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„Würde die AfD gewinnen, könnte Trump sein Deutschtum entdecken“
Das Gespräch führte Karl Doemens
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:50 Uhr

Egal, ob es um die Verteidigungsausgaben, den Handelsüberschuss oder die Auto-Exporte geht: Donald Trump hat Deutschland als Lieblingsfeind entdeckt. Die amerikanische Trump-Biografin Gwenda Blair hat sich intensiv mit der Familiengeschichte des US-Präsidenten beschäftigt, dessen Großvater Friedrich Trump aus der Pfalz ausgewandert ist. Im Interview spricht die renommierte Publizistin und Hochschullehrerin unter anderem über mögliche Verbindungen zwischen Trumps biografischen Wurzeln und seiner negativen Fixierung auf das Land seiner Vorfahren.

Frage: Frau Blair, US-Präsident Donald Trump hat deutsche Wurzeln. Seine Großeltern väterlicherseits stammten aus Kallstadt in der Pfalz. Doch darüber spricht Trump nie. Stattdessen hat er sich auf Deutschland eingeschossen. Gibt es da einen Zusammenhang?

Gwenda Blair: Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, dass das Verschweigen des deutschen Hintergrunds in der Familie Tradition hat. Donald Trumps Großvater Friedrich, der 1885 in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, hat während des Ersten Weltkriegs die antideutsche Stimmung im Land erfahren. Sein Sohn Fred, Donalds Vaters, begann noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu erzählen, dass er schwedische Vorfahren habe.

Und mit dieser Legende ist Donald Trump großgeworden?

Blair: Ja. Aber seine Großmutter lebte in New York auf der anderen Straßenseite, hatte einen starken deutschen Akzent und ist erst Anfang der 1960er Jahre gestorben. Donald wusste also sehr gut, wo seine Familie herkam. Trotzdem hat auch er in seiner Biografie „The Art of the Deal“ behauptet, seine Vorfahren seien schwedisch.

Weshalb verleugnete er eigentlich seine deutsche Herkunft?

Blair: Darüber kann ich nur spekulieren. Ich glaube, er wuchs einerseits mit gewissen Stereotypen auf, in denen die Deutschen alle Nazis und böse waren. Und er spürte gleichzeitig, dass in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg gewisse Vorbehalte gegen Deutsche herrschten. Zudem war das Immobiliengeschäft in New York stark von Juden geprägt. Da wäre es nicht unbedingt hilfreich gewesen, sich als Deutscher zu präsentieren. Also verwischte er seine Wurzeln. Das war eine klare Geschäftsstrategie.

Donald Trumps Großmutter fühlte sich in den USA nicht wohl. Deshalb versuchten die Großeltern 1904 nach Deutschland zurückzukehren, doch wurde ihnen im damaligen Bayern die Wiedereinbürgerung verweigert, weil der Großvater keinen Militärdienst geleistet hatte. Sie wurden regelrecht in die USA abgeschoben, wo kurz darauf Donald Trumps Vater geboren wurde. Könnte das die Attacken des Präsidenten auf Deutschland erklären?

Blair: Möglich ist das. Er ist sehr nachtragend, wenn es um tatsächliche oder vermeintliche persönliche Verletzungen geht. Insofern könnte das eine Rolle spielen. Einerseits. Aber andererseits liegt das mehr als hundert Jahre zurück und Trump ist absolut ahistorisch. Als ich ihn für mein Buch interviewte, konnte ich ihm nichts über seine Familiengeschichte entlocken. Er verhielt sich nach dem Motto: „Warum interessiert Sie das? Das ist alt. Damit kann man kein Geld machen.“ Insofern glaube ich, sein Verhältnis zu Deutschland hängt eher wesentlich von den Umständen ab: Würde die AfD bei einer Bundestagswahl die Mehrheit gewinnen, könnte er seine deutschen Wurzeln schnell wiederentdecken.

Hat er überhaupt irgendwelche Sentimentalitäten gegenüber der Heimat seiner Vorfahren?

Blair: Falls das so ist, verbirgt er sie gut. Sein größtes Interesse gilt seinem Geschäft. Da ist er komplett utilitaristisch: Wenn etwas nicht nützlich für ihn ist, macht er es nicht. Er hat auch die schottische Herkunft seiner Mutter erst öffentlich gemacht, als er einen Golfplatz in Schottland eröffnen wollte. Wenn er einen Golfplatz in Deutschland aufmachen wollte, könnte etwas Ähnliches passieren.

Sollte man Trump zur Entkrampfung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses zu einem Besuch nach Kallstadt einladen?

Blair: Warum nicht? Schaden kann es nicht. Aber, wie gesagt, er handelt stets aus Nützlichkeitserwägungen. Insofern würde es bestimmt mehr bringen, wenn Mercedes ein neues Modell „Donald Trump“ nennt. Foto: Columbia Journalism School

Gwenda Blair 75, ist Autorin und Hochschullehrerin in Chicago. Sie hat bereits im Jahr 2000 eine Trump Biografie verfasst.

 
 
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