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BERLIN
Wie die Linke bei der SPD zu wildern versucht
Sahra Wagenknecht       -  Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, hat kein Interesse am Entstehen einer neuen Großen Koalition.
Foto: Kappeler, dpa | Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, hat kein Interesse am Entstehen einer neuen Großen Koalition.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 25.01.2018 03:05 Uhr

Martin Schulz spürt immer heftiger den heißen Atem der Linkspartei im Nacken. Während der SPD-Chef mit wachsender Verzweiflung versucht, seine unwillige Partei von einer neuerlichen Großen Koalition mit der Union zu überzeugen, droht ihm neues Ungemach von ganz links.

Auf unterschiedliche Weise verfolgen prominente Linken-Politiker das gleiche Ziel: GroKo-skeptische SPD-Anhänger abzuwerben. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine etwa trommeln derzeit wieder besonders laut für ihre Idee einer linken Sammlungsbewegung.

Stramm links eingestellte Kräfte aus SPD, Grünen und Linkspartei sollten sich demnach zusammenschließen – zu einer Volkspartei, die zumindest auf lange Sicht die Chance auf echte Mehrheiten hätte. Als Vorbilder werden etwa die französische Bewegung „La France insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“) oder die spanische „Podemos“-Partei genannt.

Bei der SPD, die ja mit ihrem 20-Prozent-Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl um ihren Status als Volkspartei ringt, gehen da alle Warnlampen an. Denn der Streit um eine mögliche Regierungsbeteiligung wird noch erbitterter ausgetragen, als es führende Parteimitglieder ohnehin erwartet hatten.

In seiner Heimat Nordrhein-Westfalen, wo die SPD ihren mitgliederstärksten Landesverband hat, warb Parteichef Martin Schulz auch am Dienstag darum, nach den Sondierungsgesprächen in Koalitionsverhandlungen mit der Union zu gehen. Doch nach Einschätzung von Michael Groschek, dem Chef der NRW-Genossen, lässt sich das Stimmverhalten des Landesverbands noch nicht absehen: „Wir haben Mitglieder, die sagen Ja, und welche, die sagen Nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenklichen Unentschlossenen.“

Für Schulz bedeutete das: Nicht einmal der Unterstützung seines Heimatverbandes, der beim Parteitag am kommenden Sonntag allein 144 von 600 Delegierten stellt, kann sich Schulz sicher sein. In Bonn könnte ein echter Riss durch die Partei gehen.

Sollte sich nur eine vergleichsweise knappe Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU aussprechen, wäre nicht auszuschließen, dass die Angehörigen des unterlegenen Lagers der SPD den Rücken kehren.

Doch in welche Richtung? Der Linkspartei haftet für viele Genossen, gerade im Westen der Republik, noch immer der Ruch an, auch Nachfolgerin der DDR-Einheitspartei SED zu sein. Bei einer neuen und breiteren linken Sammlungsbewegung fiele diese Hemmschwelle weg, so das Kalkül Wagenknechts.

Während ihr Lager auch jene SPD-Wähler ansprechen will, die aus Frust über die Migrationspolitik der Bundesregierung zur AfD übergelaufen sind, richtet sich Linke-Parteichefin Katja Kipping an eine andere Gruppe von SPD-Wählern. Kipping beschuldigt die SPD, eine „verklausulierte“ Flüchtlingsobergrenze „durch die Hintertür“ einführen zu wollen. Der Familiennachzug werde „de facto ausgesetzt“, so Kipping. Das Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD atme „den Geist von Ausgrenzung und Ignoranz gegenüber Menschenrechten“. Kipping warf der SPD Versagen „auf ganzer Linie“ vor.

Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, setzt nicht auf die grobe Keule, sondern auf ganz feine Nadelstiche. Er macht sich nämlich „Sorgen“ um die Sozialdemokraten. „Es ist nicht im Interesse der Linken, dass die SPD den Weg der Parti socialiste oder der Pasok geht und sich pulverisiert“, so Korte mit Blick auf den Absturz der sozialistischen Parteien in Frankreich und Griechenland. Er finde die „Planlosigkeit“ in der SPD erschreckend. Die Gegensätze deuteten darauf hin, dass es sich bei der SPD um „zwei Parteien“ in einer handle. Der Führung stehe der Großteil der Basis entgegen, so Korte.

Dass die Linkspartei einen Teil der SPD-Stammwähler heftig umgarnt, ist nicht neu. Obwohl beide Parteien in Brandenburg, Berlin und Thüringen zusammen regieren, sehen sie sich eher als Konkurrenten, denn als natürliche Verbündete. Auf Bundesebene ist eine mögliche Koalition mit der Linkspartei für SPD-Politiker noch immer ein hochsensibles Thema.

Angesichts des Streits um das Für und Wider einer Regierungsbeteiligung in den eigenen Reihen aber, so heißt es in SPD-Kreisen, wächst die Furcht, dass die immer lauteren Lockrufe aus der Linkspartei bei vielen GroKo-skeptischen Genossen nicht ungehört bleiben könnten.

„Es ist nicht im Interesse der Linken, dass die SPD den Weg der Parti socialiste oder der Pasok geht und sich pulverisiert.“
Jan Korte (Linke), Parlamentarischer Geschäftsführer
 
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