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BUDAPEST
Wie sich Ungarn einbunkert
Security at Hungarian-Serbian border near Roszke       -  Grenzpatrouille: Ungarische und polnische Polizisten und Soldaten sichern die mit Zaun und Stacheldraht bewehrte Grenze zwischen Ungarn und Serbien.
Foto: Zoltan Gergely Kelemen, dpa | Grenzpatrouille: Ungarische und polnische Polizisten und Soldaten sichern die mit Zaun und Stacheldraht bewehrte Grenze zwischen Ungarn und Serbien.
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 10.10.2016 03:36 Uhr

Am Sonntag lässt Ungarns Regierungschef Viktor Orbán sein Volk darüber abstimmen, ob Ungarn Flüchtlinge aufnehmen soll. Mehr als ein Jahr hat die Wahlkampagne gedauert und zweistellige Millionenbeträge verschlungen. Doch das Referendum richtet sich nur vordergründig gegen die von der EU beschlossenen Quoten, wonach Ungarn in diesem Jahr 1240 Asylbewerber aufnehmen soll. Es gibt auch innenpolitische Gründe, warum sich Orbán als Rebell gegen die EU und Verteidiger des Abendlandes stilisiert.

Anfang 2015 hat der rechtspopulistische Regierungschef seine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament verloren. Seither sieht er sich unter Druck – auch, weil in seinem Umfeld Korruption und Vetternwirtschaft blühen. Mit dem Flüchtlingsthema will er seine Macht festigen.

Wenn sich Ungarn mit einem oder demnächst zwei Stacheldrahtzäunen an der Grenze zu Serbien und Bulgarien „verteidigt“, dann schützt diese Grenzsicherung nach Orbáns Verständnis auch Österreich und Deutschland. Der Ungar meint, es gebe zwei einander ausschließende „Ideologien“ in der EU: „Die einen sagen, dass man in Zeiten der Globalisierung Völkerwanderungen nicht aufhalten kann. Die anderen glauben, dass unsere Landesgrenzen und unsere Zivilisation bestehen bleiben müssen“, erklärte er nach dem Flüchtlingsgipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende in Wien.

„Wir müssen uns darauf verständigen, dass wir die Völkerwanderung nicht hereinlassen“, sagt Orbán. Er sei zwar bereit, „softer zu formulieren, wie Angela Merkel es fordert“, aber es sei schwer, nicht in eine militärische Sprache zu verfallen, sagt der Politiker. Eine „europäische Verteidigungslinie“ sei dort auszubauen, wo Flüchtlinge einreisen. „In der technischen Epoche des 21. Jahrhunderts kann man beliebig viele Menschen aufhalten“, sagte er. Wie die USA ihre Grenzen schützen, sei „nicht sympathisch. Aber diese Dinge gehören zum zukünftigen Leben der Menschen“, kündigte er an und schloss einen neuen „Eisernen Vorhang“ nicht aus. Wenn Griechenland die ankommenden Flüchtlinge nicht zurückschicke, müsse die Grenze im Norden Griechenlands errichtet werden.

An der Küste Libyens solle dagegen eine „gigantische Flüchtlingsstadt“ erbaut werden, um Italien zu schützen. Dazu müsse die EU das Waffenembargo gegen Libyen aufheben und die neue Regierung von Libyen unterstützen.

Orbán bedauert, dass es EU-intern keine Einigkeit darüber gibt, wo die von ihm geforderte EU-Verteidigungslinie verlaufen solle. „Ein Teil der führenden Politiker glaubt, das Recht auf ein besseres Leben stehe allen zu“, sagte er. „Wenn wir diesem Gedanken nachgeben, dann macht dies Europa, seine Kultur und sein Wirtschaftssystem kaputt, und es hilft auch jenen nicht, die hierher gekommen sind.“ Die EU stehe deshalb vor der historischen Frage, „welche Position wir, Europäer, Ungarn, Christen zur Völkerwanderung einnehmen sollen“.

Dies ist das Thema, das im Hintergrund steht, wenn die Ungarn am Sonntag über die Frage entscheiden: „Wollen Sie, dass die Europäische Union ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischen Bürgern in Ungarn anordnet?“ Mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten, also vier Millionen Ungarn, müssen teilnehmen, damit die Volksabstimmung gültig ist. Gelingt dies und stimmt die Mehrheit mit „Nein“, erwägt Orbán eine entsprechende Verfassungsänderung.

 
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