Denkt Nicolas Sarkozy an eine Karriere als Vortragsreisender, als Geschäftsmann oder an ein Netzwerk für eine Rückkehr in die Politik? Die Signale sind unterschiedlich. Und so beschäftigt der Ex-Präsident weiterhin die Franzosen.
Der Satz ist fast ein Jahr alt, hallt aber immer noch nach. „Wenn ich geschlagen werde, werdet ihr nie wieder von mir reden hören.“ Nicolas Sarkozy hat ihn vor der Wahl im Mai ausgesprochen, als alle Umfragen seine Niederlage gegen den Sozialisten François Hollande voraussagten. Doch der Präsident selbst glaubte bis zuletzt hartnäckig an seinen Sieg, wie Ex-Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire in seinem neuen Buch „Tage der Macht“ beschreibt. „Ich sage es dir, Bruno, es läuft gar nicht schlecht“, habe er noch erklärt, als ihm längst die Macht entglitt.
Neun Monate später beschäftigt Sarkozy noch immer die Franzosen, die ihn doch am Tiefpunkt seiner Popularität abgewählt haben, und die Medien, denen er unfaire Hetze vorwarf. Trotz seiner Vorliebe für schweißtreibende Radtouren und der Versicherung, er wolle sich nun mehr seiner Familie widmen, kann sich kaum einer den einstigen „Hyper-Präsidenten“, der Büroräume in unmittelbarer Nähe des Élysée-Palastes bezogen hat, nun plötzlich als ausgeglichenen Frührentner vorstellen.
Doch wohin es ihn zieht, bleibt unklar. Will Sarkozy jetzt als Vortragsreisender „richtig Kohle machen“ wie Tony Blair oder Bill Clinton, wie er es einmal sagte? Oder bereitet er seine Rückkehr in die Politik vor? Seine Ankündigung, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, hat sich jedenfalls nicht bestätigt. Man hört nach wie vor von Nicolas Sarkozy reden. Sehr viel sogar.
Vor einigen Tagen streute das investigative Internet-Magazin „Mediapart“ das Gerücht, der Ex-Präsident, der unlängst seinen 58. Geburtstag feierte, plane die Gründung eines Investitionsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro und erwäge sogar den Umzug nach London. Sein Umfeld dementierte unmittelbar, selbst „Mediapart“-Chef Edwy Plenel räumte ein, „definitiv entschieden“ sei Sarkozy noch nicht. Aber er stricke an seinem Netzwerk.
Mehrmals trat er in den vergangenen Monaten auf großen Konferenzen in New York, Singapur und Doha und kürzlich beim Weltwirtschaftsforum in Davos auf, im Herbst traf er den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem „privaten Besuch“.
Die Französin Florence Cassez lud er zum Essen ein. Sie war nach sieben Jahren in Haft in Mexiko freigekommen, da ihr Prozess von massiven Unregelmäßigkeiten überschattet war. Die Behörden hatten ihr Geiselnahme vorgeworfen.
„Er hat mir das Leben gerettet“, erklärte sie bei ihrer Ankunft in Paris. Von Sarkozy heißt es, er ärgere sich, dass er sich stark für Cassez eingesetzt habe, nun aber sein Nachfolger die Lorbeeren ernte – ohne sein Engagement auch nur zu erwähnen.
Hatte Präsident Hollande seinen Vorgänger Sarkozy zunächst ständig verächtlich „Antivorbild“ genannt, so ignoriert er ihn nun ganz. Als der Élysée-Palast auf seiner überarbeiteten Internet-Seite jeden Bezug auf Sarkozy löschte, stellte der Verein der „Freunde Nicolas Sarkozys“, gegründet von seinem Vertrauten und Ex-Innenminister Brice Hortefeux, alle Reden, Videos und Fotos online. „Jahrelang war er das Ziel einer Verunglimpfungs- und Verleumdungskampagne von nie da gewesener Brutalität“, wird auf der Vereins-Homepage beklagt.
Auch beim Militäreinsatz französischer Truppen in Mali sei er nicht nach seiner Expertise gefragt worden – dem Magazin „L'Express“ zufolge kritisiert Sarkozy das Vorgehen der Regierung, die sich nicht ausreichende internationale Hilfe zugesichert habe. „Was hätte man gesagt, wenn ich das gemacht hätte!“
Im August hatte er gemeinsam mit dem Chef der syrischen Opposition in einem Kommuniqué die internationale Gemeinschaft zum schnellen Handeln gegen das syrische Regime aufgerufen: Eine ungewöhnliche Einmischung für einen ehemaligen Präsidenten.
Die Spekulationen, er dränge zurück in die Politik vor, reißen nicht ab. Am lautesten wurden sie vor einigen Wochen beim Streit um die Führung der bürgerlich-konservativen UMP nach der unsauberen Wahl zwischen Ex-Premierminister François Fillon und Ex-Generalsekretär Jean-François Copé. Er schien zu zeigen, wie groß die von Sarkozy gelassene Lücke war: Die Rufe nach einer Rückkehr wurden lauter.
Als er jedoch seine Autorität wiegen lassen wollte und den Streithähnen ein Ultimatum für die Lösung des Konflikts setzte, verstrich dieses ergebnislos. Bis zu einer neuen Wahl im September 2013 ist Copé Parteichef – ein Mann von ähnlich kompromisslosem Ehrgeiz wie Sarkozy, der ihm wohl nicht kampflos das Feld überlassen würde.
Außerdem ermittelt die Justiz in mehreren Skandalen. Es besteht der Verdacht, Sarkozy habe 2007 illegale Wahlkampfspenden von der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen. und der Vorwurf, er habe mit Steuergeldern Meinungsumfragen durch das Institut eines Nahestehenden durchführen lassen. Nun wurde der Vorwurf laut, Sarkozy habe UEFA-Chef Michel Platini zur Zustimmung der WM-Vergabe 2022 an das Emirat Katar gedrängt, das im Gegenzug in den französischen Fußball investierte.
Es gibt noch einen Grund gegen eine Rückkehr in die Politik: Sarkozys Frau Carla Bruni. Das frühere Top-Model gilt als erleichtert, der Dauerbeobachtung und -kritik entkommen zu sein und sich nun wieder ihrer Karriere als Chansonsängerin widmen zu können. Kürzlich veröffentlichte sie die erste Single ihres im April erscheinenden Albums „Little French Songs“.
Auch von der ehemaligen Premiere Dame ist weiterhin zu hören. Sie hat aber auch nie das Gegenteil behauptet.