Wäre dies ein Roman, man könnte von einer Schlüsselstelle sprechen. 1919, es ist Herbst, fünf Uhr morgens, ein Soldat, 30 Jahre alt, erwacht in der Kaserne, wie es seine Art ist, vor allen anderen. Er hatte immer Künstler werden wollen. Nun jedoch ist er im Ersten Weltkrieg gewesen, hat den Kampf an der Front als den von Helden erlebt, sich selbst darunter als einen von Millionen. Zu dieser frühen Stunde, in dieser Stille aber legt er sich oft gerne noch ein bisschen auf den Boden der Stube und schaut den Mäusen zu, wie sie versuchen, aus allen Ritzen das Lebensnotwendigste zusammenzukratzen.
Der Soldat erinnert sich dabei an seine eigene Jugend, die schwere Zeit der Armut, er: ein Nichts und Niemand. An diesem Morgen aber, wiederum liegend, hält er dazu ein Blättchen in Händen. Es ist die Werbeschrift einer neuen, bis dahin gerade mal sechs Mitglieder zählenden Vereinigung in München, der „Deutschen Arbeiterpartei“. Der Soldat liest und weiß, dass in deren Zielen seine politischen Anschauungen nicht aufgehen. Und seine Anschauungen seien, so eines seiner Lieblingsworte: „graniten“. Trotzdem fragt er sich nun, da er bereits beim Militär einem Aufklärungskommando gegen den Bolschewismus angehört, da er im Kameradenkreis gesprochen und begeistert entdeckt hat, dass er über ein besonderes Talent verfügt, das der Rede nämlich, mitreißend, überzeugend – da fragt er sich nun, im Morgenlicht zwischen Mäusen liegend: Soll ich mich politisch engagieren? Und er fasst den Entschluss. Und dieser kleine Verein wird zu nichts anderem als seinem Vehikel, um nicht weniger zu verändern als: die Welt.
Die Szene findet sich in diesem Buch, das zuallererst aber natürlich kein Roman ist. Und also auch nicht so zu lesen. Aus einem Pappschuber entnommen, die Seiten oben mit Goldschnitt, auf dem ledernen Rücken ein stilisiertes Eichensymbol und in Frakturschrift oben der Autor, darunter der Titel: „Adolf Hitler: Mein Kampf“. Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Festungshaft in Landsberg begonnen, nach der vorzeitigen Entlassung 1924 vollendet, und in zwei Teilen beim Münchner Eher-Verlag erschienen: 1925 „Eine Abrechnung“, 1926 „Die nationalsozialistische Bewegung“, ab 1927 zusammengefasst in einem Band. Anfangs mit gutem Absatz, dann eher schleppend, nach dem durchschlagenden Wahlerfolg der NSDAP 1930 aber ein echter Erfolg. 241 000 Exemplare wurden bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 verkauft, im selben Jahr fast noch eine ganze Million. Mehr als fünf Millionen waren es bis 1939, allerdings oftmals behördlich unters Volk gebracht als Geschenk zu Schulabschluss, Hochzeit und Parteieintritt – was den Absatz auch bis 1944 weiter auf ungefähr zwölf Millionen steigen ließ. Es ist eines der Bücher mit der größten Verbreitung in der deutschen Geschichte.
Es ist das verbotene Buch.
Dies ist eines der vielen Exemplare, die nach Kriegsende in Kellern und auf Dachböden verschwunden sind, hier aus der 174. Auflage, 1936, überreicht von einer Gemeindeverwaltung „dem jungvermählten Paare“ - so ist es eingestempelt. Es ist als verfassungsfeindlich und volksverhetzend eingestuft. Ein gefährliches Buch. Und es wurde immer wieder für unlesbar erklärt, unfassbar schlecht geschrieben, wie der Schriftsteller Lion Feuchtwanger damals urteilte: seine „164 000 Wörter“ entsprächen „164 000 Verstößen gegen die deutsche Grammatik oder die deutsche Stillehre“.
