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BERLIN
Wie werden die Menschen vor Atomunfällen geschützt?
AKW Cattenom       -  Das Atomkraftwerk Cattenom nahe der deutsch-französischen Grenze.
Foto: Christophe Karaba, dpa | Das Atomkraftwerk Cattenom nahe der deutsch-französischen Grenze.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 28.10.2016 03:54 Uhr

Europa regelt alles, von der Krümmung der Gurke bis zu den Telefontarifen. Doch ausgerechnet beim Schutz der Bevölkerung im Falle eines Unfalls in einem Atomkraftwerk gibt es in den einzelnen Mitgliedsländern erhebliche Unterschiede, die zum Teil deutlich voneinander abweichen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Karlsruhe) hervor, die der Redaktion vorliegt.

Hunderttausende betroffen

Von diesen Unterschieden sind nach Ansicht der Atomexpertin der Grünen auch Hunderttausende Deutsche betroffen, die im grenznahen Gebiet in der Nähe zu einem ausländischen Atomkraftwerk leben. Dies gilt vor allem für die Einwohner in Nordostbayern im Umfeld des tschechischen Atomkraftwerks Temelin, das nur etwa 57 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist, sowie für die Menschen im dicht besiedelten Oberrheingraben in Baden, die im Umfeld der französischen Anlagen in Fessenheim und Cattenom leben. So hat Tschechien, wie die Bundesregierung mitteilte, bislang für die Evakuierung seiner Bevölkerung im Falle eines Atomunfalls noch nicht einmal eine Evakuierungszone festgelegt. Und die Zone, innerhalb der die Bevölkerung mit Jodtabletten versorgt werden muss, hat lediglich die Größe von 1,7 Prozent der entsprechenden deutschen Zone.

„Im Fall der Fälle wird da absolutes Chaos ausbrechen“, kritisiert Kotting-Uhl. Das werde auch für die Bevölkerung im grenznahen Gebiet nicht ohne Folgen bleiben. „Je chaotischer der Zustand im Unfallstaat, desto schlechter der Informationsaustausch und das Krisen-Management – und damit desto schlimmer und länger andauernd der Ausnahmezustand.“

In Deutschland wurden nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die Gesetze deutlich verschärft und drei Sicherheitszonen mit einem Radius von fünf, 20 und 100 Kilometer rund um das betroffene Atomkraftwerk festgelegt. So muss die Bevölkerung in der Zentralzone innerhalb von sechs Stunden komplett evakuiert werden, in der Mittelzone sollte eine Evakuierung nach 24 Stunden abgeschlossen sein und in der Außenzone muss die Verteilung von Jodtabletten sichergestellt werden. Diese Bestimmungen gelten auch für die Deutschen in der Nähe eines ausländischen Atomkraftwerks. Tschechien dagegen hat keine Evakuierungszone festgelegt, Jodtabletten gibt es nur für Menschen, die in einem Umkreis von 13 Kilometer um Temelin leben. In Frankreich hat die Evakuierungszone die Größe von nur 6,25 Prozent der entsprechenden deutschen Zone, bei der Jodversorgung ist es sogar nur ein Prozent. Lediglich in der Schweiz entsprechen die Regelungen den deutschen Gesetzen.

„Auf schnelle Abhilfe drängen“

Für Sylvia Kotting-Uhl sind diese unterschiedlichen Regelungen nicht akzeptabel. „Warum die Bundesregierung hier nicht längst Alarm geschlagen hat und vehement auf Verbesserungen besteht, ist mir unverständlich“, sagte sie der Redaktion. Gegenüber Tschechien und Frankreich, aber auch den Niederlanden und Belgien, wo es ebenfalls Atomkraftwerke in Grenznähe gebe, müsse Berlin „auf schnelle Abhilfe drängen“.

 
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