Nach zehn Jahren endet an diesem Donnerstag die Eulex-Mission im Kosovo. Zeitweise war dieser Einsatz das größte Auslands-Engagement der EU. Doch das Ende fällt nicht wirklich ruhmreich aus. Die Ergebnisse von Eulex sind bescheiden und umstritten. Es gibt keine Feierstunde und auch kein wehmütiges Einholen der Europa-Fahne. Selbst die EU-Verwaltung in Brüssel verkündete das Ende des Einsatzes von Richtern, Juristen, Verwaltungsfachleuten und Politikberatern mit wenigen kargen Zeilen.
Die EU-Mission zur Unterstützung beim Aufbau des Justiz- und Polizeiwesens im Kosovo (Eulex) geht zu Ende. „Wir können das jetzt selber machen“, sagte Justizminister Abelard Tahiri in Priština. „Wir brauchen keine Mission mit Exekutivmacht.“ Die „Zeit internationaler Auslandsmissionen“ in seinem Land sei vorbei, erklärte Präsident Hashim Thaçi, der noch nicht weiß, ob er eines Tages als großer Held des Kosovo in Erinnerung bleiben oder als Angeklagter vor dem Balkantribunal des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag enden wird.
Die Geschichte von Eulex begann 2008. Zunächst hatte eine UN-Mission in den ersten neun Nachkriegsjahren versucht, Kriegsverbrechen aufzuklären und staatliche Strukturen zu errichten. Die Ergebnisse waren bescheiden. Dann übernahm die Gemeinschaft. Zeitweise waren 2000 ausländische Polizisten, Richter, Zollbeamte und Staatsanwälte im Einsatz – mit einem Jahresbudget von 200 Millionen Euro.
Massive Vorwürfe gegen Richter
Die offizielle Bilanz liest sich durchaus vielversprechend: Es gab fast 1000 Aktionen, bei denen nach Vermissten aus Kriegszeiten gesucht wurde. Die sterblichen Überreste von 430 Toten konnten identifiziert werden. Außerdem berieten die Experten der EU die Politiker bei 130 Gesetzen und verhandelten Verbrechen rund um den Kosovokrieg. „Wir schrecken auch vor hohen Tieren nicht zurück“, hatten die Eulex-Vertreter beim Start versprochen. Doch offenbar ist genau das passiert.
Genc Nimoni arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Cohu, die sich für den Aufbau demokratischer Strukturen und gegen Korruption engagiert. „Eulex wird als gescheiterte Mission in Erinnerung bleiben“, bilanziert er. Und er ist nicht der Einzige. Schon 2012 kritisierte der Europäische Rechnungshof, dem finanziellen Aufwand stünden nur „bescheidene Erfolge“ gegenüber. 2014 gab es massive Vorwürfe, zwei der Eulex-Richter hätten sich von der kosovarischen Mafia bestechen lassen. In den folgenden Jahren tauchten weitere Beschuldigungen auf – aber keine konnte verifiziert werden.
Kosovarische Staatsanwälte werfen den europäischen Kollegen vor, mit zu wenig Druck und zu eng mit den politisch Mächtigen gekungelt zu haben. Ein scheidender Eulex-Jurist wird noch deutlicher: „Die warten nur darauf, bis wir weg sind, weil sie dann straffrei ausgehen können.“ Recherchen von Journalisten legen nahe, dass Staatspräsident Thaçi selbst in die organisierte Kriminalität sowie den Waffen-, Drogen- und Organhandel verstrickt sein soll.
Der Italiener Andrea Capussela, einer der Kenner der internationalen Strukturen im Kosovo, schrieb 2015 in einem Buch, die europäischen Richter und Staatsanwälte würden „systematisch die Verfolgung politisch heikler Fälle meiden“. Dies sei in Übereinstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten geschehen, um das Land politisch zu stabilisieren. Hätten die Juristen hart durchgegriffen, wäre ein Regimewechsel unvermeidbar geworden.
Keine einzige Anklage
Bis zum 15. Juni werden alle Eulex-Mitarbeiter das Kosovo verlassen. Bis Ende 2018 beendet die Kosovo-Schutztruppe (KFOR), an der die Bundeswehr beteiligt ist, ihren Einsatz. Derweil wartet seit einem Jahr das Kosovo-Tribunal in Den Haag auf Arbeit. Bisher gibt es keine einzige Anklage. Dabei gehört die Aufarbeitung des Krieges und die Bestrafung der Verantwortlichen für alle Verbrechen zu den Bedingungen, die die EU für eine Aufnahme der einstigen serbischen Provinz gestellt hat. Aber damit hat man in Priština noch nicht einmal angefangen.