Dass darin eine Unschärfe liegt, weil es nach neueren Rechnungen tatsächlich 230 590 Wörter sind, ist unerheblich. Wesentlich aber ist die Frage, ob nicht ein Widerspruch in den Behauptungen liegt, ein Buch sei einerseits gefährlich und andererseits unlesbar. Zu Letzterem passend scheint der Befund, dass „Mein Kampf“ gemessen an seiner Verbreitung als eines der am wenigsten gelesenen Büchern erscheint. Denn bis heute gilt doch: Jedem ist „Mein Kampf“ ein Begriff – aber wer weiß, was drinsteht? Schließlich, im Wissen um all den Wahnsinn, all das Leid, all den Terror, all die Unmenschlichkeit, die in seiner Folge stehen, eine Einschätzung: Ob es Sinn hat, das Buch in kommentierter Fassung zugänglich zu machen – oder ob es rundweg verboten bleiben sollte. In Zeiten, in denen ein Autorniemand namens Timur Vermes mit einer satirischen Fortsetzung, dem in Ton und Ich-Perspektive deutlich angelehnten Führer-Klamauk „Er ist wieder da“, einen Riesenerfolg erzielt hat – entfaltet Hitlers Original noch Wirkung? Ist es als Propaganda anschlussfähig?
Dies ist der Versuch, es zu lesen.
Was also ist Mein Kampf“ für ein Buch? Und wie ist es geschrieben?
Im kurzen Vorwort zum 781 Seiten starken Werk grenzt Hitler vermeintlich bescheiden seinen Anspruch ein: Weder behaupte er, der in der Folge oftmals die viel größere Bedeutung der Rede herausstreichen wird, ein guter Schriftsteller zu sein, noch sei sein Buch für die breite Öffentlichkeit gedacht. Er richte sich lediglich, nach vielen Ermunterungen dazu, an die Anhänger der Bewegung. Ein rhetorischer Trick, wie er aus vielen Romanen bekannt ist, weil der Autor gerade dadurch die ungekünstelte Unmittelbarkeit seines Schreibens betont. Und was die begrenzte Bedeutung angeht, wird er im Verlauf des Werkes behaupten, dass, wenn dieses Buch mit seinen Inhalten einst zum Allgemeingut geworden sei, die Rettung greifbar werde. Zunächst aber gehe es darum, die kursierenden üblen Verleumdungen über seine Person zu zerstören.
Und so beginnt „Mein Kampf“ tatsächlich als eine Art klassischer Bildungsroman in eigener Sache. Hitler beschreibt in einfachen Zügen seine bereits schicksalhafte Herkunft: aus Braunau am Inn, an der Grenze zwischen unvereinten Deutschen auf österreichischer und deutscher Seite; als Sohn eines einfachen Mannes, der sich durch Wille und Disziplin zum Staatsbeamten hochgearbeitet hat; als in der Jugend bereits wider- und eigenständiger Geist, der sich in seinem aufkeimenden, durch maßloses Lesen autodidaktisch ausufernden Genie nicht in sinnlose Generationenfolgen und Bildungshorizonte einfügen lassen wollte. Jeder Konflikt wird so bruchlos zum Keim des Wachstums stilisiert. Gerade die Jahre des richtungs- und mittellosen Streunens nach dem Scheitern seines großen Traumes vom Leben als Maler durch die verwehrte Aufnahme an die Wiener Akademie geraten so zur Erweckungszeit. Er kennt die unverschuldete Armut der Massen – und er kennt den Grund dafür: Es ist der umfassende Verfall, den er in jenem „Rassenbabylon“ Wien als Kristallisationspunkt des ungarisch-österreichischen Vielvölkerreiches erlebt hat.
So erinnert Hitler seine zur Heldengeschichte verklärte Biografie ausschließlich dort, wo sie ihm politisch fruchtbar erscheint, um daraus die sofort mit aller Wucht entwickelten Erkenntnisse über Gesellschaft, Staat und Welt abzuleiten. Und nicht im Nachhinein erst, nein, immer auf der Höhe der Zeit hat dieses junge Genie seiner Legende nach die Entwicklungen durchschaut. So rührselig er dabei über sich selbst oft schreibt, so gallig und eisern wird er sofort im Ton, wenn er – übrigens völlig quellenfrei, als reines Pamphlet also – in die politische Dimension wechselt.
