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BERLIN
Wladimir Putins schwarze Liste
reda
 |  aktualisiert: 31.05.2015 19:50 Uhr

Manche fühlen sich in ihren Rechten verletzt, aber einige nehmen es auch als Auszeichnung. „Das ist mir eine Ehre“, sagt Karel Schwarzenberg, Tschechiens ehemaliger Außenminister. Schwarzenberg ist einer von 89 europäischen Politikern, Beamten und Militärs, denen Russland offiziell die Einreise verwehrt. Der Grünen-Promi Daniel Cohn-Bendit, ebenfalls auf der schwarzen Liste, sieht das genauso: „Es ehrt mich, wenn mich ein totalitäres System wie Russland als Feind des Totalitarismus brandmarkt.“

Über die Liste wurde schon lange spekuliert, jetzt ist sie offiziell. Vergangene Woche übermittelte die russische EU-Vertretung in Brüssel das Fünf-Seiten-Papier. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis die Liste publik wurde. Problem nur: Niemand in Berlin und den anderen Hauptstädten weiß, wie alt die Aufstellung wirklich ist. Sie könnte schon vor einem Jahr geschrieben worden sein, als sofortige Reaktion auf die Sanktionen, die die EU wegen der Annexion der Krim gegen Russland verhängt hatte. Möglich aber auch, dass die Liste erst nach und nach erstellt, bis vor kurzem immer wieder aktualisiert und ergänzt wurde.

Insgesamt ist die Zusammenstellung amtierender und ehemaliger Entscheidungsträger einigermaßen kurios. Unter den 89 Europäern sind acht Deutsche: Leute wie Karl-Georg Wellmann (CDU) und Rebecca Harms (Grüne), die in Moskau bereits abgewiesen wurden, oder auch Bernd Posselt, ehemaliger Generalsekretär der CSU, der von seinem Schicksal noch nichts wusste. Von SPD und Linkspartei ist niemand dabei. Für Kenner der Szene besonders pikant: Auch Uwe Corsepius, der alte und neue Europa-Berater von Kanzlerin Angela Merkel, wurde mit einem Einreiseverbot belegt.

Ansonsten findet sich dort viel europäische Prominenz: Der Tscheche Schwarzenberg, 77 Jahre alt und schon seit 2013 außer Diensten, der belgische Ex-Ministerpräsident Guy Verhofstadt, protokollarisch besonders hochrangig, und der Brite Nick Clegg, bis vor kurzem noch stellvertretender Premierminister. Auffällig viele Polen und 20 baltische Namen. Und dann auch Leute wie der französische Star-Philosoph Bernard-Henri Levy, seit einigen Monaten Berater der ukrainischen Regierung.

Retourkutsche für EU-Liste

Ein russischer Diplomat sagte vor wenigen Tagen der Staatsagentur Ria Nowosti, die Liste richte sich gegen „Bürger, die eine antirussische Politik betreiben“. Der Mann behauptete: „Jeder Name befindet sich aus einem ganz konkreten triftigen Grund dort.“ Die wohlwollende Interpretation, die auch auf deutscher Seite zu hören ist, lautet, dass die Russen mit der Übergabe der Liste nun „Transparenz“ schaffen wollten. Jeder der 89 weiß nun, was ihn am Moskauer Flughafen erwartet. Andere sprechen von einem „diplomatischen Eklat“.

Klar ist, dass es sich um eine Retourkutsche für die Namensliste der Europäer handelt, die 2014 auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise Einreiseverbote für Russen verhängt hatten, unter ihnen enge Mitarbeiter von Präsident Wladimir Putin. Allerdings gibt es einige erhebliche Unterschiede: Zum Beispiel die Tatsache, dass die EU-Liste gleich bekanntgemacht wurde und die Russen sich dagegen auch vor Gericht wehren können.

Das meinte Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch in der Ukraine: „Es wäre das Mindeste gewesen, dass man den Betroffenen Mitteilung macht, welche Vorbehalte gegen sie bestehen und die Liste öffentlich macht.“ Für die Bemühungen, den Ukraine-Konflikt zu beenden, sei das insgesamt kein guter Beitrag. Auf die Frage, ob diese Einschätzung auch für die EU-Einreiseverbote gelte, antwortete Steinmeier nur: „Ich arbeite dafür, dass wir baldmöglichst wieder Umstände schaffen, in denen wir mehr miteinander reden als übereinander.“ Auf die öffentlichkeitswirksame Forderung, die Einreiseverbote sofort wieder aufzuheben, verzichtete er.

Widersprüchliche Signale

Offensichtlich liegt der Bundesregierung einiges daran, dass die schwarze Liste den Konflikt mit Moskau nicht noch weiter verschärft. Aus deutscher Sicht gibt es aus Russland in Sachen Ukraine in letzter Zeit einigermaßen widersprüchliche Signale. Die Liste passt nicht wirklich zu Moskaus jüngsten Versuchen, das Verhältnis zum Westen wieder in normalere Bahnen zu lenken.

Die russische Regierung tut so, als könne sie die ganze Aufregung nicht verstehen. Die Liste sei eben die Antwort auf die „Sanktionskampagne“ der EU und die von den Europäern verhängten Einreiseverbote. Davon betroffen ist auch einer von Putins Beratern, Wladislaw Surkow. Der hatte darauf im März 2014 mit den Worten reagiert: „Es ist eine große Ehre.“

 
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