Es sind Bilder wie diese, die sich in den sozialen Netzwerken im weltweiten Netz in Sekundenschnelle verbreiten und Hoffnungen auf ein vermeintlich besseres Leben in Deutschland wecken. Ein junger Flüchtling lässt sich in einem Erstaufnahmelager mit einem Bündel von Euro-Scheinen fotografieren und teilt seinen Freunden in der alten Heimat mit, jeder Flüchtling in Deutschland erhalte ein Begrüßungsgeld.
Dass diese Botschaft nicht wahr ist, spielt dabei keine Rolle, doch ihre Wirkung ist verheerend. In den sozialen Netzwerken werden sie in Sekundenschnelle tausendfach, millionenfach weitergeleitet und entwickeln ihre eigene Dynamik, vor allem aber wecken sie Erwartungen, die nicht zu halten sind. Das neueste Gerücht, das derzeit kursiert und dabei ist, eine neuerliche Flüchtlingswelle auszulösen: An Weihnachten werde Europa seine Grenzen dicht machen. Wer noch nach Europa wolle, müsse sich unverzüglich auf den Weg machen.
Das Auswärtige Amt registriert diese Entwicklung mit Sorge – und hat darauf reagiert. Fakten statt Gerüchte lautet die Devise einer Informationskampagne, mit der die Diplomaten aus dem Hause von Frank-Walter Steinmeier (SPD) seit Mitte September auf Facebook, Twitter und mithilfe des fremdsprachlichen Programms der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik, die Menschen in den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern von einer Flucht abhalten wollen. Damit soll vor allem gegen die Schlepperbanden vorgegangen werden, die „gezielt Desinformationen“ verbreiten würden, um ihre lukrativen Geschäfte am Laufen zu halten. „Schlepper lügen und sind nur an Geld interessiert. Sie helfen nicht, sondern gefährden euer Leben. Vertraut ihnen nicht!“, lautete beispielsweise eine ebenso kurze wie eindringliche Botschaft, die vom „German Foreign Office“ über Twitter verbreitet wurde. Zudem verwies das Amt darauf, dass nicht alle Flüchtlinge in Deutschland dauerhaft bleiben können. „Ein erheblicher Teil von Ihnen wird voraussichtlich nicht anerkannt und wird Deutschland wieder verlassen müssen.“
Seit Beginn dieser Woche läuft die zweite Welle der Informationskampagne: Die Asylbeschlüsse von Bundestag und Bundesrat, die eine erhebliche Verschärfung des Asylrechts und schnellere Abschiebungen abgelehnter Bewerber zum Inhalt haben, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und über Facebook und Twitter verbreitet, in Serbien, im Kosovo und in Montenegro wird vermeldet, dass diese Länder nunmehr auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten stehen. „Diese Initiative ergänzt unsere Bemühungen um Aufklärung darüber, dass Asylanträge so gut wie keine Erfolgschance haben“, heißt es in der Regierung.
Eine besondere Rolle in der Informations- und Aufklärungskampagne des Auswärtigen Amtes spielt die Deutsche Welle, die nach eigenen Angaben mit ihrem Internetangebot in 30 Sprachen von Albanisch bis Urdu weltweit 22 Millionen Nutzer pro Woche erreicht, davon allein rund vier Millionen im arabischsprachigen Raum.
Mit Geldern des Ministeriums hat der deutsche Auslandssender ein Programm speziell für Flüchtlinge und die, die möglicherweise ebenfalls ihr Land verlassen wollen, entwickelt, in dem in zahlreichen Sprachen über die Flüchtlingsproblematik und die Situation in Deutschland informiert wird.
Nicht zuletzt setzt die Regierung auch darauf, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Flüchtlinge auf Facebook über ihr neues Leben im vermeintlichen Paradies Deutschland schwärmten, und stattdessen realistischere Botschaften versenden. So klagte ein Rückkehrer aus Deutschland im kurdisch-irakischen Fernsehen, er habe in Deutschland stundenlang in der Kälte auf seine Registrierung und dann aufs Essen warten müssen. Und dann habe es nur eine Möhrensuppe gegeben.
Unionskommunalpolitiker wollen Grenzen schließen
Ein Brief dürfte für Furore im Kanzleramt sorgen. Geschrieben hat ihn Ingbert Liebing, Chef der CDU in Schleswig-Holstein und kommunalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Ein Mann der Basis, der als Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der Union die Interessen von mehr als 75 000 Amts- und Mandatsträgern der Union in den Gemeinden, Städten und Landkreisen vertritt.
Für die Kommunalpolitiker der Union ist die Schmerzgrenze erreicht. Bei ihrer Bundesvertreterversammlung am 13. November in Saarbrücken wollen sie daher beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, die deutschen Grenzen zu schließen und zu sichern. „Das System von Schengen setzt sichere EU-Außengrenzen voraus. Solange dies nicht gewährleistet ist, halte ich die Sicherung der nationalen Grenzen für notwendig“, heißt es in dem Brief an Kanzleramtschef Peter Altmaier, den Koordinator der Bundesregierung für die Flüchtlingspolitik. Der Brief liegt der Redaktion dieser Zeitung vor. Die Schließung der Grenzen werde sicherlich „nicht 100-prozentig gelingen“, sei aber ein wichtiges Signal in die Herkunftsländer, „dass Deutschland nicht schrankenlos alle Flüchtlinge aufnehmen kann“. Text: fer