zurück
BERLIN
Wie Gabriel einfach weiterregiert
Bundesaußenminister Gabriel in Minsk       -  Noch-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am 17. November in Minsk in Weißrussland vor seinem Gespräch mit Präsident Lukaschenko.
Foto: Nikolai Petrov, dpa | Noch-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am 17. November in Minsk in Weißrussland vor seinem Gespräch mit Präsident Lukaschenko.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 16.12.2017 02:53 Uhr

Wieder in die Große Koalition oder doch in die Opposition? Beim Parteitag in Berlin entscheidet sich, wohin die Reise geht für die angeschlagene SPD. Und ausgerechnet ein Genosse, der bereits völlig abgeschrieben schien, könnte bei der Festlegung des künftigen Kurses im Hintergrund die Weichen stellen.

Sigmar Gabriel schickt sich einmal mehr an, seinem Ruf als politisches Stehaufmännchen gerecht zu werden. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen wittert er Morgenluft, heißt es in Parteikreisen, und arbeitet massiv auf eine Neuauflage der Regierung von Union und SPD hin. In der er dann wohl auch weiter eine gewichtige Rolle spielen würde.

Seit Wochen fällt auf, dass Gabriel, obwohl schon ziemlich lange nur noch Noch-Außenminister der Bundesrepublik, einem ganz schön dicht gedrängten Reiseplan folgt. In Bangladesch und Myanmar macht er sich ein Bild von der Lage der muslimischen Rohingya-Flüchtlinge, in Washington und Moskau berät er mit Spitzenpolitikern über den Atomstreit mit Nordkorea und diskutiert in Afrika über die Migrationskrise.

Gabriel, der ohnehin als Arbeitstier gilt, hat allem Anschein nach in den vergangenen paar Wochen sein Pensum deutlich hochgefahren. Das dürfte kaum daran liegen, dass er sein Amt noch einmal so richtig auskosten will, bevor er es abgeben muss. Alles deutet darauf hin, dass der frühere SPD-Vorsitzende jetzt, da seine Partei zögerlich in Richtung einer Fortsetzung der Großen Koalition steuert, auch um die Fortsetzung seiner Karriere kämpft.

Kurz nach der Bundestagswahl hätte es für Gabriel kaum schlechter aussehen können. Viele in der Partei gaben ihm eine gehörige Portion Mitschuld am Debakel. Gabriel habe seine Entscheidung, Martin Schulz Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zu überlassen, viel zu spät getroffen, grummelte es. Siebeneinhalb Jahre hatte Gabriel zuvor die SPD geführt, ihr Absturz sei auch das Resultat seiner Politik.

Weil SPD-Chef Martin Schulz noch am Wahlabend den Gang in die Opposition verkündet hatte, sprach vieles dafür, dass Gabriel in Zukunft nur noch ein einfacher Abgeordneter auf der harten Oppositionsbank sein würde.

Doch als ob Gabriel geahnt hätte, dass die Jamaika-Koalition nicht zustande kommen würde, regierte er einfach mit voller Kraft weiter in der alten Großen Koalition. Und wenn jetzt die GroKo doch noch eine zweite Chance bekommt, ist Gabriel wieder mitten im Spiel.

Fragen nach einer weiteren Regierungsbeteiligung der SPD und damit auch nach seinen politischen Ambitionen weist er zwar zurück, weil er weiß, dass ihm nur Eigennutz unterstellt würde. Spräche er sich für eine neue Große Koalition aus, so Gabriel dieser Tage in einer Talkshow, würde die Reaktion ja lauten: „Ist doch klar, der will nur Außenminister bleiben.“

Doch Gabriel überlässt es Leuten aus seinem noch immer gut funktionierenden Netzwerk, ihn auch in einer künftigen Regierung für unverzichtbar zu erklären. Wahlweise als Finanzminister, dem faktisch mächtigsten Amt nach dem Bundeskanzler, oder eben weiter als Außenminister werde er gebraucht. SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer etwa nannte Gabriel „einen der besten Außenminister, den Deutschland je hatte“.

Der so Gelobte hat jetzt zudem eine Art Bewerbungsrede für seine Weiterbeschäftigung abgeliefert. Auf dem außenpolitischen Forum der Körber-Stiftung in Berlin sprach sich der geschäftsführende Außenminister dafür aus, dass Deutschland künftig selbstbewusster seine Interessen vertreten müsse, eigenständiger handeln vor allem gegenüber Amerika, dessen globale Dominanz schwinde. Russland kritisierte er zwar für die Aggression auf der Krim und in der Ostukraine, auf Dauer müsse Deutschland aber auf Moskau zugehen.

Und zusammen mit Frankreich will Gabriel nicht nur auf dem Gebiet der Verteidigung enger zusammenarbeiten. Auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron zur Reform der Europäischen Union solle Deutschland positiv reagieren.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bernhard Junginger
Außenminister
Axel Schäfer
Große Koalition
Jamaikakoalition
Martin Schulz
Parteitage
SPD
SPD-Vorsitzende
Sigmar Gabriel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen