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„Wir werden nichts unter den Teppich kehren“
Verteidigungsministerinnen besuchen U-Boot-Ausbildungszentrum       -  Der Umgang der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Skandalen in der Truppe steht in der Kritik.
Foto: Markus Scholz, dPa | Der Umgang der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Skandalen in der Truppe steht in der Kritik.
Das Gespräch führte Dieter Löffler
 |  aktualisiert: 03.09.2017 03:00 Uhr

Ursula von der Leyen steht seit knapp vier Jahren als Verteidigungsministerin an der Spitze der Bundeswehr. Die 58-Jährige war zuvor Familien- und Arbeitsministerin, vor ihrer Politik-Karriere arbeitete sie als Ärztin. Die Ministerin sprach mit uns über die Probleme der Bundeswehr, über ihren Umgang mit den Vorfällen in der Kaserne Pfullendorf und über den Umgang mit der Tradition.

Frage: Frau von der Leyen, die Bundeswehr hat derzeit eine Vielzahl von Problemen. Mit Blick auf die Vorgänge in der Kaserne in Pfullendorf haben Sie von einem massiven Haltungs- und Führungsproblem in der Bundeswehr gesprochen. Würden Sie das heute auch noch so sagen?

Ursula von der Leyen: Mir ist wichtig, dass klar ist, dass die große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten einen hervorragenden und tadellosen Job macht. Für den können wir ihnen gar nicht genug Anerkennung und Respekt zollen. Die Vorfälle dieses Frühjahrs sind deshalb umso schmerzhafter. Deshalb ist es wichtig, dass wir transparent und mit offenem Visier darüber reden. Die Bevölkerung beobachtet sehr genau, ob wir uns dem stellen oder ob wir etwas unter den Teppich kehren. Deshalb überprüfen wir derzeit unsere Innere Führung. Ich bin überzeugt, dass wir aus diesem Prozess stärker herauskommen, als wir hineingegangen sind.

In Pfullendorf haben Sie, als Vorwürfe über sadistische Praktiken laut wurden, den Standort-Kommandeur ohne Rücksprache versetzt. Später stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, weil die Vorwürfe einer näheren Überprüfung nicht standhielten, zumindest im strafrechtlichen Sinne. Haben Sie dem Oberst Unrecht getan?

von der Leyen: Die vorgesetzte Dienststelle hatte einzig die Ermittlungen über die herabwürdigenden Aufnahmerituale an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Die anderen Verfehlungen wurden vonseiten des Ministeriums von Anfang an nicht als strafrechtlich relevant eingestuft, sondern eher als Verstoß gegen bundeswehrinterne Grundsätze der guten Führung oder der Disziplin. Insofern hat die Staatsanwaltschaft in dem Punkt aus eigenem Antrieb ermittelt und letztlich unsere Rechtsauffassung bestätigt, ebenso wie das Gericht in Sigmaringen die Entlassung der an den in Pfullendorf wiederholt durchgeführten Aufnahmeritualen beteiligten Soldaten nicht nur bestätigt, sondern sogar als „zwangsläufig“ bezeichnet hat.

Das war der eine Fall. Im Fall der Ausbildungspraktiken hat der Staatsanwalt die Ermittlungen eingestellt.

Von der Leyen: Wenn zweifelhafte Praktiken wie das Entblößen Auszubildender vor der Gruppe oder das Dulden einer Tanzstange samt einer Leine mit aufgehängten Slips in einem dienstlichen Aufenthaltsraum nicht gegen Strafrecht verstoßen, heißt das noch lange nicht, dass sie in Ordnung sind. Es gibt auch noch das Disziplinarrecht und die Grundsätze guter Führung. Darum ging es hier. Die durch das Heer verfügte Ablösung des Kommandeurs, sowie die Versetzung einiger direkt Verantwortlicher sollte die Aufarbeitung erleichtern und dem Standort einen Neuanfang ermöglichen. Eine Disziplinarbuße gegen einen Vorgesetzten ist bereits verhängt worden, andere Disziplinarverfahren laufen.

Kritiker werfen Ihnen Selbstdarstellung auf Kosten der Soldaten vor. Der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold sagt, Sie hätten Vorwürfe wie die in Pfullendorf bewusst aufgebauscht, um sich als Aufräumerin inszenieren zu können.

von der Leyen: Im Januar, als die Vorfälle öffentlich wurden, hat er mich öffentlich aufgefordert, härter durchzugreifen. Dass er jetzt seine Meinung geändert hat, liegt wahrscheinlich daran, dass Wahlkampf ist. Damit kann ich umgehen.

