Karlheinz Schreiber hat sich in Schale geworfen für diesen Tag: Dunkles Sakko mit Goldknöpfen, karierte Hose, ein Anstecker mit der kanadischen Flagge am Revers. Auch scheint er im Vergleich zu anderen Prozesstagen recht munter zu sein. Schon vor Wochen hatte er in einer Verhandlungspause auf der Toilette geraunzt, ihm reiche es, er werde auspacken. Nun war also der Tag, an dem der frühere Rüstungslobbyist seine Sicht der Dinge ausführlich schildern sollte.
Schreiber lässt seine Verteidiger Jens Bosbach, Frank Eckstein und Jan Olaf Leisner eine Erklärung von insgesamt 125 Seiten vorlesen. Fertig werden die Anwälte nicht. Am Freitag wird das Verfahren fortgesetzt. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Fragen offenbleiben. Die umfangreiche Aussage hinterlässt einen sehr zwiespältigen Eindruck: Schreiber wirft mit Daten, Namen und Geldbeträgen nur so um sich. Er belastet Politiker und Geschäftsleute, die längst tot sind und sich also nicht wehren können.
Auf der anderen Seite nennt er konkrete Spendenbeträge und deren Empfänger. Ob sich diese Parteispenden im legalen Bereich bewegten, bleibt unklar. Und Schreiber versucht zu erklären, wie damals, Anfang der 90er Jahre vor dem Hintergrund des ersten Golfkriegs ein Spürpanzer-Geschäft zwischen Deutschland und Saudi-Arabien abgelaufen ist. Die Lieferung von „Fuchs“-Spürpanzern sei damals angesichts der Angst vor einem Einsatz chemischer Waffen politisch gewollt gewesen. Die Lieferung sei auf höchster Ebene – zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Außenminister James Baker – ausgehandelt worden. Insofern habe es, so Schreiber, überhaupt keinen Sinn gemacht, den damaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ludwig-Holger Pfahls, zu bestechen. Pfahls habe keine Entscheidungsbefugnis gehabt, so Schreiber. Ähnlich hatte sich Helmut Kohl selbst im ersten Augsburger Prozess gegen Pfahls im Jahr 2005 geäußert.
Schreiber bestreitet also, Pfahls bestochen zu haben. Er gibt aber dennoch zu, ihm vor zwei Jahrzehnten Millionenbeträge gegeben zu haben. Dabei soll es sich aber nach den Worten Schreibers um Spenden für die CSU gehandelt haben. „Es ist eine Farce, weiter zu behaupten, ich hätte Pfahls mit 3,8 Millionen Mark bestochen“, heißt es in der Erklärung. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wisse das auch. Dennoch habe man an dieser Version festgehalten.
Die Justiz habe sich mit diesen Details beschäftigt, sei aber nie einer wesentlichen Frage nachgegangen: Warum hat Saudi-Arabien für die Spürpanzer wissentlich 220 Millionen Mark zu viel bezahlt? Und wohin floss dieses Geld?
Als historisch belegt gilt inzwischen, dass die Saudis einen deutlich überhöhten Preis bezahlten. Nach Schreibers Darstellung taten sie das bewusst. Es sei um „politische Landschaftspflege“ in Deutschland und anderen europäischen Ländern gegangen. Hintergrund sei gewesen, dass Saudi-Arabien unbedingt Leopard-II-Panzer haben wollte, eine Lieferung aber am Widerstand Israels gescheitert sei. Mit dem gewaltigen Betrag sollten laut Schreiber „Widerstände überwunden“ werden. Die Firma Thyssen, für die Schreiber damals als Lobbyist arbeitete, sei nur zur Umsetzung des Geschäfts hinzugezogen worden.
Schreiber selbst habe das Saudi-Geld dann mithilfe seiner Schweizer Konten weiterverteilt. Er benennt konkrete Summen und Empfänger von CDU, CSU, SPD und FDP. Er hat aber keine Belege. Hinter den Tarnnamen in seinem Kalender, erklärt Schreiber, stünden auch verschiedene politische Richtungen.
In dem Revisionsprozess in Augsburg geht es um eine mögliche Steuerhinterziehung von rund 7,5 Millionen Euro zwischen 1988 und 1993. Schreiber soll für die Vermittlung von Rüstungsgeschäften hohe Provisionen erhalten haben. 2010 wurde er vom Landgericht Augsburg zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf. In der Neuauflage geht es um die Frage, ob Schreiber in Deutschland oder Kanada steuerpflichtig war und ob die Bestechung des Ex-Staatssekretärs Pfahls tatsächlich verjährt ist, wie vom Gericht 2010 angenommen.