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Wie die AfD so erfolgreich wurde
Von unserem Mitarbeiter Michael Pohl
 |  aktualisiert: 17.09.2016 03:35 Uhr

Die AfD ließ in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur die CDU hinter sich. Auch die Arbeiterpartei im Nordosten heißt weder SPD noch Linke, sondern: Alternative für Deutschland. Jeder dritte Arbeiter wählte an der Küste AfD, nur jeder vierte SPD und nur jeder zehnte die Linke. Und auch bei den Arbeitslosen ist die AfD die stärkste politische Kraft im Land – mit 29 Prozent weit vor der SPD. Die Ausschnitte aus der Analyse der Wahlforscher von Infratest-Dimap deuten an, wie es der Protestpartei gelingen konnte, den politischen Tsunami an der Küste auszulösen.

Verheerend ist die Wirkung für die Christdemokraten: Exakt ein Jahr nach der Entscheidung der Kanzlerin, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, landet die CDU im Heimatland Angela Merkels auf Platz drei. „Die Flüchtlingspolitik hat definitiv das Verhalten vieler Wähler beeinflusst“, sagt der Politikwissenschaftler Jochen Müller, der als Professor in Greifswald den Wahlkampf hautnah miterlebt hat.

Allerdings sei der Eindruck falsch, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern die vergangenen Wochen alles um das Asylthema gedreht habe. „Im Landtagswahlkampf stand außer bei der AfD bei allen Parteien klar die Landespolitik im Vordergrund“, berichtet Müller. Sowohl SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering als auch seine Koalition mit der CDU hätten vor der Wahl sogar gute Noten bekommen.

CDU verlor schon bei der letzten Wahl

Vor allem die wirtschaftliche Lage sei sehr viel positiver wahrgenommen worden: „Die Arbeitslosigkeit hat den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht“, sagt Müller. Der Erfolg der AfD in dieser Situation zeige, wie sehr die Bundespolitik ausgestrahlt habe. „Allerdings haben 80 Prozent nicht AfD gewählt“, betont der Greifswalder Politologe. „Bereits deshalb wäre es zu einfach zu sagen, diese Wahl sei ein allgemeines Votum gegen die Flüchtlingspolitik.“

Auch der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, führt den Absturz der CDU auf Platz drei weniger auf Merkels Flüchtlingspolitik zurück. Vor fünf Jahren habe die CDU im Nordosten unter dem gleichen Spitzenkandidaten Lorenz Caffier bereits eine herbe Wahlschlappe erlebt und noch stärker verloren: „Damals hat niemand gesagt, Angela Merkel ist schuld an dem Ergebnis“, so Güllner.

In absoluten Zahlen hat die CDU gegenüber 2011 lediglich 3500 Stimmen eingebüßt, allerdings gingen dieses Mal 100 000 Menschen mehr zur Wahl. Güllner sieht den Grund für das CDU-Wahldesaster in der Schwäche der Landespartei und ihres Kandidaten. „Nach unseren Erhebungen hätte die CDU, wenn am vergangenen Sonntag Bundestagswahlen gewesen wären, um 14 Prozentpunkte besser abgeschnitten“, sagt Güllner. „Da ist es falsch, zu sagen, das war jetzt am Sonntag eine Flüchtlingswahl.“

Den Erfolg der AfD erklärt er mit einem Wählerpotenzial, wonach jeder achte Deutsche für fremdenfeindliche bis rechtsradikale Wahlpropaganda empfänglich sei. Gemessen an der Wahlbeteiligung von 62 Prozent liege der AfD-Erfolg damit am oberen Rand des Potenzials.

Der Greifswalder Politikwissenschaftler Müller widerspricht dieser Analyse: „Man kann die AfD-Wähler auf keinen Fall pauschal als rechtsradikal einstufen.“ Wer AfD und NPD in einen Topf werfe, verharmlose die Rechtsextremen. „Die AfD-Wählerschaft denkt im Durchschnitt sehr konservativ und teils nationalistisch, aber die Demokratiefeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit sind nicht so stark ausgeprägt, wie bei Anhängern rechtsradikaler Parteien“, sagt Politologe Müller.

Die AfD-Wähler stünden im Durchschnitt jedoch klar rechts: „Besonders auffällig ist, dass die Wähler sehr kritisch der Funktionsweise der Demokratie gegenüberstehen“, betont Müller. „Die Sicht auf Parteien, das Parlament und die Medien ist deutlich negativer, als bei der Mehrheit der Bevölkerung.

“ Die vielen negativen Vorurteile gegenüber Politikern machten es für die Parteien sehr schwer, eine allgemeingültige Strategie gegen die AfD zu finden. Ob die Partei auf Dauer Erfolg haben werde, hänge davon ab, ob ihre Themen wieder an Bedeutung verlieren, sagt Müller.

Laut der ARD-Analyse von Infratest-Dimap war die Flüchtlingspolitik für 54 Prozent der AfD-Wähler wahlentscheidend, aber nur für 20 Prozent der Gesamtwählerschaft. Beim Oberthema „Soziale Gerechtigkeit“ unterscheiden sich die Zahlen jedoch kaum. Den größten Erfolg verzeichnete die AfD in Vorpommern, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist: Hier holte die Partei drei Direktmandate: In Greifswald wollte der Jura-Professor Ralph Weber mit 35 Prozent so viele Stimmen, wie seine Mitbewerber von SPD und CDU zusammen.

Vorpommern wirtschaftlich abgehängt

Doch warum? Im touristisch geprägten Vorpommern, zu dem beispielsweise die Ferieninsel Usedom gehört, ist die Arbeitslosigkeit außerhalb der Saison deutlich höher als im Landesdurchschnitt, die Wirtschaft kommt seit Jahren nicht recht voran. Im Tourismus werden unterdurchschnittliche Löhne gezahlt, so dass die Einkommen in der Region niedrig sind. Junge wandern ab. Politikwissenschaftler Jan Müller sagt: „Vorpommern ist dem Westteil des Landes gegenüber sozial benachteiligt.“

Für Wolgasts Bürgermeister Stefan Weigler (parteilos) ist klar: „Das Wahlergebnis ist ein lauter und deutlicher Hilfeschrei der Wähler.“ Zu sagen, die AfD-Wähler seien alle vom rechten Rand, sei Unsinn. Es sei auch nicht nur die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin schuld. So, wie die Große Koalition in Schwerin in den vergangenen zehn Jahren den Landesteil Vorpommern betrachtet habe, könne es einfach nicht weitergehen, sagt Weigler. Die Parteien sollten den Denkzettel nun begreifen. Mit Informationen von dpa / Foto: dpa

 
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