Donald Trumps Angst vor der Untersuchung seiner Russland-Kontakte war gewaltig. „Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin am Arsch“, zeterte er im Mai 2017 hinter den verschlossenen Türen des Oval Office, als er von der Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller erfuhr. Umso triumphierender fiel die Reaktion des Präsidenten aus, als knapp zwei Jahre später am Donnerstag Muellers Bericht veröffentlicht wurde. „Wie ich immer gesagt habe: Keine Verschwörung – keine Justizbehinderung“, jubelte er bei Twitter.
Die oppositionellen Demokraten kommen zu einem ganz anderen Urteil. „Der Mueller-Report zeichnet das verstörende Bild eines Präsidenten, der ein Netz von Betrügereien, Lügen und unangemessenen Verhaltensweisen gesponnen hat und so handelt, als wenn das Gesetz für ihn nicht gelte“, empörte sich Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses.
Tatsächlich kann man den 448-seitigen Bericht des Sonderermittlers, der an einigen Stellen von Justizminister William Barr geschwärzt wurde, nicht als Freispruch für Trump oder als „Demütigung des Pressecorps des Weißen Hauses“ interpretieren, wie der Präsident das tat. Im Gegenteil bestätigt die detailreiche Untersuchung zahlreiche Medienberichte über Trumps Versuche, die Ermittlungen zu behindern sowie Mueller zu feuern, und weist dem Präsidenten eine systematische Täuschung der Öffentlichkeit nach.
Mueller: Trump hat zehn Mal versucht, Behörden zu behindern
Muellers Team hat in Gesprächen mit mehr als 100 Zeugen zu klären versucht, ob es Absprachen zwischen dem Trump-Lager und Vertretern Russlands im Wahlkampf gab und Trump anschließend die Justiz bei der Aufklärung behindert hat. Im ersten Fall kann Trump einen Punktsieg verbuchen: Zwar listet der Bericht zahlreiche, teilweise merkwürdige Kontakte mit Moskau auf, doch kann er eine Verschwörung nicht nachweisen.
Hingegen hat Trump nach Muellers Erkenntnissen zehn Mal versucht, die Behörden zu behindern. Öffentlich hat er dies stets bestritten. So verlangte er von Ex-FBI-Chef James Comey sehr wohl, ihm bedingungslose Loyalität zu versprechen. Als dieser sich weigerte, wurde er vom Präsidenten gefeuert. Trump versuchte dann vergeblich, die Personalentscheidung seinem Vize-Justizminister Rod Rosenstein in die Schuhe zu schieben. In einer Pressekonferenz behauptete Trumps Sprecherin Sarah Sanders anschließend, unzählige FBI-Agenten hätten das Vertrauen in Comey verloren. Diese Aussage habe sie frei erfunden, gestand Sanders nun bei der Mueller-Vernehmung.
Es gab mehrere Versuche, den Sonderermittler zu feuern
Entgegen seiner Darstellung hat Trump auch mehrfach versucht, Mueller zu feuern. So forderte er seinen damaligen Rechtsberater Don McGahn im Juni 2017 auf, den unliebsamen Sonderermittler rauszuwerfen. McGahn weigerte sich. Die Beziehung zu seinem Ex-Anwalt Michael Cohen, der das Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels überwies, hat Trump ebenfalls falsch dargestellt. Er kenne den Mann kaum, behauptete er. Tatsächlich bedankte er sich im Februar 2018 per SMS ausdrücklich für seine Dienste.
„Zwar schlussfolgert dieser Bericht nicht, dass der Präsident Straftaten begangen hat“, beendet Mueller seine Untersuchung: „Aber er spricht ihn auch nicht frei.“ Das besorgte Justizminister Barr, der kurzerhand erklärte, der Präsident sei über die Untersuchung verständlich verärgert gewesen und habe sich nur gewehrt. Diese Deutung empört viele Demokraten. „Es ist jetzt Aufgabe des Kongresses, den Präsidenten für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen“, widersprach Jerry Nadler, der Vorsitzende des Justizausschusses.
Die Demokraten bestehen auf der Aushändigung des unzensierten Berichts und wollen Mueller und Barr in Parlamentsausschüssen anhören. Die Forderung der Parteilinken um Alexandria Ocasio-Cortez nach einem Amtsenthebungsverfahren wird von der Fraktionsspitze aber gedämpft. Für einen erfolgreichen Abschluss wären nämlich die Stimmen von 20 Republikanern erforderlich, die sich verweigern. „Auf der Basis dessen, was wir bislang gesehen haben, lohnt es sich nicht, ein Impeachment anzustreben“, urteilte der Mehrheitsführer Steny Hoyer nüchtern.