Ist das nur ein kleiner Dämpfer, Ausdruck der sehr speziellen Verhältnisse im Saarland – oder der Anfang vom Ende des Hypes um den neuen SPD-Chef Martin Schulz? Verpufft der Schulz-Effekt sogar, bevor das Superwahljahr in seine heiße Phase gekommen ist? Im Willy-Brandt-Haus in Berlin ist an diesem Sonntagabend alles für eine rauschende Siegesparty vorbereitet. Eine Woche nach dem Sonderparteitag, bei dem Schulz mit dem historischen Wert von 100 Prozent zum neuen SPD-Chef gekürt worden ist, sollen der Triumph im Saarland und die Regierungsübernahme in Saarbrücken an der Seite der Linken gefeiert werden.
Doch als um Punkt 18 Uhr die Prognosen der Meinungsforschungsinstitute über die Bildschirme flimmern, bleibt den Genossen der Jubel im Hals stecken. Zu eindeutig ist das Ergebnis, zu klar der Vorsprung der CDU mit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, zu groß der Rückstand der SPD. Schon nach der Prognose ist klar: Für Rot-Rot an der Saar reicht es nicht, es bleibt nur die Fortsetzung der ungeliebten Großen Koalition, es gibt kein Signal für eine Mehrheit links der Mitte. „Ohje“, stöhnt eine Sozialdemokratin, „das darf doch nicht wahr sein“, ruft ein anderer.
Justizminister Heiko Maas, selber Saarländer, gibt unverzüglich die Devise aus: „Das war keine Testwahl für den Bund“, auch wenn er etwas kleinlaut zugeben muss: „Die Bäume sind für uns nicht in den Himmel gewachsen.“ Man habe sich ein besseres Ergebnis gewünscht.
Die SPD kassiert ein „frühes Tor“
Auch Martin Schulz, der trotz des kräftigen Dämpfers an der Saar mit lautem Beifall und Jubel empfangen wird, redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern räumt die Niederlage ein. Das sei ein klarer Sieg der amtierenden Ministerpräsidentin des Saarlandes, die nicht nur die Potenziale der Union voll ausgeschöpft habe, sondern der es auch gelungen sei, „in umfangreicher Weise“ zu mobilisieren. „Das ist nicht der Abend, den wir uns erhofft haben.“ Die SPD dagegen habe ihr Ziel „für diesen Abend nicht erreicht“, der angestrebte Regierungswechsel sei zumindest an der Saar nicht möglich. Gleichwohl will sich Schulz nicht entmutigen lassen. In der Politik sei es wie im Fußball: Wenn man ein frühes Tor kassiere, müsse die Mannschaft zusammenrücken und kämpfen. „Wir werden die nächsten Tore auf unserer Seite machen“, sagt er vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen im Mai.
Einige Kilometer westwärts, im Konrad-Adenauer-Haus am Rande des Tiergartens, können die Christdemokraten dagegen ihr Glück kaum fassen. Bis vor wenigen Tagen noch prognostizierten die Meinungsforscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit knappem Ausgang und sogar einen Machtverlust zugunsten einer Koalition von SPD und Linken, intern fürchtete man sich gar vor einem „Fehlstart“ ins Superwahljahr. Umso größer ist die Erleichterung, dass ihr populäres Zugpferd Annegret Kramp-Karrenbauer quasi im Alleingang die CDU zu einem in dieser Höhe nicht erwarteten Sieg geführt hat. Die Regierungschefin an der Saar, die wegen ihres unaufgeregten, pragmatischen und unprätentiösen Auftretens auch als „kleine Merkel“ gilt, profitiert von ihren extrem guten Werten und kann im Schlussspurt die SPD klar schlagen. Die Menschen im Saarland hätten sich „für Stabilität und Verlässlichkeit entschieden“, gibt Generalsekretär Peter Tauber den Tenor für den Bundestagswahlkampf vor, in dem die Union mit ähnlichen Attributen für die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel werben wird. Vor allem registriert man im Adenauer-Haus aufmerksam, dass selbst eine Mehrheit der SPD-Wähler eine rot-rote Koalition abgelehnt und sich für eine Fortsetzung der Großen Koalition ausgesprochen habe.
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer bringt es auf den Punkt: „Ruhiges Regieren zahlt sich in unruhigen Zeiten aus.“
Enttäuscht: die Grünen und die FDP
Groß ist die Enttäuschung an diesem Abend hingegen bei den Grünen wie bei der FDP, die beide an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Für die Grünen ist dies die zweite schwere Niederlage innerhalb weniger Monate, nachdem sie im September schon den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag verpassten. Fast wortgleich begründen die Parteichefs Simone Peter und Christian Lindner dies damit, dass das Saarland „schon immer ein schwieriges Pflaster“ für ihre Partei gewesen sei. Dagegen freuen sich die Linken über ihr gutes Abschneiden und werfen der SPD vor, sich im Wahlkampf nicht konsequent genug für Rot-Rot ausgesprochen zu haben. So fordert Fraktionschef Dietmar Bartsch „eine klare Aussage für den Politikwechsel, damit es im Bund klappt“.