So dauert es nicht lange, bis alle Motive versammelt sind, die er da schon als „granitene“ Überzeugungen präsentiert, die er später nie mehr zu ändern, höchstens zu ergänzen und weiterzuentwickeln hatte: das Versagen der Politik, der drohende Untergang der deutschen Herrenrasse, die drohende Weltherrschaft des Bolschewismus, die Unterjochung des Menschen durch das Finanzkapital, die Verkommenheit von Presse und Parlamentarismus, die schädliche Verunreinigung des Blutes, die Erbfeindschaft mit Frankreich, die Dolchstoßlegende vom Ende des Ersten Weltkriegs, die Notwendigkeit von Lebensraum im Osten als der Kampf gegen Russland – und der Judenhass.
Den etwa entwickelt Hitler mit einem rhetorischen Mittel, das den Leser erkennend einbeziehen soll. Er selbst habe sich erst lange gewundert, warum sich ausgerechnet gegen diese Konfession von jeher so viel Hass entzünde. Aber er habe Schritt für Schritt entdeckt, dass weit mehr als Religiöses, dass vielmehr eine jüdische Weltverschwörung hinter allem Übel stecke. So bringt er auch das scheinbar Disparate zusammen. Die durch die Zeitungen bestimmte öffentliche Meinung, den Bolschewismus und den Kapitalismus – hinter allem verberge sich der jüdische Geist. Und dessen Ziel sei letztlich die Versklavung des Menschen und somit: die Vernichtung des Menschlichen. Der Kampf dagegen ist bei Hitler weit mehr als Politik, eine heilige Pflicht nämlich, weil im Sinne des Schöpfers. Also: ein totaler Krieg der Weltanschauungen, der letztlich nur zu gewinnen sei durch die auch körperliche Vernichtung des Gegners und die eigene Weltherrschaft.
Vor allem im zweiten Teil entwickelt er dazu das Programm: von der Strukturierung der Bewegung, die nur eine Führerstruktur sein könne, für die Hitler hier den alleinigen Anspruch formuliert; über die Vorgaben einer Zucht der deutschen Herrenrasse, die neben der zu fördernden Arierehe schon die Tilgung minderwertigen Erbguts vorschreibt (wenn auch noch nicht durch Euthanasie, sondern durch ein sechshundertjähriges Fortpflanzungsverbot); bis hin zur Planung von möglichen Allianzen im unvermeidlichen nächsten Weltkrieg (mit Italien und möglichst England gegen Frankreich und Russland). So führt nach Hitler, der alle Pazifisten als Schwächlinge verlacht, der alleinige Weg zum Weltfrieden über die deutsche Weltherrschaft.
Als einer der ersten Feinde gilt ihm darum die sogenannte Objektivität. Sein alleiniges Streben danach führe für den Deutschen in den Untergang, die höchste Wahrheit sei die Wahrheit des Ringens der beiden Weltanschauungen um die Weltherrschaft – und diesem Kampf sei alle Betrachtung und Beschreibung der Welt unterzuordnen. Alles im Sinne der Propaganda also. Und so ist nun dieses Buch eingestandenermaßen auch vor allem Propaganda. Hitler jedenfalls, der sich stolz rühmt, die Farben und das Zeichen der neuen Partei so prägnant entworfen zu haben – die Absätze im Buch sind statt mit den üblichen Sternen mit kleinen Hakenkreuzen gesetzt –, er liefert bereits in diesem Buch den gesamten Weltentwurf ab. Eine unfassbare Anmaßung.
