nachmittag neue Beweisanträge einzubringen. Dabei geht es unter anderem um den Inhalt von E-Mails, die die Anklage Anfang der Woche auf den beim Landeskriminalamt eingelagerten Festplatten gefunden haben soll.
Sollte das Gericht den neuen Beweisanträgen stattgeben, könnte sich das vom Gericht bisher für den 27. Februar angepeilte Urteil verzögern. „Mein Interesse ist es, das Verfahren mit einem Urteil abschließen zu können, das bestandsfähig ist“, betonte Rosenow.
Vernehmung Groenewolds
Der Prozess gegen Wulff war am Donnerstag mit der Vernehmung eines Ex-Geschäftspartners des mitangeklagten Filmfinanciers David Groenewold fortgesetzt worden. Dieser konnte aber nicht sagen, ob Groenewold kurz nach dem Oktoberfestbesuch 2008 tatsächlich einen von ihm mitformulierten Bittbrief an Wulff abschickte. Die Verteidigung betont, das Schreiben sei nie versendet worden. Eine andere Zeugin, eine frühere Assistentin Groenewolds, hatte das Gegenteil behauptet und gesagt, der Brief sei für ihren Chef wirtschaftlich überlebenswichtig gewesen.
Wulff steht seit Mitte November wegen Vorteilsannahme im Amt als niedersächsischer Regierungschef vor Gericht. Er soll sich 2008 rund um den Oktoberfestbesuch in München von Groenewold einen Teil der Kosten für Hotel und Essen bezahlt haben lassen. Im Gegenzug soll Wulff bei der Siemens-Spitze um Unterstützung für ein Filmprojekt Groenewolds geworben haben. Beide Männer bestreiten die Vorwürfe.