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BERLIN
Wie die Union Klimaschutz und Wirtschaft unter einen Hut bringen will
Das Gespräch führten Stefan Lange und Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 07.07.2019 02:11 Uhr

Die Union stellt alle Energieabgaben auf den Prüfstand. Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) soll zusammen mit seinem CSU-Gegenpart Georg Nüßlein die Herkules-Aufgabe stemmen. Im Interview skizziert der 44-Jährige, was auf Wirtschaft und Bürger zukommen könnte.

Frage: Herr Jung, Sie sollen für die Union Vorschläge für ein modernes und wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabesystem vorlegen. Was ist geplant?

Andreas Jung: Wir müssen beim Klimaschutz besser werden und unsere Klimaziele erreichen. Gleichzeitig trübt sich die Wirtschaftsentwicklung ein und wir stehen international im Standortwettbewerb. Deshalb brauchen wir ein Konzept, das beides unter einen Hut bringt: starke Signale für Klimaschutz und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Das ist unser Auftrag.

Bedeutet das eine höhere Belastung?

Jung: Nein, gerade nicht. Wir haben im Energiebereich nicht zu wenig Abgaben, Umlagen und Steuern, wir haben zu wenig Effizienz, Innovation und Steuerung. Und insgesamt steigen die Steuereinnahmen ja weiter, nur langsamer. Um es klar zu sagen: Der Staat hat Einnahmen genug. Wir wollen deshalb nicht zusätzlich belasten, sondern unterm Strich mit Soli-Abschmelzung und Reform der Unternehmenssteuern Bürger und Wirtschaft entlasten.

Von welchen Summen sprechen wir im Energiesektor?

Jung: Wenn man alles zusammenzählt, die Energiesteuer, die Stromsteuer, die Erneuerbare-Energien-Umlage und die anteilige Umsatzsteuer, dann kommen da im Jahr bis zu 80 Milliarden Euro zusammen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, mit fiskalischen Instrumenten mehr Klimaschutz zu erreichen?

Jung: Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer hat gerade zurecht unser Steuersystem als „klimablind“ kritisiert. Die heutigen Regeln sind ein wild gewachsenes Gestrüpp, unsystematisch und weder sozial noch wirtschaftlich ausgewogen. Wir brauchen eine stärkere Ausrichtung auf den CO2-Ausstoß und damit Innovationssignale für Klimaschutz.

Können Sie schon absehen, was sich für Otto-Normalstromverbraucher ändern wird?

Jung: Es darf nicht einfach etwas obendrauf kommen. Wird ein neues auf Klimaschutz ausgerichtetes Instrument geschaffen, dann muss an anderer Stelle entlastet werden und es muss etwas wegfallen – zum Beispiel bei der Stromsteuer oder bei der EEG-Umlage. Aber alle Auswirkungen müssen noch sorgfältig durchdacht und durchgerechnet werden.

Wird im Gegenzug Autofahren und Heizen teurer?

Jung: Die Entscheidung für Gebäudesanierung oder für ein sparsames Auto muss sich mehr lohnen. Aber viele Menschen im ländlichen Raum sind aufs Auto angewiesen und können fürs Pendeln nicht mehr bezahlen. Und zusätzliche Belastungen für Wohnen darf es nicht geben.

Wie bringen Sie das zusammen?

Jung: Mit einem klugen System, das Anreize in den Mittelpunkt stellt. Ein marktwirtschaftlicher Ansatz geht über Preissignale. Aber wir müssen die Menschen mitnehmen. Auch eine ökologische Steuerung geht nur mit der Verbindung von Sozialem und Marktwirtschaft. Was sonst droht, kann man in Frankreich bei den Gelbwesten-Protesten sehen. Wir müssen das berücksichtigen, es darf uns aber nicht lähmen. Unser Konzept muss einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutzgesetz im Herbst und damit zum Erreichen des Klimaziels für 2030 leisten. Das ist der Maßstab.

Die Wirtschaft klagt bereits jetzt über hohe Energiekosten.

Jung: Es geht nicht um zusätzliche Belastung, sondern um mehr Effizienz, um Klimaschutz durch Technologie und Innovation. Auch steuerliche Anreize und CO2-Bepreisung können wirken. Für die Industrie gibt es schon seit 2005 den europäischen Emmissionshandel: Wer CO2 ausstößt, braucht dafür Zertifikate – und diese werden immer weiter verknappt. Dieses Instrument könnte auf weitere Sektoren wie etwa Wärme und Verkehr ausgedehnt werden.

Wie groß ist Ihre Hoffnung auf eine EU-Lösung?

Jung: Da ist jetzt nach der Europawahl Musik drin. EVP, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verhandeln in Brüssel gerade auch über ambitionierten Klimaschutz und eine Ausweitung des Emissionshandels. Wenn keine einheitliche EU-Lösung dabei herauskommt, könnten einige willige Länder vorangehen. Aber auch ein Modell für den Zertifikatehandel auf nationaler Ebene ist denkbar.

Welche Vorteile hat dieser Handel?

Jung: Weil Zertifikate für CO2-Ausstoß immer weiter reduziert werden, können die Mengen genau gesteuert und Klimaziele so präzise erreicht werden. Aber klar ist: Marktwirtschaftliche Wege sind besser als Verbote und Subventionen.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial zum Klimaschutz?

Jung: Wir müssen die Bahn attraktiver machen. Ein Beispiel: Wenn Sie heute von Stuttgart mit der Bahn nach Paris fahren, zahlen Sie bis zur Grenze den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Fliegen Sie, zahlen Sie nicht. Das ist offenkundig Unsinn und kontraproduktiv. Wir müssen uns schon überlegen, wie wir mit staatlicher Rahmensetzung umweltfreundliche Verkehrsträger stärken können.

 
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