Nun hat er es geschafft. Der ehemalige Hauptmann, den seine Vorgesetzten mangels Disziplin nicht für eine militärische Laufbahn empfehlen wollten, distanzierte seinen Konkurrent Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei bei den Präsidentschaftswahlen mit 55 zu 45 Prozent. Der belächelte politische Hinterbänkler, der es in den Medien lange höchstens auf die vermischten Seiten brachte, irgendwo zwischen betrunkenen Unternehmersöhnchen und koksenden TV-Sternchen.
Das Ausland ist fassungslos, sogar Frankreichs ultrarechte Politikerin Marine Le Pen findet Brasiliens neuen Präsidenten „geschmacklos“. Schon wird er der „Trump Brasiliens“ genannt. Und Jair Bolsonaro? Der kritisiert in der ersten Facebook-Ansprache die Presse, preist Gott und verspricht einen neoliberalen Staat. Dabei liest er fast linkisch vom Blatt ab – ganz anders als bei seinen Wahlveranstaltungen, wo er gerne beide Hände zu Pistolen formte und imaginär in die Menge feuerte.
Lässt sich mit Trump vergleichen
Mit dem US-Präsidenten lässt der 63-Jährige sich gerne vergleichen. Aus der „kommunistischen UN“ will er austreten, den Kongress schließen und Gewerkschaften verbieten. Er verteidigt Folter, will Homosexuelle mit Schlägen auf den rechten Weg bringen, Schwarze hält er für faul und Frauen für dekoratives Beiwerk – so lange sie hübsch sind und die Klappe halten, denn sonst verdienten sie nicht, von ihm vergewaltigt zu werden. Seine Kritiker nennen ihn Faschisten und „Bolsonazi“.
Das juckt ihn nicht. Angeeckt ist der ehemalige Fallschirmjäger sein ganzes Leben lang. Es ist zweifellos eine Leistung, trotzdem eine Wahl zu gewinnen. Die Mehrheit der Brasilianer nimmt Bolsonaros Sprüche auf die leichte Schulter und hofft, der großgewachsene Mann mit den stechend blaugrauen Augen sorge endlich für Sicherheit und miste den korrupten Polit-Saustall aus. Sie sehen in ihm einen „Messias“ – zumal der Katholik Bolsonaro mit zweitem Namen nicht nur so heißt, sondern auch bei jeder Gelegenheit Gott anruft. „Brasilien über alles, Gott über allen“, lautet der Slogan, mit dem er sich auch die Gefolgschaft der einflussreichen evangelikalen Kirchen gesichert hat.
Bolsonaro wird 1955 geboren, er wuchs in einem Arbeiter-Vorort von Sao Paolo auf. Rassismus war dort Alltag; Schwarze hatten beispielsweise keinen Zutritt zum örtlichen Sportclub. Seine Eltern stammten von italienischen Einwanderern ab, sein Vater war Selfmade-Zahnarzt. Jair war das dritte von sechs Kindern, benannt nach einem damals bekannten Fußball-Star. Auch er selbst kickte gerne, erinnern sich Klassenkameraden. Ehrgeizig, intelligent, aber ein wenig verrückt sei er gewesen, schildern sie ihn in der Zeitschrift Epoca. Überliefert ist außerdem seine Liebe zum Fischen – damit verdiente er sich ein Taschengeld dazu. Schon von klein auf faszinierten ihn Uniformen; in der Oberstufe schickten die Eltern den Sohn dann auf eine Militärakademie. Seine Vorgesetzten beurteilten ihn als „autoritär, übertrieben ehrgeizig, geldgierig, irrational und labil“. 1988 wurde er in den Ruhestand geschickt. Dem voraus ging ein Prozess vor dem Obersten Militärgericht. Er war angeklagt, Attentate geplant zu haben, um Unruhe zu stiften und besseren Sold für die Truppe einzufordern. Das verschaffte ihm eine gewisse Popularität.
Fotos von Folterknechten
Folgerichtig ging Bolsonaro daraufhin in die Politik, als eine Art Fürsprecher des Militärs. Sein Büro zieren noch heute Fotos von Folterknechten der Militärdiktatur.
Ein politischer Außenseiter ist Bolsonaro nicht. Seit fast drei Jahrzehnten mischt er in der Politik mit, saß für neun verschiedene Parteien im Parlament. Seine größte Leistung: Er wurde bisher nicht wegen Korruption verurteilt. Doch ein Saubermann ist er keinesfalls. In klassischer nepotistischer Manier der brasilianischen Familienclans mischen auch sein Bruder Renato und drei seiner Söhne in der Politik mit. Seine dritte Frau Michelle machte er zu seiner Sekretärin – bis die Kongress-Aufsichtsbehörde sie absetzte, weil die Anstellung von Angehörigen verboten ist.
Von seiner ersten Frau, der Politikerin Rogéria, trennte sich Bolsonaro, weil sie „seinen politischen Vorgaben“ nicht mehr folgte. Ihre politische Karriere sabotierte er, indem er den gemeinsamen, damals erst 17-jährigen Sohn Carlos systematisch als Gegenkandidaten aufbaute. Die zweite Frau, Ana Cristina Valle, bezeichnete ihn als aggressiv. Im Streit um das Sorgerecht habe er gedroht, sie umzubringen, gab sie dem Konsul in Norwegen 2011 zu Protokoll, wohin sie sich damals geflüchtet hatte.
Beide Frauen bestreiten heute ihre Aussagen und unterstützten ihren Ex-Mann im Wahlkampf. Dafür gibt es offenbar gute Gründe: Das Vermögen des weitverzweigten Familienclans hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht und umfasst laut der Steuererklärung inzwischen 13 Luxus-Immobilien. Im Heimatort Eldorado, für den einer von Bolsonaros Söhnen als Abgeordneter im Parlament sitzt, gehören dem Clan Einkaufszentren, Lotteriestellen, Elektronik, Möbel-, Schuh- und Baugeschäfte. Besonders gute Kontakte soll die Familie zur Bananen- und Agrarlobby hegen.