Kanzlerin Angela Merkel feierte die Ergebnisse des EU-Gipfels als „Meisterleistung“. Ist Europa jetzt wirklich auf dem Weg in eine schuldenfreie Zukunft? Was kann die neue Fiskalunion, was der bisherige Euro-Stabilitätspakt nicht schaffte?
Herzstück des neuen Vertrages ist eine Schuldenbremse, wie sie Deutschland für sich schon ab dem Haushaltsjahr 2016 beschlossen hat. Alle 17 Euroländer sowie acht weitere Staaten (nur Großbritannien und Tschechien sind nicht dabei) müssen dieselben Regelungen bis 2018 in ihren Verfassungen verankern oder gleichwertig in ihr nationales Recht übernehmen. Ab dann darf das strukturelle Defizit nur noch 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Im bisherigen EU-Recht waren 1,0 Prozent erlaubt.
Die Mitgliedsstaaten legen der EU-Kommission ihre ersten Budgetentwürfe vor. In Brüssel werden diese gesichtet und notfalls Nachbesserungen eingefordert. Hält sich eine Regierung nicht daran, wird ein Sanktionsmechanismus in Gang gesetzt. In letzter Konsequenz kann das betreffende Land vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt werden. Strafen von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind möglich, die dann in den Europäischen Krisenmechanismus (ESM) fließen. Dieser Prozess kann nur gestoppt werden, wenn im Kreis der Finanzminister eine qualifizierte Mehrheit gegen die Sanktion zustande kommt. Das ist anders als bisher: Heute müssen Strafen aktiv beantragt und beschlossen werden.
Wenn die Fiskalunion so wie beschlossen praktiziert wird, besteht diese Gefahr nicht. Denn die Kommission prüft nur die Rahmendaten wie das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben oder das errechnete Defizit. Der Bundestag hat weiter das letzte Wort, wenn es um das Setzen der konkreten finanzpolitischen Schwerpunkte der Bundesregierung geht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen klargemacht, dass das Haushaltsrecht des Parlamentes durch europäisches Recht nicht eingeschränkt werden darf.
Die Rettungsinstrumente des Euroraums werden geschärft. Zunächst sollte er ja erst 2013 den Rettungsschirm EFSF ablösen. Nun wird er um ein Jahr vorgezogen und startet am 1. Juli 2012, weil man sich davon einen Achtungserfolg bei Investoren und Ratingagenturen verspricht. Sein Leistungsspektrum ist breiter, da er auch Notkredite an zeitweise klamme Eurostaaten vergeben kann.
Der ESM wird Garantien über 620 Milliarden Euro haben sowie weitere 80 Milliarden Euro Bareinlagen. Von diesen 700 Milliarden Euro werden 200 Milliarden Euro nur zur Sicherheit dienen, um gute Bonitätsnoten zubekommen, sodass 500 Milliarden Euro ausgegeben werden können. Deutschland zahlt – wie alle anderen auch in Raten – 22 Milliarden Euro bar ein und bürgt für 168 Milliarden Euro. Es ist längst klar, dass diese Beträge nicht reichen. Im Gespräch sind deshalb Summen von 750 Milliarden oder gar eine Billion Euro. Denn man will sich für den Fall rüsten, dass große Länder wie Italien oder Spanien doch Geld brauchen.
Realistisch ist wohl nur folgende Variante: Die bisher nicht verbrauchten Mittel des Rettungsschirms (etwa 250 Milliarden Euro) werden auf die ESM-Mittel draufgeschlagen. Damit stünde man bei 750 Milliarden Euro. Das klingt aber einfacher als gedacht, weil Deutschland dann für rund 68 Milliarden Euro mehr haften müsste – also 230 Milliarden Euro insgesamt. Der Bundestag hat bisher aber nur 211 Milliarden Euro genehmigt und dabei betont, dass er darüber nicht hinausgehen will. Eine zweite Variante sieht vor, dem ESM eine Banklizenz zu geben, damit er sich Geld am Markt beschaffen kann.
Bisher gibt es keine spürbaren Auswirkungen. Die setzen erst ein, wenn Deutschland für Beträge bürgen muss, die nicht mehr zurückgezahlt werden können. Die Gefahr gibt es, weil inzwischen zumindest bei Portugal das Risiko einer Staatspleite nicht mehr auszuschließen ist.