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Wie Jens Spahn die Welt ein Stückchen besser machen will
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 17.07.2017 04:03 Uhr

Es dauert keine zehn Sekunden – und schon ist Jens Spahn mitten im Geschehen. Samstagmorgen am Wahlkampfstand der CSU in der Würzburger Innenstadt, knapp 20 Meter neben dem Dom. Jens Spahn, 37, CDU-Vize und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, ist auf Wahlkampftour durch Bayern und Baden Württemberg. Hier fühlt sich der Münsterländer wohl. „Der Menschenschlag ist ähnlich“, sagt er. Und auch politisch ist Spahn den bayerischen CSU-Kollegen nahe. Er stimmt überein mit der Zuwanderungspolitik von CSU-Chef Horst Seehofer. Und auf dem CDU-Parteitag im Dezember hat er gegen den Willen der Kanzlerin einen Beschluss gegen die doppelte Staatsbürgerschaft durchgesetzt. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat Spahn kürzlich sogar als „konservativen Gegenspieler“ der Kanzlerin beschrieben und ihm eine Karriere für die Post-Merkel-Ära prophezeit.

Spahn wartet noch auf den richtigen Zug

Am Wahlkampfstand in Würzburg wird Jens Spahn darauf angesprochen. „Artikel dieser Art sind selten objektiv“, antwortet er, während die Glocken des Doms läuten. Später, im kurzen Gespräch mit dieser Redaktion, wird Spahn etwas deutlicher: „Es gibt Momente, da stehst Du mit gepackten Koffern am Bahnhof – und der Zug fährt durch“, sagt er. Sein Moment scheint also noch nicht gekommen zu sein. Vielleicht war es aber auch nur noch nicht der richtige Zug? „Nein“, sagt er. „Ich mache gerne, was ich tue. Und den Rest, schau' mer mal.“

Dass Spahn nicht gerade zu den Lieblingsbuben der Kanzlerin gehört, ist bekannt. Er will Rückgrat zeigen, für seine teils sehr konservativen Positionen werben. Doch er will nicht der Hardliner sein, nicht derjenige, der andere partout von seiner Meinung überzeugen will. „Jeder muss für sich entscheiden, wann der Moment gekommen ist, auch mal gegen die herrschende Fraktionsmeinung abzustimmen“, sagt er und blickt dabei zum Würzburger CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder, den Spahn an diesem Morgen im Wahlkampf unterstützt.

Gegen Vollverschleierung

„Das ist dann der Moment, wo wir das Gewissen entdecken, schneller als es Angela Merkel erlaubt“, fährt Lehrieder dazwischen. Auch er gehört nicht zu den Lieblingsbuben der Kanzlerin. „Mich duzt sie nicht“, klingt Lehrieder fast schon ein wenig enttäuscht. Für seine konsequente Ablehnung der Griechenland-Hilfen ist er bei manchem Unionskollegen in Ungnade gefallen.

Spahns konservativer Kurs kommt an. Einer Frau spricht er damit besonders aus dem Herzen. „Sie vertreten in allen Punkten meine Meinung“, sagt die Dame. Dann reden die beiden über Vollverschleierung. Die Frau schildert ihre Erschrockenheit, als ihr einmal muslimische Frauen mit Burka begegnet sind. Spahn ist ganz bei ihr, er ist „burkaphob“, gehört zu den Ersten in der CDU, die sich nachhaltig für ein Verbot der Vollverschleierung einsetzten. Und er würde gerne noch weiter gehen, sagt er der Wählerin. Wie weit, lässt er offen. Aber der Frau ist das egal. Sie hat jemanden gefunden, der ihre Erschrockenheit, ihre Aufregung teilt. Das war ihr wichtig. Und Spahn weiß das. Clever schlägt er sich auf ihre Seite. Er weiß, seine Position ist mittlerweile auch massentauglich – vertiefen will er sie aber dann doch (noch) nicht.

Spahn will für ein Einwanderungsgesetz kämpfen

Andere sprechen mit ihm über den Hunger in der Welt, über den Klimawandel und Afrika. Freilich könnte der 37-Jährige zu jedem dieser Themen eine 30-minütige Rede aus den Ärmeln schütteln. Er lässt es. Stattdessen sagt er: „Wir müssen die Welt jeden Tag ein Stückchen besser machen.“ Den Passanten, die mit ihm eigentlich über die Rettung des Planeten sprechen wollen, ist das zu oberflächlich. Sie wollen tiefer gehen, über Einwanderung reden. Und Spahn geht mit. „Ja, wir wollen doch ein Einwanderungsgesetz machen. Dafür kämpfen wir seit Jahren. Besser spät als nie“, sagt er. Und ist damit schon wieder nicht der gleichen Meinung wie die Kanzlerin.

Dann wird wieder über Afrika gesprochen. Mit geduldiger Empathie hört Spahn zu, erwidert zurückhaltend, auch wenn die Fragen deutlicher werden und eine gewisse Nähe zur AfD bei den Fragestellern offensichtlicher wird. Spahn ist das gleich, obwohl er natürlich längst begriffen hat, mit welchem Klientel er es zu tun hat. Vielleicht ist es gerade das, was ihn charakterisiert. Er will ins Gespräch kommen. Diskussionen anstoßen – und dann den Dingen ihren Lauf lassen. Sehen, wie Positionen sich ändern.

Die Brechstange wird er nicht brauchen

Von der Jungen Union, deren Bezirkstag Spahn noch am Morgen besuchte, bekam er eine Brechstange geschenkt. Für den Fall, dass er mal wieder verkrustete Strukturen aufbrechen muss. Dabei ist er gar nicht der Typ für die Brechstange. Sanft wirbt er für sich, für seine Haltung, für seine Ziele. Das wird in vielen Gesprächen an diesem Vormittag deutlich. Wenn er jemanden gewonnen hat, ist er zufrieden. Schafft er es nicht, versucht er es beim Nächsten. Stets ganz entspannt.

Es wird noch ein paar Jahre brauchen, bis er in den Zug ins Kanzleramt steigt. Er darf ihn nur nicht verpassen.

 
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