Nach einem vorübergehenden Bedeutungsverlust während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren, als der Finanzminister die wichtigste Rolle im Kabinett spielte, ist inzwischen die traditionelle Außenpolitik wieder ins Zentrum des Regierungshandelns gerückt und nimmt eine dominierende Rolle ein.
Die Bilanz
Für Frank-Walter Steinmeier war es nach einem vierjährigen Intermezzo als SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer scheinbar eine Rückkehr in eine vertraute Welt, als er nach der Bundestagswahl im Dezember 2013 ins Auswärtige Amt zurückkehrte, an dessen Spitze er schon zwischen 2005 und 2009 gestanden hatte. Und doch war nichts mehr, wie es war: „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, lautete sein deprimierender Befund. Die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands, ohnehin durch die G7-Präsidentschaft 2015, den OSZE-Vorsitz 2016 und den Vorsitz über die G20 in diesem Jahr stark gefordert, befand sich in einem permanenten Krisenmodus und stand vor der Herausforderung, immer wieder gleich mehrere Brandherde gleichzeitig zu löschen. Nicht nur im Nahen und Mittleren Osten (Syrien, Iran, Irak) sowie im Fernen Osten (Nordkorea), sondern auch in Europa brannte es lichterloh.
Die Aufforderung von Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2014, Deutschland solle bereit sein, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen, erfüllte sich in der Folgezeit fast von alleine. Denn schon wenig später eskalierte der Konflikt zwischen Moskau und Kiew um die Ostukraine, gleichzeitig annektierte Russland die Krim. Zusammen mit Frankreich versuchte die Bundesregierung zu vermitteln und brachte in Minsk eine brüchige Waffenruhe zustande.
Gleichzeitig war Berlin an den Verhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran beteiligt. Im Kampf gegen die Terrormilizen des IS stellte Deutschland den kurdischen Peschmerga Waffen zur Verfügung und stationierte sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge sowie ein Tankflugzeug im türkischen Incirlik. Die dramatische Verschlechterung der Beziehungen zur Türkei führte allerdings zu einem Abzug der deutschen Soldaten, sie werden im Herbst in Jordanien stationiert. Als Folge der Flüchtlingskrise rückte Afrika in den Fokus der Außen- wie der Entwicklungspolitik. Zudem wurden knapp 1000 Soldaten in Mali stationiert, um das Land zu stabilisieren.
Auch die EU geriet in schweres Fahrwasser, nachdem sich die Briten 2016 dafür aussprachen, die EU zu verlassen. In Polen und Ungarn kamen europakritische Regierungen an die Macht. Und nachdem Donald Trump die Wahlen zum US-Präsidenten mit dem Slogan „America first“ gewonnen und seinen Ausstieg aus dem Klimaschutzabkommen erklärt hatte, musste selbst die sonst so amerikafreundliche Bundeskanzlerin Angela Merkel feststellen: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“
Die Perspektiven
In der Außen- und Sicherheitspolitik wie in der Europapolitik stehen sich die Parteien traditionell nahe. CDU und CSU bekennen in ihrem Wahlprogramm, dass sie für ein „starkes, selbstbewusstes und dynamisches Europa“ stehen, das ein „Friedensprojekt“ sei. Konkret spricht sich die Union für eine europäische Verteidigungsunion und einen europäischen Verteidigungsfonds aus. Um den Flüchtlingsstrom zu unterbinden, soll es nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens auch Verträge mit anderen Ländern „in der Region und im nördlichen Afrika“ geben. Der Verteidigungsetat soll kontinuierlich erhöht werden, wobei sich die Union ausdrücklich hinter das Ziel der Nato stellt, zwei Prozent des BIP aufzuwenden.
Zudem spricht sie sich dafür aus, die Zusammenarbeit mit Afrika weiter zu verstärken.
Auch die SPD bekennt sich zu Deutschlands Verantwortung in der Welt mit den Schwerpunkten „Entspannungspolitik, moderne Friedensdiplomatie, zivile Krisenprävention und Krisenmanagement“. So soll der Bund die Mittel aufstocken, um mehr zivile Fachkräfte, vor allem Polizisten und Juristen, in Krisenländer entsenden zu können. Zudem fordert sie eine „Eindämmung der Rüstungsexporte“, eine Stärkung der Vereinten Nationen wie des Europarates und eine enge Zusammenarbeit mit den USA.
Einen völlig anderen Ton schlägt die Linkspartei an. Als einzige im Bundestag vertretene Partei lehnt sie Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich ab, ebenso die Vermischung von militärischen und zivilen Maßnahmen bei der Friedenssicherung. Gleichzeitig fordert sie, die Produktion und den Export von Waffen und Rüstungsgütern zu verbieten. Im Gegenzug sollen Projekte zur zivilen Konfliktlösung umfassend gefördert sowie die Vereinten Nationen und die OSZE gestärkt werden.
Die Grünen plädieren dafür, „dass Deutschland mehr globale Verantwortung für den Frieden und Gerechtigkeit in der Welt übernimmt“. Die Erhöhung des Wehretats lehnen sie kategorisch ab und fordern mehr Mittel für Krisenprävention und die Entwicklungspolitik. Zudem setzt sich die Partei für eine stärkere Europäisierung der Außen-, Entwicklungs-, Friedens- und Sicherheitspolitik ein.
Die FDP plädiert für eine „internationale Politik aus einem Guss“, bekennt sich zur transatlantischen Partnerschaft, zur Nato und zur EU. Deutschland müsse entsprechend seiner Wirtschaftskraft international mehr Verantwortung übernehmen, langfristig sollen daher drei Prozent des BIP in eine enger als bisher vernetzte Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik fließen. Ausdrücklich sprechen sich die Liberalen für Rüstungskontrolle und Abrüstung aus.
Die AfD schließlich setzt sich für eine Außenpolitik ein, die sich „an deutschen Interessen“ ausrichtet. Sie fordert einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für Deutschland sowie eine Verbesserung des Verhältnisses zu Russland, um Moskau „in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur“ einzubinden. Die Bundeswehr müsse reformiert und die Wehrpflicht wiederbelebt werden. Außerdem soll ein deutscher Grenzschutz aufgebaut werden.