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BERLIN
Widerstand gegen Kompromiss zum Familiennachzug
Flüchtlinge kommen an       -  Wenn nur ein Teil der Familie die Flucht geschafft hat und dauerhaft hierbleiben kann, bietet sich der Familiennachzug an.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Wenn nur ein Teil der Familie die Flucht geschafft hat und dauerhaft hierbleiben kann, bietet sich der Familiennachzug an.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:11 Uhr

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ab August wieder enge Familienangehörige nach Deutschland nachholen können. Der Gesetzesentwurf aus der Feder von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sorgte im Bundestag, der sich am Donnerstag erstmals damit befasste, für einen heftigen Schlagabtausch. Denn das Papier sieht eine Begrenzung auf höchstens 12 000 Personen jährlich vor, die nach humanitären Gesichtspunkten ausgesucht werden.

Im Frühjahr 2016 war der erst kurz zuvor eingeführte Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem („subsidiären“) Schutzstatus von Union und SPD ausgesetzt worden. In den Verhandlungen über die Bildung einer Neuauflage der Großen Koalition hatte das Thema für heftigen Streit gesorgt. Erst nach zähem Ringen einigten sich Union und SPD auf den Kompromiss, den Horst Seehofer im Bundestag „verantwortungsvoll“ nannte. Das geplante Regelwerk trage sowohl der „begrenzten Aufnahmefähigkeit“ des Landes als auch den Interessen der Schutzberechtigten und humanitären Aspekten Rechnung.

Laut Seehofer soll das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen, Härtefälle würden vorrangig berücksichtigt. Nachziehen kann – wie im Fall von Flüchtlingen mit vollem Schutzstatus – die Kernfamilie. Das sind Ehepartner und minderjährige ledige Kinder, bei in Deutschland lebenden Minderjährigen können die Eltern einreisen.

Gefährder ausgeschlossen

Einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug, so betonte Seehofer, haben subsidiär geschützte Flüchtlinge künftig nicht mehr. Wer einreisen darf, sollen Auswärtiges Amt, Ausländerbehörden und Innenministerium gemeinsam entscheiden. Flüchtlinge mit guter Integrationsperspektive sollen bevorzugt werden, Personen, die schwere Straftaten begangen haben, oder terroristische Gefährder werden dagegen vom Familiennachzug ausgeschlossen.

Burkhard Lischka, Innenexperte der SPD, verwies noch einmal auf die großen Bauchschmerzen, die das Thema seiner Partei bereitet hat, nannte die Einigung aber einen „Akt der Humanität“, der zugleich für Ordnung und Steuerung beim Familiennachzug sorge.

Massive Kritik kommt aus der Opposition. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, sagte gegenüber dieser Redaktion: „Mutter, Vater und Kind gehören zusammen. Grundrechte kann man nicht kontingentieren.“ Das von der Großen Koalition vorgeschlagene Auswahlverfahren sei überdies so bürokratisch angelegt, dass zu befürchten sei, „dass sich die Verfahren deutlich verzögern und selbst die vereinbarte Zahl von 1000 Personen nicht erreicht werden wird“.

Die Linksfraktion nannte die Pläne „schlicht und einfach grausam“. Dagegen begrüßte die FDP die Begrenzung des Nachzugs, eine „starre Zahl“ sei dafür jedoch ungeeignet. Und die AfD lehnt den Familiennachzug komplett ab, durch das Gesetz würden die „Schleusen“ noch weiter geöffnet. Sollte das Gesetz wie erwartet noch vor der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, könnte es zum 1. August in Kraft treten.

Das Thema Flüchtlingspolitik hat auch das Treffen der Länderinnenminister in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) dominiert. Bundesinnenminister Seehofer hat dabei angekündigt, mehrere Hundert von Entlassung bedrohte Mitarbeiter des von einem Skandal erschütterten Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu halten. Wegen des Verbots von Kettenverträgen mit sachgrundloser Befristung hätten zahlreiche Bamf-Beschäftigte demnächst gehen müssen.

Für Ankerzentren geworben

Zudem warb Seehofer für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben, Asylverfahren künftig in sogenannten Ankerzentren zu bündeln. Am Dienstag kommender Woche will Seehofer seinen „Migrations-Masterplan“ vorstellen. Es wird erwartet, dass der Plan auch die Zurückweisung von Flüchtlingen vorsieht, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind.

 
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