Nach dem Vorfall um einen rechtsradikalen Offizier im Elsass, der einen Anschlag geplant haben soll, ließen Sie alle Kasernen nach Wehrmachtsandenken durchkämmen. Viele Soldaten fühlen sich unter Generalverdacht gestellt. Sind Sie zu weit gegangen?

von der Leyen: Die Begehung der Diensträume war eine Anweisung des Generalinspekteurs, hinter der ich voll und ganz stehe. Der Anlass war der Fund von Wehrmachtsdevotionalien ohne jede historische Einordnung am Standort eines Offiziers, gegen den bis heute wegen rechtsextremistischer Umtriebe in der Bundeswehr ermittelt wird. Wir brauchten eine Klärung, damit alle auf dem Boden des gültigen Traditionserlasses sind. Zugleich ist uns ein Zweites aufgefallen. Warum starren wir so viel auf die zwölf dunkelsten Jahre unserer Geschichte? Und warum sind wir nicht stolz auf die fast 62 Jahre Bundeswehr-Geschichte, die wir inzwischen haben? Deshalb überarbeiten wir derzeit den Traditionserlass von 1982.

In seinen Formulierungen ist der Traditionserlass aber doch eindeutig, zum Beispiel im Bekenntnis zum Grundgesetz oder in der Abgrenzung zu NS-Unrecht und Wehrmacht. Warum lassen Sie ihn überarbeiten?

von der Leyen: Weil dieser 30 Jahre alte Erlass die Hälfte unserer Geschichte nicht kennt. Er nimmt überhaupt nicht Stellung zur Frage nach der Armee im Einsatz oder zur Bundeswehr in internationalen Bündnissen, der Rolle als Freiwilligenarmee, die heute viele Frauen in ihren Reihen hat und rund 15 Prozent Bundeswehrangehörige mit Migrationshintergrund. Alles das gab es damals noch nicht. Insofern ist es notwendig, den Traditionserlass zu überarbeiten. Gekippt wird er nicht.

Auf die Soldaten kommen schwierige Zeiten zu. US-Präsident Trump will den Einsatz in Afghanistan ausweiten. Sie haben gesagt, die Bundeswehr als der zweitgrößte Truppensteller wird das nicht tun. Gilt das auch nach der Wahl?

von der Leyen: Unseren Freunden in der Nato habe ich klar gesagt: Als andere im vergangenen Jahr in Afghanistan abgebaut haben, haben wir um 18 Prozent aufgestockt. Wir sehen uns jetzt nicht in der ersten Reihe, wenn es um eine weitere Erhöhung geht. Das Mandat gilt noch bis Ende dieses Jahres. Dann wird ein neuer Bundestag über das nächste Mandat entscheiden.

Trump will in Afghanistan keinen Staat aufbauen, sondern Terroristen töten. Was bedeutet das für die Bundeswehr? Sie verfolgt dort ja ein ganz anderes Konzept.

von der Leyen: Das ändert nichts am Nato-Auftrag und nichts an unserem Mandat. Präsident Trumps Rede enthält keine neue Strategie, sondern sie bestätigt die geltende Strategie der Nato. Wir definieren keinen Zeitpunkt des Abzugs, denn das wäre eine Aufforderung an die Taliban, sich daran zu orientieren. Außerdem mahnt er die Verantwortung der Afghanen an, den Versöhnungsprozess selbst voranzutreiben. Er betont die Bedeutung des vernetzten Ansatzes, neben Militär auch wirtschaftliche Zusammenarbeit und Diplomatie zu stärken. Auch das ist Nato-Position. Es ist nicht unsere Aufgabe, anderen Nationen vorzuschreiben, wie sie ihren Staat zu organisieren haben.

In Berlin gelten Sie als eine Politikerin, die fast jede Spitzenposition übernehmen kann. Stehen Sie für das Kanzleramt zur Verfügung, falls Angela Merkel einmal in den Ruhestand treten sollte?

von der Leyen: Jede Generation hat ihren eigenen Kanzler. In meiner Generation ist das Angela Merkel.

 
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