Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Nachdem die Union in den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2013 ihre Mütterrente durchgesetzt hatte, konnte sie der SPD den Wunsch nach der Rente mit 63 schlecht abschlagen. Beide Reformen, die zusätzlichen Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, und die Rente ohne Abschläge nach 45 Versicherungsjahren, kosten Steuer- und Beitragszahler weit über zehn Milliarden Euro pro Jahr.
Nun rückt die nächste Bundestagswahl näher und wieder ist die Rente ein Thema. Diesmal allerdings geht es nicht darum, neue Wohltaten zu verteilen, sondern Altersarmut zu verhindern. Ohne eine Kurskorrektur, warnt CSU-Chef Horst Seehofer, werde die Hälfte der Rentner irgendwann in der Sozialhilfe landen. Hat er recht?
Gesetzliche Rente
Auf den ersten Blick läuft es nicht so schlecht für die 21 Millionen Rentner in Deutschland. Im Juli steigen ihre Altersgelder um 4,35 Prozent im Westen und um 5,03 Prozent im Osten.
Mit knapp 48 Prozent eines Durchschnittslohns liegt das Rentenniveau noch leicht über Plan, im Jahr 2030 aber werden es nur noch 43,5 Prozent sein – eine Folge der rot-grünen Rentenreform, die im Gegenzug zur Einführung der Riester-Rente die gesetzliche Rente gekürzt hat.
Im Moment leben zwar nur drei Prozent der über 65-Jährigen von Sozialhilfe, sicher aber ist eines: Ohne private Vorsorge werden viele Beschäftigte im Alter ihren Lebensstandard nicht halten können. „Die gesetzliche Rente“, sagt der CSU-Sozialexperte Stephan Stracke, „ist nicht mehr die alleinige Versicherung fürs Alter.“
Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel wollen nun die Rentenformel ändern und das Rentenniveau wieder anheben. Zu bezahlen hätten das Arbeitgeber und Arbeitnehmer über ihre Beiträge – oder der Steuerzahler. Um das Rentenniveau auf 50 Prozent eines Durchschnittslohns anzuheben, wie es die Gewerkschaften fordern, müssten der Beitragssatz von derzeit 18,7 auf mehr als 24 Prozent steigen. Alternativ dazu könnte der Bund seinen Zuschuss an die Rentenkassen erhöhen – von knapp 90 auf deutlich über 100 Milliarden Euro.
Beides gilt als wenig wahrscheinlich. Seehofers Schreckensszenario von Millionen Rentnern, die auf die Fürsorge angewiesen sind, hält die Deutsche Rentenversicherung ohnehin für „nicht nachvollziehbar.“ Dennoch werden sich Union und SPD bis zur Wahl vermutlich auf eine Art Mindestrente von rund 800 Euro im Monat einigen, um Versicherten mit kleinen Renten den Gang zum Amt zu ersparen. Voraussetzung: Sie haben mindestens 40 Jahre gearbeitet.
Riester-Rente
Benannt nach ihrem Erfinder, dem früheren Sozialminister Walter Riester (SPD), soll sie die Einbußen bei der gesetzlichen Rente wettmachen.
Beschäftigte, die vier Prozent ihres Einkommens in einen privaten Vorsorgevertrag stecken, belohnt der Staat mit Zulagen, die bei einem Sparer mit drei kleinen Kindern mehr als 1000 Euro im Jahr betragen können.
Bisher allerdings kosten nicht nur die hohen Provisionen und Gebühren Rendite, auch das niedrige Zinsniveau macht das Riestern unattraktiv. Außerdem haben vor allem Gut- und Besserverdiener einen der mehr als 16 Millionen Verträge abgeschlossen, Armut im Alter verhindert also auch die Riester-Rente nicht.
Eine Alternative könnte das schwedische Modell sein, bei dem die Beschäftigten zum Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet sind und zwischen mehreren staatlich zertifizierten Fonds wählen können, in die sie dann 2,5 Prozent ihres Einkommens einzahlen. Vorteil: Da weder Abschlussprämien noch Gebühren anfallen, sind die Renditen höher, auch der Wechsel zwischen den Fonds ist deutlich einfacher als bei Riester.
In Deutschland machen sich bisher lediglich die Grünen für ein ähnliches Modell stark. Union und SPD hadern zwar ebenfalls mit der Riesterei, stellen sie mit Ausnahme von Seehofer aber noch nicht komplett infrage.
Es gehe weniger um eine Abschaffung der Riester-Rente, sagt sein Parteifreund Stracke, sondern um eine Vereinfachung und Verbesserung, damit sich das Sparen auch für Geringverdiener lohne. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt er vor allem eine Devise aus: „Weniger Provision, mehr Rendite.“
Betriebsrente
Knapp 18 Millionen Beschäftigte haben Anspruch auf eine Betriebsrente. Ginge es nach Sozialministerin Andrea Nahles (SPD), wären es bald deutlich mehr. Im Gespräch sind Steuervorteile für kleine Betriebe, die ihren Belegschaften eine Firmenrente anbieten, sowie staatliche Zulagen für Geringverdiener. Sie haben häufig nicht die Mittel, Teile ihres Lohnes im Rahmen einer Entgeltumwandlung fürs Alter zur Seite zu legen. Ein Gutachten des Würzburger Professors Dirk Kiesewetter für das Finanzministerium moniert überdies, dass bei der Auszahlung der Betriebsrenten der volle Krankenkasse- und Pflegebeitrag fällig wird. Gegenwärtig haben 60 Prozent der Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge, laut Koalition soll dieser Wert auf 80 Prozent steigen.