Wahlkampf also mal wieder. Damit hat Guido Westerwelle ja nun doch schon eine gewisse Erfahrung. Nur, dass er nicht mehr mit dem „Guidomobil“ irgendwo in der deutschen Provinz unterwegs ist, sondern mit dem Regierungsairbus „Konrad Adenauer“ in New York. Und es geht auch nicht mehr um die FDP, sondern um Deutschland. Der Außenminister hat ins Deutsche Haus geladen, schräg gegenüber von der UN-Zentrale, um Stimmen für die deutsche Bewerbung um einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu sammeln.
Die Entscheidung über die Besetzung in den Jahren 2013-15 fällt am kommenden Montag, und es könnte knapp werden: Die Bundesrepublik kandidiert in der „Westlichen Gruppe“, wo drei Plätze zu vergeben sind. Darum konkurrieren fünf Länder – außer Deutschland die Vereinigten Staaten, Schweden, Irland und Griechenland. Dass es die USA nicht schaffen, kann sich kaum einer vorstellen, zumal nach der Wiederwahl des UN-freundlichen Präsidenten Barack Obama.
Aber die anderen? Für die Deutschen spricht, dass sie bei der vorigen Kandidatur das beste Ergebnis überhaupt bekamen, für die Iren eine allgemein gelobte Bewerbung, für die Schweden ein grundsätzlicher Sympathiefaktor und für die Griechen ein gewisser Mitleidsbonus. Die Deutschen sind verhalten optimistisch. Aber sicher sind sie sich ihres Erfolges nicht.
In solchen Fällen muss dann der Minister noch mal ran. Westerwelle nahm dafür eine ziemliche Tortur auf sich. Praktisch flog er für den abendlichen Empfang ein Mal um die Welt: Allein die Strecke von einem Europa-Asien-Treffen in Laos über den Nordpol nach New York dauerte 17 Stunden. Die Luftwaffe, zu der die Regierungsflieger gehören, ließ für die Reise eigens einen Aufkleber drucken: „Weltflug 2012“. Westerwelle fand das gut.
Guido Westerwelle
Gemessen am Aufwand ist der Abend dann einigermaßen unspektakulär – kein Vergleich zu dem Empfang, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst 2010 für die dann erfolgreiche deutsche Bewerbung um einen Platz im UN-Sicherheitsrat warb. Damals war neben vielen Staats- und Regierungschefs auch Prominenz wie Bob Geldof zu Gast. Mit dem nicht-ständigen Sitz im wichtigsten UN-Gremium ist es zum Jahresende wieder vorbei. Den meisten wird davon in Erinnerung bleiben, dass sich Deutschland beim Libyen-Einsatz enthielt.
Solche Probleme sind im Menschenrechtsrat, der in Genf seine Heimat hat, nicht zu befürchten. Das Ganze ist dann doch einige Nummern kleiner. So hat Westerwelle im 23. Stock dann auch nur einige Dutzend UN-Botschafter zu Gast. Das sind jedoch die Leute, die am Montag entscheiden werden. Jedem Einzelnen schüttelt er die Hand. Dazu gibt es Hofbräuhaus-Bier und Kleinst-Schnitzel.
In einer kurzen Rede auf Englisch betont Westerwelle, wie wichtig der Bundesregierung, der Kanzlerin und auch ihm selbst die Menschenrechte seien. „Das ist für uns kein alltägliches Geschäft. Wir wollen als Brückenbauer aktiv sein. Für uns ist es wichtig, das Thema offen anzusprechen.“ Es gab in den vergangenen Monaten allerdings auch Momente, in denen er das vermied – zum Beispiel erst kürzlich bei seinem jüngsten China-Besuch.
Bald darauf ist der Empfang dann schon vorbei. Von den UN-Botschaftern haben viele noch andere Termine. Nur für Westerwelle, der eigentlich noch am selben Abend zurück nach Berlin fliegen wollte, hat die Sache noch kein Ende. Wegen eines neuen Sturms an der amerikanischen Ostküste muss die deutsche Regierungsmaschine wie viele andere Flugzeuge am Boden bleiben. Der Sturm trägt den Namen „Athena“. Wenn das mal kein schlechtes Omen ist.
UN-Menschenrechtsrat
Im Rahmen der von UN-Generalsekretär Kofi Annan vorangetriebenen Reform der Vereinten Nationen löste im Juni 2006 der UN-Menschenrechtsrat (engl. Human Rights Council – UNHRC) die UN-Menschenrechtskommission ab. Der Rat kann, wie bereits die Menschenrechtskommission, mit absoluter Mehrheit die Entsendung von Beobachtern zur Überwachung der Menschenrechtssituation in einem Mitgliedstaat beschließen. Jedoch gehören ihm nur noch 47 Mitglieder an. Der Menschenrechtsrat ist ein Unterorgan der UN-Generalversammlung, wie sich aus der Resolution der Generalversammlung (60/251, Nr. 1) ergibt, durch die der Rat errichtet wurde. Die UN-Generalversammlung vom 15. März 2006 entschied sich mit 170 Zustimmungen, vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen für die Gründung des Menschenrechtsrats. Mit konstituierender Sitzung vom 19. Juni 2006 trat das neue UN-Gremium in Genf erstmals zusammen.