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BERLIN
Winterkorn sieht sich selbst als Betrogener
GERMANY-AUTO-VW-POLLUTION-CRIME       -  Martin Winterkorn bei seiner Befragung im Bundestag.
Foto: john mACDOUGALL, AFP | Martin Winterkorn bei seiner Befragung im Bundestag.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 28.01.2017 03:49 Uhr

„Dass das bei uns passiert ist, muss in Ihren Ohren wie Hohn klingen“, sagt Martin Winterkorn. Einst der vielleicht mächtigste Manager der Republik, sitzt der Ex-VW-Chef nun kleinlaut vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags, blickt durch eine riesige Glasfront auf die eiskalte Spree und soll erklären, wie es mit Ruf und Börsenwert von Volkswagen im Sog der Dieselaffäre derart den Bach runtergehen konnte.„Ich suche bis heute nach Antworten“, sagt Winterkorn.

Doch selbst lässt er viele Fragen unbeantwortet, mit Verweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren. Und was er dann doch sagt, manchmal stammelnd, manchmal leise, das dürfte in den Ohren der Ausschussmitglieder tatsächlich klingen wie Hohn. Denn der nach Bekanntwerden des Skandals zurückgetretene 69-Jährige bleibt dabei: Er will bis zum September 2015 nichts gewusst haben vom millionenfachen Betrug mit VW-Dieselautos, die nur dank einer eingebauten Betrugssoftware als so sauber durchgingen, wie vom Gesetzgeber verlangt – in Wirklichkeit aber wahre Dreckschleudern waren.

Schon die Angaben, die Winterkorn zur Person macht, wollen nicht so recht passen zu seiner Version vom ahnungslosen Opfer skrupelloser Betrüger in den niederen Rängen der VW-Ingenieure. Winterkorn selbst stellt sich dar als Vollblutingenieur, Materialexperte, lange Jahre bei VW und Tochter Audi für Qualitätssicherung zuständig.

Auch als er 2007 Vorstandsvorsitzender bei VW wird, so heißt es in der Firma, geht jedes kleinste Teil durch Winterkorns Hand. Stücke, die seinem kritischen Blick nicht standhalten, wirft er schon mal durch den Raum, trifft dabei – angeblich – einmal auch einen Untergebenen. Der qualitätsversessene Macher, der schwäbische Tüftler, der sich um alles selbst kümmert, der höchstpersönlich sogar die Lackdicke an Autos nachmisst – jahrelang hat Winterkorn selbst dieses Image gepflegt.

Doch wenn sogar kleinste Details Chefsache waren, warum soll dies ausgerechnet für das so wichtige Amerika-Geschäft nicht gegolten haben? Den Ausschussmitgliedern, so zeigen viele ihrer Fragen, fällt es ganz offensichtlich schwer, die Geschichte vom gutgläubigen Chef zu schlucken, der von den eigenen Ingenieuren ruchlos hintergangen wurde.

Denn der so riesige wie umkämpfte US-Automobilmarkt ist schon seit langem die ganz große Baustelle des Weltkonzerns VW. Toyota, der global schärfste Konkurrent, verkauft in den Staaten zeitweise siebenmal mehr Autos als die Wolfsburger. Die US-Kunden ticken anders als die deutschen. Kompakte Wagen, dazu zählt im Land der Straßenkreuzer nicht nur der Golf, sondern sogar die Familienkutsche Passat, sind verpönt. Gefragte Fahrzeugtypen wie große SUVs und Pickups hat VW aber lange Zeit gar nicht erst im Programm. Der Jetta, der von deutschen Kunden verschmähte Golf mit Kofferraum, zählt noch zu den beliebtesten VW-Modellen auf dem US-Markt. Nach Dieselfahrzeugen, einer VW-Spezialität, kräht zwischen New York und Los Angeles viele Jahre kein Hahn.

Das sollte sich nach dem Plan der VW-Strategen ändern, als auch in den USA Umweltschutz zunehmend ein Thema wird, manche Bundesstaaten strenge Abgasvorschriften erlassen und gleichzeitig das Benzin teurer wird. Ab Ende der 2000er Jahre sieht VW in den USA die Chance des Diesels gekommen – mit Sauberkeit als stärkstem Verkaufsargument. Ein blütenweißer Schal, der an den Auspuff eines Diesel-VWs gehalten wird, bleibt absolut rein – zumindest im US-Fernsehspot.

In Wirklichkeit ist die Mär vom „absolut sauberen Diesel eine glatte Lüge. Eine Software erkennt, wenn sich der Wagen auf dem Rollenprüfstand befindet.

Was es mit dem Rückruf einer halben Million VW-Dieselautos in den USA Anfang 2015 auf sich hat, inwiefern ihn der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch auf das brisante Thema schon im Frühjahr 2015 hingewiesen hat – all das lässt Winterkorn offen. Entsprechend enttäuscht lässt er nach zwei Stunden die Ausschussmitglieder zurück. Ulrich Lange (CSU) aus Nördlingen etwa sagt: „Er hat heute eine Chance verpasst, seiner persönlichen und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und zur Aufklärung beizutragen. Dies gilt gerade gegenüber den Kunden und den eigenen Mitarbeitern. Schlagzeilen über außerordentlich hohe Rentenzahlungen tragen jedenfalls nicht dazu bei, Vertrauen zurückzugewinnen.“ Lange spielt darauf an, dass Winterkorn nun zwar nicht mehr Deutschlands bestbezahlter aktiver Manager ist, nach Medienberichten aber noch die wohl höchste Rente der Republik kassiert. 3100 Euro sollen es sein – pro Tag.

 
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