Wenn Hitler zum Schluss auf die bisherigen Entwicklungen der Bewegung zurückblickt, an die ersten Versammlungen und die ersten Erfolge (seine Reden!) erinnert, wirkt er dabei vielleicht wie ein größenwahnsinniger Vereinsschriftführer. Ansonsten aber mischt sich sein sendungsbewusst sentimentaler Ich-Roman mit der schneidenden Rhetorik seiner Reden. Oft wurde dabei exemplarisch für die verquere, pathos-triefende, in Nonsens-Bildern gipfelnde Formulierungslust auf Sätze verwiesen wie diesen, die Armut beschreibenden: „Wer nicht selbst in den Klammern dieser würgenden Natter sich befindet, lernt ihre Giftzähne niemals kennen.“
Tatsächlich stimmt hier nichts, die Natter hat keine Klammern, die Würgeschlange keine Giftzähne – aber trotzdem wirkt doch die Wucht des Bildes. Dazu kommen Beschreibungen, über die man ob ihrer Ungelenkheit auflachen könnte, wäre dies nicht dieses Buch. So etwa wenn er aus dem ideologischen Schäumen der Presse dann als schaumgeborene Aphrodite den Bolschewismus entsteigen lässt. Und freilich sprechen die immer wieder aus dem Zusammenhang gerissenen und zwischengestreuten Zitate von Bibel bis Goethe („Ein Kamel geht leichter durch ein Nadelöhr “, „Das also war des Pudels Kern“) sowie einfältige Übertragungen, die etwa Politiker zu den „Rattenfängern von Hameln“ macht, nicht für das größte schreiberische Vermögen.
Ebenso entwickeln sich die Sätze gerade in Themenbereichen, die Hitler selbst schwerer gefallen sein dürften, wie etwa dem zum Kapitalismus, zu immer komplexeren Gebilden. Aber von einer Unlesbarkeit ist „Mein Kampf“ stilistisch weit entfernt. In den rhetorischen Mitteln, in Stil und Pathos ist der Autor häufig ein Kind seiner Zeit, die allzu große Scheu vor komplexen Sätzen nicht kannte (und diese bei Weitem nicht überall logisch meisterte). Aber Hitler weiß eben auch, bevor er sich darin und also im Gefasel zu verlieren droht, immer wieder rechtzeitig kurze, prägnante Aussagesätze zu setzen, mit den Inhalten, auf die es ihm ankommt. Und die sind in Form von Doktrinen dann meist gesperrt gedruckt. Auch die allzu langatmigen Passagen über Organisationsstrukturen und historische Korrekturen (hätte Deutschland doch bereits 1904 im Verbund mit England Krieg geführt!), entschärft er so. Wenn etwas formal ermüdet, dann eher die mit Länge des Buches immer weiter zunehmenden, herausgehobenen Doktrinen.
Aber nein, am Rande zur Unlesbarkeit bewegt man sich in diesem Buch ausschließlich durch seinen Inhalt. Der nämlich ist in seinem Hass, seiner abgefeimten Manipulation, seiner teuflischen hier und heiligen Verklärung da und in seiner Metaphorik oft nichts anderes als widerlich. Man mag es gar nicht wiederholen, wie von „Pestilenz“ und „Vernegerung“ und „Entartung“ die Rede ist. Man muss aber in Blick nehmen, wie hier ein gefährlich galledurchsetztes Amalgam der Vereinfachung angerührt wird.
Denn es kommen hier zusammen: die Unterjochung des Menschen und des Staates durch das Kapital; der totale Politikerverdruss – die Parlamentarier verwalten hinter inhaltlichen Masken bloß noch visionslos in die eigene Tasche, sie sind abhängige und darum zu manipulierende Schieber; ein Unbehagen über den Vielvölkerstaat, der sein eigentliches Volk, seine Nation nicht schützt; die existenzielle Sinnlosigkeit und Verlorenheit des modernen Menschen; die Manipulation durch das linke Meinungsmonopol, das alles Unbequeme politisch unkorrekten brandmarkt; Kulturpessimismus und Zukunftsangst angesichts eines empfundenen Verfalls der Gesellschaft ins gerade moralisch Maßlose; die Sehnsucht nach einer starken, führenden Hand.
Wer also sagt, dass Hitlers Einlassungen etwa über den Niedergang des völkerreichen Habsburgerstaates und die Notwendigkeit von Lebensraum im Osten bei stetig steigender deutscher Bevölkerungszahl veraltet sind und darum keinen mehr interessieren dürften, der verkennt die womöglich vielfältigen Anschlussmöglichkeiten. Das oben Versammelte ist wesentlich für Hitlers ideologische Giftmischung – aber doch auch verbreitet in Diskussionen auch der vergangenen Jahre, angestoßen etwa von den Büchern Thilo Sarrazins.
