„Was nutzt uns der beste Eurofighter, wenn wir keine Piloten und keine Techniker mehr haben.“ Ursula von der Leyen hat ihr Lächeln ausgeknipst und auf Angriff geschaltet. Der Vorwurf des ehemaligen Generalinspekteurs Harald Kujat, sie verstehe nichts vom Militär und führe die Bundeswehr wie eine Hausfrau, die sich nur um das Wohl der ihr anvertrauten Familie sorgt, fuchst die Verteidigungsministerin offenbar gewaltig. Über die Motive ihres Kritikers kann allerdings auch sie nur rätseln. „Daraus spricht vor allem Angst“, mutmaßt sie. „Angst vor Veränderung.“
Wie kein Minister vor ihr stellt Ursula von der Leyen vermeintliche Notwendigkeiten wie die ständigen Versetzungen und eherne Prinzipien wie das vom Offizier, der eigentlich immer im Dienst ist, infrage. „Weil wir viel von den Soldaten verlangen“, sagt sie, „müssen wir ihnen auch viel bieten.“ Teilzeitstellen und Vier-Tage-Wochen, moderne Unterkünfte, bessere Karriereperspektiven und deutlich weniger Versetzungen. Über die Einsatzfähigkeit der Armee, argumentiert die neue Ministerin, entscheide künftig nicht nur deren Ausrüstung, sondern auch die Attraktivität des Soldatenberufes. 60 000 Bewerbungen im Jahr brauche die Truppe, um nach dem Wegfall der Wehrpflicht ihren Nachwuchs zu rekrutieren. Dies seien in absehbarer Zukunft fast zehn Prozent eines ganzen Jahrgangs. Bis heute allerdings könne ein junger Mensch sich bei der Bundeswehr nicht online bewerben. Ist es da ein Wunder, wenn er sich zuerst in der Wirtschaft umsieht?
Aus den unterschiedlichsten Studien, aus Vorschlägen aus der Truppe und aus den Berichten des Wehrbeauftragten hat Ursula von der Leyen jetzt ein Paket an Maßnahmen geschnürt, das Vorurteile abbauen und die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber des Landes machen soll. Viele wüssten zum Beispiel nicht, sagt die Ministerin, dass man an ihren Hochschulen 55 Bachelor- und Masterstudiengänge belegen könne. Alles in allem böten die Streitkräfte rund 1000 verschiedene Berufe an 300 verschiedenen Standorten an. In einer neuen Broschüre, die sie gerade aufgelegt hat, heißt es daher auch: „Die Bundeswehr ist heute nicht nur eine Armee im weltweiten Einsatz, sondern ein hochmoderner, global agierender Konzern.“
Eines der größten Probleme in diesem Konzern sind bisher die vielen Ortswechsel. Während von den normalen Arbeitnehmern nur vier Prozent weit entfernt von ihren Familien arbeiten und nur am Wochenende nach Hause pendeln, sind es bei der Bundeswehr 38 Prozent. Dazu kämen, so die Ministerin, die fehlende Kinderbetreuung an den Standorten, zu lange Dienstzeiten und ein viel zu enges Karrierekorsett. Wenn es nicht gelinge, diese Rahmenbedingungen zu verbessern, „können wir einpacken“.
Mit 100 Millionen Euro will das Verteidigungsministerium den Soldatenberuf bis zum Jahr 2017 interessanter und, vor allem, familienfreundlicher machen. In einem weiteren Schritt sollen dann ab Herbst auch die Besoldung, die Altersvorsorge und die Hinzuverdienstmöglichkeiten für pensionierte Soldaten überprüft werden. Wer dreistellige Milliardenbeträge in die Ausrüstung der Armee stecke, argumentiert die Ministerin, könne auch dreistellige Millionensummen ins Personal investieren: „Wir wollen die Besten“, sagte sie.
Kujats Argument, die Verantwortung eines Vorgesetzten sei nicht teilbar, lässt Ursula von der Leyen dabei nicht gelten. Natürlich könne ein Offizier im Einsatz nicht einfach seine Arbeitszeit reduzieren und sich eine Stelle mit einem Kollegen teilen. Aber hinter jedem Soldaten in Afghanistan, auf dem Balkan oder vor der Küste von Somalia stünden „im Grunddienst“ drei Soldaten in Deutschland, von denen einige das sehr wohl könnten. Auch eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit soll jungen Soldaten nicht mehr verwehrt bleiben: „Das wird jetzt eingeführt.“