Da blitzten sie für einen kurzen Moment wieder durch, die Schlagfertigkeit und der Witz der Angela Merkel. Als am Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Wahlsieger Armin Laschet bei seinem gemeinsamen Auftritt mit der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin im Konrad-Adenauer-Haus gefragt wurde, was er davon halte, dass ein Mitglied seines Landesverbandes, Finanzstaatssekretär Jens Spahn, bereits als Nachfolger Merkels gehandelt werde, sagte Laschet das, was man in solchen Situationen antwortet. „Wir stehen jetzt vor einer Bundestagswahl, wo wir eigentlich eine Kanzlerkandidatin haben. Und insofern denke ich, dass das kein Thema ist.“ Doch da hielt es Merkel nicht mehr aus und gab vor laufenden Kameras Kontra. „Nicht mal nur eigentlich. Sondern ganz real.“
Damit war für Merkel das Thema beendet. Jedenfalls bei der Pressekonferenz im Adenauer-Haus. Doch in der Union läuft die Diskussion, wer dereinst ihre Nachfolge antreten könnte und nach der Ära Merkel an der Spitze der CDU steht, schon seit längerem. Und sie dürfte auch nach dem kleinen Machtwort der Kanzlerin andauern.
Dabei fällt immer wieder ein Name: Jens Spahn aus dem Münsterland, der am Dienstag seinen 37. Geburtstag feierte, Staatssekretär im Finanzministerium und Mitglied im CDU-Präsidium, der sich mit wohl kalkulierten Angriffen gegen die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik als Wortführer der Konservativen in der CDU profiliert hat und damit in die Fußstapfen eines Friedrich Merz oder Wolfgang Bosbach, beide ebenfalls aus NRW, tritt.
Seitdem der britische „Guardian“ im August letzten Jahres ein Porträt des ebenso selbstbewussten wie ehrgeizigen Nachwuchspolitiker mit dem Titel „Jens Spahn: der Mann, der Merkel als Kanzler ablösen könnte“ veröffentlichte, hat die Diskussion an Fahrt gewonnen. Und der neue Star des rechten Flügels lässt keine Gelegenheit aus, sich in dieser Rolle zu präsentieren. In den TV-Talkshows ist er Dauergast, er eilt von Termin zu Termin und schafft es regelmäßig in die Schlagzeilen, wenn er lautstark ein Burka-Verbot oder ein Islamgesetz fordert, Innenminister Thomas de Maiziere in der Leitkultur-Debatte verteidigt oder Außenminister Sigmar Gabriel kritisiert, wenn dieser mehr Geld für Brüssel ins Gespräch bringt.
Der Höhepunkt war sein Auftritt auf dem CDU-Parteitag in Essen im letzten Dezember: Vehement unterstützte Spahn den Antrag der Jungen Union, den Doppelpass abzuschaffen und zum Optionsmodell zurückzukehren – womit er sich sowohl mit Angela Merkel und Generalsekretär Peter Tauber als auch Innenminister Thomas de Maiziere anlegte – und gewann. Dass Merkel ihn hinterher zum Vier-Augen-Gespräch zitierte und ihm ihre Meinung kundtat, schadete ihm nicht.
Denn Spahn, der sich zu seiner Homosexualität offen bekennt und mit seinem Partner zusammenlebt, hat einen mächtigen Gönner, der seine schützende Hand über ihn hält: Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der Badener unterstützte ihn im Vorfeld des Parteitags im Dezember 2014, als sich Spahn für einen Sitz im siebenköpfigen Präsidium bewarb, vor einer Kampfkandidatur gegen den früheren Generalsekretär und amtierenden Gesundheitsminister Hermann Gröhe nicht zurückschreckte und die Abstimmung gewann. „Er ist mir als einer der Streitlustigeren in der Partei und im Parlament aufgefallen“, sagte Schäuble damals über ihn. „Damit kann er einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen, aber das gefällt mir.“
Enge Kontakte pflegt Spahn zur rheinland-pfälzischen Landeschefin Julia Klöckner und zu JU-Chef Paul Ziemiak. Als Kritiker der Merkel?schen Flüchtlingspolitik war Spahn ein gefragter Mann. Doch der Wind hat sich wieder gedreht. Die Flüchtlingspolitik hat an Bedeutung verloren, Angela Merkel schwimmt wieder auf einer Welle der Zustimmung. Und die Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewannen drei Politiker, die den Kurs Merkels unterstützten, dem liberalen Flügel der Partei angehören und in jeder Beziehung das Gegenteil von aufmüpfigen Rebellen sind.