Alle Motive bis hin zu einer kulturellen Überlegenheit des Deutschen sind auch dort zu finden – natürlich ohne den Wahn, die heilige Ermächtigung zu Krieg und Terror, zu Führertum und Weltherrschaft. „Es gibt nur ein heiligstes Menschenrecht, und dieses Recht ist zugleich die heiligste Verpflichtung; dafür zu sorgen, dass das Blut rein erhalten bleibt, um durch die Bewahrung des besten Menschentums die Möglichkeit einer edleren Entwicklung dieser Wesen zu geben.“ Höchstens im tiefsten braunen Sumpf traute sich heute noch jemand, so zu argumentieren. Und dort dürfte das Machwerk ja ohnehin längst verbreitet sein.
Aber: Will man solche Sätze frei zugänglich in Deutschland erhältlich sehen? Der erste, historisch moralische Impuls mag nein lauten. Tatsächlich aber ist das Gegenteil konsequent. Mit „Mein Kampf“ nämlich steht Deutschland ein ewiges Mahnmal parat für die politische Verführbarkeit, für die Macht des Populismus. Es ist stilistisch lesbar, also teilt sich das Gemeinte auch mit – aber weit davon entfernt eine manipulative Wucht zu entfalten. Es ist ein Pamphlet, das völlig quellenfrei behauptet, nicht lehrt. Es ist böswillig und niederträchtig. Aber dieses Buch selbst gefährlich zu nennen heißt, es überzubewerten.
Gefährlich war sein Verfasser. So ist das Unfassbare, wenn man dieses Buch heute liest, eben nicht, was sich dieser Adolf Hitler hier bereits zehn Jahre vor dem Krieg alles anmaßt. Sondern, dass er sich nur wenige Jahre später auch ermächtigt fühlen konnte zu versuchen, es in die Tat umzusetzen. Darum gibt es ideell gerade keinen Grund, dieses Buch zu verbieten. Wer das lesen will, der soll es lesen dürfen. Wer daran glauben will, der wird hier nicht erst überzeugt.
Dass „Mein Kampf“ trotzdem besser verboten bleiben und nur in kommentierter Neuauflage veröffentlicht werden sollte, liegt an äußeren Erwägungen. Man sollte nämlich verhindern, dass in diesem Land die Falschen offiziell damit Geschäfte machen, nicht bloß Propagandisten, sondern auch braune Devotionalienhändler. Und man sollte zudem den Verblendeten unter den Käufern nicht ersparen, dass sie ihre Ignoranz unter Beweis stellen, wenn sie all die korrigierenden Anmerkungen schlicht überblättern. Und eine direkt und konkret korrigierende Aufarbeitung dieses Machwerks ist ein ohnehin notwendiges wissenschaftliches Projekt. Und für unabhängig Interessierte ist das Ergebnis sicherlich erhellend. Wenn es um die Figur Hitler geht, möchte man ohnehin jedem empfehlen, kontrastierend zu dessen Selbstverherrlichung in „Mein Kampf“ Joachim Fests Biografie „Hitler“ zu lesen. Der in eigener Sicht vom Schicksal Auserwählte, der sich über die Prägung durch die Umstände zum Retter des Deutschtums und der Welt erhebt, wird hier mit klugem Blick ausgeleuchtet als ein gerade von den Umständen begünstigter Sonderling und Fanatiker – mit all den furchtbaren Folgen.
„Mein Kampf“ endet im Schlusswort mit diesen Sätzen: „Ein Staat, der im Zeitalter der Rassenvergiftung sich der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet, muss eines Tages zum Herrn der Erde werde. Das mögen die Anhänger unserer Bewegung nie vergessen, wenn je die Größe der Opfer zum bangen Vergleich mit dem möglichen Erfolg verleiten sollten.“
Joachim Fest endet, als sich Hitler, tablettensüchtig und kaum ansprechbar, während Deutschland in Trümmern lag, das Leben genommen hat: „Hitler hatte kein Geheimnis, das über seine unmittelbare Gegenwart hinausreichte. Die Menschen, deren Gefolgschaft und Bewunderung er sich erworben hatte, waren niemals einer Vision, sondern einer Kraft gefolgt. Ihre Wirkungen waren gewaltig, der Schrecken, den sie verbreitete, beispiellos; aber jenseits davon ist wenig Erinnerung.“